Und dann geht's hinein in den Tunnel

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Elurín stand vor dem Eingang der Hölle.
Der schwarze Schlund gähnte vor ihm und führte in Verderben verheißende Finsternis hinab. Ein bestialischer Gestank wehte aus dem Loch heraus.

Der Elb holte tief Luft.
Straffte die Schultern.
Es war so weit.

Langsam zog er sein Schwert und der grüne Schein des weit unter ihm liegenden Hexerturms spiegelte sich in der Klinge. Seine Finger schlossen sich fest um den Griff.

Und als er keinen Grund mehr hatte, noch länger zu zögern, gab er sich den Ruck und trat hinein in das Reich Kankras.
Schlagartig schien die Luft um ihn herum schwerer zu werden, als läge eine Decke auf seinen Schultern.
Der Gestank nach Verwesung und schlimmeren Dingen war kaum auszuhalten.

Elurín atmete leise und flach, während er vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzte und sich in der engen Höhle umsah.
Seine elbischen Augen konnten selbst in dunkelster Nacht noch etwas erkennen, doch als sie die Netze und die darin Gefangenen enthüllten - von Insekten über Vögel bis hin zu orkischen und menschlichen Skeletten- wünschte er sich fast, sie wären um ein vielfaches weniger empfindsam.

Der Elb schluckte und gestattete sich einen weiteren tiefen Atemzug. Er war so angespannt, dass ihm selbst dieses leise Geräusch der Luft, die er zwischen den Zähnen hervorstieß, viel zu laut erschien.

Ruhig, sagte er sich, ruhig. Das ist nicht dein erster Kampf.

Nein, antwortete er sich selbst, zumindest der Teil von ihm, der voller Zweifel und Anspannung war, Aber von kaum einem hing je so viel ab...

Elurín schüttelte den Kopf, verbannte seine Gedanken. Es war jetzt sowieso zu spät. Über den Plan war bereits entschieden worden. Jetzt gab es kein Zurück mehr.

Er zwang sich, seine Augen von den Netzen abzuwenden und sich auf die Wände dahinter zu konzentrieren. Kankra war eine geübte Jägerin und noch dazu hier zuhause.
Sie kannte wahrscheinlich jeden Winkel dieser Höhlen. Hinter jedem Netz konnte eine Spalte liegen, hinter der sie lauern mochte.

Doch jeder weitere Blick enthüllte nur nackten Fels.
Der Tunnel wurde größer, begann plötzlich, sich zu verzweigen. Elurín wählte den Gang zufällig und schlich dann weiter.

Langsam wurde er unruhig.
Das Gefühl, beobachtet zu werden, war beinahe unerträglich.
Doch weder seine Augen noch seine Ohren konnten dieses Gefühl bestätigen- beruhigen konnten sie es allerdings auch nicht.

Plötzlich spürte er einen Luftzug.
Er kam aus einem schmalen Gang vor ihm und war frisch und kühl.
Wie in Trance ging Elurín einen Schritt darauf zu- Ausgang.
Dieser Tunnel führte zum Ausgang.

Doch dann besann er sich seines Auftrags und blieb wie angewurzelt stehen.
Was tat er hier eigentlich?!
Es ging nicht darum, dass er sicher und unbeschadet aus dieser Höhle kam!

Er musste Kankra finden.
Irgendwie musste er diese Spinne finden.
Doch als er weiterging und immer tiefer in dieses Tunnelnetzwerk hinabstieg, erkannte er, dass er sie so nicht aufspüren konnte- der Berg war zu groß und die Tunnel zu verzweigt.

Elurín seufzte.
Also musste er die Beute spielen.
Sie anlocken.
Ihr weismachen, dass hier ein saftiger Bissen Fleisch auf sie wartete.

Also kehrte er zu dem Gang zurück, der zum Ausgang führte. Dabei stieß er mit dem Schwert immer wieder gegen den Fels und fluchte vor sich hin. Seine Schritte, die zuvor leise und bedacht gewesen waren, waren nun gut zu hören und seine Füße verhakten sich ab und zu in den Netzen.

Durch all sein - er musste zugeben ziemlich schlechtes - Schauspiel lauschte er auf irgendetwas, dass ihn in dieser Finsternis vor Kankras Kommen warnen konnte.

Die Wächter der 9 GefährtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt