Nachdem ich meine Erklärung beendet hatte, trat Schweigen in die Runde. Keiner hatte während meiner Erklärungen gewagt eine Frage zu stellen, sondern hatten still zugehört. Selbst jetzt schienen sie sich nicht zu trauen, die Fragen zu stellen, die ihnen auf der Zunge lagen. Ich wusste, dass es Fragen gab, die sie hatten und ich jetzt wohl oder übel beantworten musste. Ich hatte mich für diesen Weg entschieden und wenn ich das Vertrauen von Jean, Levi und Armin wieder zurückgewinnen wollte, so blieb mir keine andere Wahl. Als ich mich entschieden hatte Jean zu retten, so war mir es bewusst gewesen, dass ich ihnen alles erzählen musste. Auch wenn ich es am liebsten nicht getan hätte. „Also hattest du nie vor, Erwin zu töten?" Azriels Frage war mehr eine Feststellung als eine Frage. Ein dicker Kloß bildete sich in meinen Hals und ich musste schlucken, bevor ich langsam nickte. Seine Feststellung hatte ins Schwarze getroffen. Sobald ich bemerkt hatte, dass das Leben an der Oberfläche viel einfacher und bequemer war, hatte ich keinen einzigen Gedanken daran verschwendet wirklich Erwin zu töten. Wenn ich ehrlich war, war ich auch nur dem Aufklärungstrupp beigetreten, um im Notfall doch noch zum Plan zurückzugreifen. Es war nur eine reine Vorsichtsmaßnahme gewesen. Wieder trat kurzes Schweigen ein. Sie war bedrückend und ließ mich unruhig werden. Aus keinen der Gesichter konnte ich erkennen, was sie über mich dachten und dabei hatte ich ihnen meine gesamte Vergangenheit offenbart. „Also warst du hier im Untergrund Cyrians...Bettgefährtin.", unterbrach Armin zögerlich das Schweigen. Der Blonde sprach langsam und mit sehr viel Bedacht. Es schien so, als hätte er Angst seinen Worten Raum zu geben. Automatisch glitt meine Hand zu meiner Hüfte. Meine Finger strichen über die Narben des Brandzeichens. Das Zeichen, dass ich Cyrians Eigentum war, und zwar für immer. Ein kalter Schauer lief mir bei diesem Gedanken über den Rücken und plötzlich fühlte ich mich in dieser spärlichen Bekleidung unwohl. Normalerweise hatte ich sie immer voller Stolz getragen. Bis jetzt hatte es noch nie eine solche Situation gegeben, doch jetzt verspürte ich das Bedürfnis die freien Stellen zu bedecken. Ich ließ von dem Brandzeichen ab und zog den Umhang enger um meinen Körper. Erst dann konnte ich meinen Blick zu Armin wenden. „Ja. Zwar nicht von Anfang an, aber ich habe mich sozusagen hochgearbeitet.", bestätigte ich seine Worte. Sie kamen mir nur schwer von den Lippen und hinterließen ein Faden Beigeschmack. Früher hatte ich es für richtig empfunden. Schließlich hatte die Position mir hier ein schönes Leben beschert. „Du hättest mich nicht retten müssen.", begann nun Jean zu sprechen. Sein Blick war auf seine Hände gesenkt. „Cyrian hatte dir geglaubt, dass wirklich Erwin tot sei. Du hattest deinen Platz wieder eingenommen. Das war es doch, was du von Anfang an wolltest oder etwas nicht?" Jean hatte nicht ganz unrecht damit. Ja ich hätte ihn einfach dort sterben lassen können und wieder mein altes Leben aufnehmen können. Doch ich hatte es nicht gekonnt. Allein schon bei dem Gedanken daran wurde mir schlecht und ich fühlte mich mies. Jean hätte es nicht verdient, dass er hier unten sein Leben ließ. In der Zeit, in der wir beide beim Aufklärungstrupp waren, hatte ich bemerkt, dass dieser Kerl sein Herz am Rechten Fleck trug. Außerdem war er noch jung und hatte sein Leben vor sich. Ihn hier unten sterben zu lassen kam mir irgendwie falsch vor.
„Ja, das stimmt. Aber irgendwie konnte ich es nicht... Allein der Gedanke", begann ich, verstummte jedoch, denn ich fand einfach nicht die richtigen Worte, um das auszudrücken, was ich gefühlt hatte. Nervös biss ich mir auf die Unterlippe und suchte nach Worten, die meine Situation richtig ausdrücken könnten. Doch mein Kopf war wie leergefegt. „Es ist okay.", riss mich Levis Stimme aus meinen Gedanken. Überrascht, dass der Hauptgefreite sich zu Wort meldete, hob ich den Kopf und blickte in seine sturmgrauen Augen. Auch Armin, Jean und Azriel hatten überrascht ihre Blicke zu ihm gewandt. „Du hast dich damals für dieses Leben entschieden, weil es die beste Option, die du hattest. Du hast diese Entscheidung für dich getroffen, um zu überleben. Ich hätte an deiner Stelle nicht anders gehandelt. Ich denke es sollte uns Beweis genug sein, dass du Jean gerettet hast, dass du eine von uns bist.", fuhr der Giftzwerg fort. Noch einen Moment blieb er sitzen, bevor er sich erhob und dann zu Azriel blickte. „Nur zur Info. Du darfst uns begleiten, aber mein Team steht an erster Stellte." Aus Azriels Augen wich der Schalk, als er Levis drohenden Tonfall hörte. Anscheinend hatte er nicht damit gerechnet, dass er ihn so offen ansprach, aber Levi war immer wieder für eine Überraschung gut. Az presste seine Lippen zu zwei schmalen Schlitzen und nickte leicht. „Verstanden.", antwortete er knapp. Noch einmal musterte Levi ihn kurz, bevor er an ihm vorbeiging. „Ruht euch aus. Ich übernehme die Wache. Ihr werdet eure Kräfte noch alle brauchen. Cyrian weiß jetzt, dass es zwei Verräter gibt und wird vor nichts halt machen, um sie zu töten und wir haben immer noch einen Auftrag zu erfüllen." Noch einmal blickte der Hauptgefreite über die Schulter zu uns, dann verließ er das Haus. Sobald hinter ihm die Tür ins Schloss gefallen war, breitete sich Erschöpfung in mir aus. Die letzten Stunden war mein Körper mit Adrenalin vollgepumpt, welches nun abflaute, sodass ich deutlich merkte, wie kräftezerrend die letzten Stunden waren. Ohne groß noch etwas zu den anderen zu sagen, erhob ich mich und suchte nach einem ruhigen Plätzchen, um etwas zu schlafen.
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Dark Soldiers
FanfictionMan sagt, dass du die Soldaten den Aufklärungstrupp beitreten, die bereit sind ihr Leben für die Menschheit zu opfern. Macht mich der Eintritt in den Aufklärungstrupp zu einem guten Menschen? Oder stimmt es, was die Bewohner innerhalb der Mauer sage...