Der Bote des Weißen Zauberers

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Gandalf führte ihn mit schnellen Schritten durch den dichten Wald.
Eluréd folgte ihm auf dem Fuß, Morethir flatterte über ihm durch die Baumwipfel, nur ein schwarzer Schemen in dem dämmrigen Licht.

Der Elb konnte die Eile seines Führers verstehen. Wenn es wirklich so ernst war, wie Gandalf sagte, dann hatten sie wahrlich nicht mehr viel Zeit. Er hatte nicht mehr viel Zeit. Eluréd war immer nich nicht vollends vom Plan des weißen Zauberers überzeugt, aber er hatte seine Zustimmung bereits gegeben.

Außerdem war er jemand, der sehr rational dachte und die Argumente, die für seine Hilfe sprachen, überwogen das Ablehnen bereits bei weitem. Also musste er zu seinem Wort stehen.

Sie hielten auf den Waldrand zu. Die Rohirrim hatten einen großen Vorsprung, Eluréd würde ein sehr gutes Pferd brauchen, um ihnen hinterherzukommen. Er hoffte nur, dass er es rechtzeitig schaffte. Gandalf sollte nicht denken, er hätte ihn hintergangen.

Der Wald lichtete sich und lief schließich in die Ebene von Rohan aus. Sie waren nördlich des Scheiterhaufens, der die Leichen des Uruk-Massakers langsam in Asche verwandelte. Morethir kam von den Bäumen herab und nahm seinen Stammplatz auf Eluréd Schulter ein.
Gandalf drehte sich nun zu ihm um.
"Weiter kann ich Euch nicht begleiten. Ich muss zurück um die drei Jäger zu erwarten. "

Dann wandte er sich wieder der Ebene zu und stieß einen trillernden Pfiff aus. Die Antwort darauf war ein Wiehern. Ein weißes Pferd kam auf sie zugeritten, gefolgt von einem gesatteltem Grauen.

Eluréd konnte seinen Augen nicht trauen, als er bemerkte, dass es einer der Hengste war, die Ristilur für ihn und Elurín in Bree besorgt hatte. Leise wiehernd kam er auf den Elben zu und stupste ihn sanft an und Morethir krächzte leise zur Begrüßung. Eluréd musste lächeln. Das wäre nun schon die zweite Verfolgungsjagd, die er auf dem Rücken dieses Pferdes austrug.

"Wie kommt er hier her?"fragte der Elb an Gandalf gewandt, während er den Hals des Hengstes streichelte.
Der weiße Zauberer lächelte und tätschelte den Hals des Schimmels. "Schattenfell brachte ihn von Bruchtal mit. Bis jetzt., muss ich zugeben, hatte ich keine Ahnung, warum. Aber als ich Euch sah, wusste ich, dass er Euer Pferd ist. Wie lautet sein Name?"

Eluréd zuckte die Achseln. Er und sein Bruder hatten in der Vergangenheit Pferde selten länger als einige Wochen gehabt, also gaben sie ihnen keine Namen. Aber bei diesem war es etwas anderes. "Faroth." Sagte er schließlich.

Jäger.

Der Name schien ihm passend, hetzte sein Reiter doch von einer Verfolgungsjagd zur nächsten. Gandalf nickte. "Und was ist mit dem Euren?" Eluréd seufzte und drehte sich dem weißen Zauberer vollständig  zu. "Hatten wir diese Diskussion nicht gerade?"

Der Istari zog eine Augenbraue in die Höhe. "Wenn Ihr diese einseitige Unterhaltung als Diskussion bezeichnen wollt, dann ja. " Er spielte darauf an, dass Eluréd auf Gandalfs Frage nach seinem Namen mit entschlossenem Schweigen geantwortet hatte. Er hatte geglaubt , der Zauberer würde es auf sich beruhen lassen.

Eluréd konnte ihn nicht schon wieder einfach ignorieren, deshalb sagte er nur:" Nennt mich, wie Ihr wollt." Dann machte er sich Daran, Faroths Sattelgurt festzuzurren und seinen Bogen und sein Bündel am Sattel befestigte.

"Gut, Lûmdir. Viel Glück ist alles, was ich Euch noch mitgeben kann. Ich hoffe, Ihr findet Eomer rechtzeitig." Elurèd nickte ihm zum Dank kurz zu, dann schwang er sich in den Sattel,Morethir erhob sich wieder in die Luft.
Ohne einen weiteren Blick zurück trieb er Faroth zum Galopp.

Es dauerte nicht lange, bis er die Spuren der Rohirrim fand. Sie liefen nach Norden und waren einfach zu verfolgen, sodass Eluréd alle Zeit der Welt zun Nachdenken hatte.

Seine Gedanken hingen an dem Namen, dem Gandalf ihm gegeben hatte. Lûmdir bedeutete in etwa soviel wie Schattenwächter. Das Wort Lûm beschrieb dabei aber nicht wirkich einen Schatten sondern eher eine undeutliche Gestalt oder eine Erscheinung.

Der Name beschrieb im Grunde genau das, was er und Elurín die ganze Zeit seit Andúns Tod gewesen waren. Wächter, die man niemals zu Gesicht bekam, Wächter, deren Eingreifen man am Besten gar nicht bemerkte.

Seine Gedanken wanderten zu seinem Bruder. Er war irgendwo auf dem Weg Richtung Mordor, an den Fersen der Hobbits. Sie hatten die Grenze bestimmt noch nicht erreicht, noch waren sie in Sicherheit. Noch war Elurín in Sicherheit, redete er sich ein.

Aber...
Wusste er das wirklich? Wenn Sauron den Ring hätte, dann wüsste man das.
Aber was, wenn nur Elurín Tot war? Wenn er die Hobbits verteidigt hatte und dabei gestorben war?
Was ,wenn...

Eluréd zwang sich, mit den Grübeleien aufzuhören. Die halfen weder ihm noch Elurín was. Dennoch konnte er seine Sorge nicht ganz unterdrücken.
Er sah auf das Schwertheft hinab, das unter seinem Umhang hervorlugte.

Der Elb kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, wie er bei Eluríns Tod reagieren würde. Er wusste genau, dass er ausrasten würde. Dass jeder Gedanke von seinem Hass und seinem Rachdurst verdrängt werden würde.
Und dass niemand ihm bei seiner Rache Einhalt gebieten könnte, außer der Tod persönlich.

Das Licht wurde immer schwächer. Faroth, der die ganze Zeit in einem lockeren Handgalopp geritten war, begann langsam, bei seinen Schritten zu stolpern. Elurèd hielt den Hengst an und stieg ab.

Von seiner Last befreit war das Pferd nun wieder in etwas besserer Verfassung und Eluréd lief neben ihm her. Dies tat er, bis die Nacht vollständig hereingebrochen war, dann macht er Halt. Faroth brauchte die Pause dringend. Und auch dem Elben schadete sie nicht.

Eluréd holte die Rohirrim am Ende des Nächsten Tages ein. Er sah das Lager der Verbannten Meilen vorher und lenkte Faroth deshalb vorsichtig weiter. Er wollte sofort mit Eomer sprechen und sich nicht erst mit irgendwelchen Wachen herumschlagen müssen.

Kurz vor dem Lager ließ er Faroth also zurück. Den Bogen ließ er bei seinem Pferd, die restlichen Waffen nahm er mit. Die Mantelkapuze tief ins Gesicht gezogen schlich er durch das Gras auf das Lager zu. Sobald er nah genug war, um Details erkennen zu können, blieb er hocken und nahm alles in sich auf.

Die Verteilung der Wachen, die provisorischen Zelte, die Ausrüstung der Soldaten und die Aufteilung des Lagers. Nach einer kurzen Bestandsaufnahme entschied er, sich von Westen zu nähern. Dort waren die Wachen so postiert, dass er leicht an ihnen vorbeischlüpfen konnte.

Mit geübten Bewegungen, die ihm im Laufe der Jahrtausende in Fleisch und Blut übergegangen waren, kroch er auf die Zeltreihen det etwa Zweitausend Männer zu. Alle paar Schritte blieb er stehen und verharrte reglos, um sich zu vergewissern, dass er ungesehen blieb.

Er bewegte sich mit den Schatten von Zelt zu Zelt, auf der Suche nach Eomers Lager. Er erkannte es nur daran, dass zwei Wachen davorstanden, sonst sah es aus wie die anderen. Im Geist legte er sich die Worte zurecht, die er Eomer sagen würde, dann verließ er den Schatten, der ihn verbarg.

Und Als die Wachen ihn bemerkten, wie er so unvermittelt auftauchte, sah es so aus, als wäre er aus der Nacht selbst entstanden.

Die Wächter der 9 GefährtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt