Je näher sie Mordor kamen, desto finsterer wurde es. Tag und Nacht- die Worte hatten keine Bedeutung mehr, denn dunkel war es immer. Die Welt war grau und eintönig, die Bäume und wenigen Sträucher verdorrt.
Es war genauso duster wie die Stimmung der einsamen Wanderer, die als einzig Lebendiges die Einöde durchstreifte.
So zumindest empfand Elurín.
Er hasste Mordor abgrundtief, seine Leblosigkeit, seine Freudlosigkeit. Er hasste den beißenden Wind, der von Osten heranwehte und den Gestank von Eisen, Blut und Tod brachte- den Gestank des Krieges.Der Elbenmantel aus Lorien war das einzige, das ihn vor den Blicken der Hobbits verbarg, denn die paar kümmerlichen Stängel, die neben ihm aus der vertrockneten Erde ragten, waren selbst für Eluríns Geschick zu wenig.
Also verharrte er, zusammengekauert, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, damit er keine Aufmerksamkeit auf sich zog -
Und dabei ging es nicht um Frodo und Sam, sondern viel mehr um Gollum.Egal, was hinter dem Wasserfall geschehen war, die dürre Kreatur schien es Frodo übel zu nehmen.
Denn auch wenn Gollum glaubte, er wäre allein, wenn er nachts seine Selbstgespräche führte, er irrte sich gewaltig.
Nachdem er einmal Gollums hasserfülltes Geflüster auf dem Weg gehört hatte, schlief Elurín in der Nacht überhaupt nicht mehr.Nein, er wachte Nacht für Nacht in Hörweite des Lagers, lauschte auf das kalte Gemurmel dieses unangenehmen Zeitgenossen.
Und so hatte er nach und nach von Gollums Plan erfahren.
Er beabsichtigte, die Hobbits über den Pass von Cirith Ungol, einem schmalen Steig, der die Festung Minas Morgul mit dem namensgebenden Grenzposten Cirith Ungol verband, nach Mordor zu führen.Bei diesem Pass gab es allerdings ein kleines Problem: der Tunnel, der durch das Bergmassiv führte, wurde von einer riesigen Spinne namens Kankra bewacht. Und Gollum wollte die Hobbits direkt in ihre Fänge locken.
Als er Eins und eins zusammengezählt hatte, war Eluríns erster Gedanke gewesen, Gollum auf der Stelle zu töten.
Doch schon während er zum Bogen gegriffen hatte, hatte er sich anders entschieden.Er konnte Gollum nicht einfach umbringen, die Hobbits aufwecken und sagen:
"Gollum wollte Euch einer uralten Riesenspinne zum Fraß vorwerfen, ich habe ihn getötet und führe Euch nun selbst nach Mordor."Es ging nicht, denn Frodo vertraute Gollum ,auch wenn Elurín- oder auch Sam- noch so sehr beteuern würden, dass er ihn verraten hatte. Was danach geschehen würde, konnte Elurín nicht abschätzen, aber er wollte das Schicksal nicht auf die Probe stellen.
Nicht, nachdem der Ringträger schon so weit gekommen war.Nein, am Besten war es, Gollum bei ihnen zu lassen. Er wollte Frodo und Sam nicht eigenhändig töten, also stellte er keine direkte Gefahr für sie dar.
So war Elurín nach kurzem Überlegen zu folgendem Schluss gekommen:Er würde die Hobbits überholen, damit er lange vor ihnen am Pass eintraf. Er würde versuchen, Kankra zu töten und den Weg für den Ringträger freizumachen.
Wenn es dann danach zu einer Konfrontation mit Gollum kam, konnte er immer noch eingreifen.Aber Gollum war lang nicht so eine Gefahr, wie dieses Monster eine darstellte. Wenn er es schaffte, sie zumindest schwer zu verletzen, könnten sie es unbehelligt durch ihre Tunnel schaffen.
Heute Nacht würde er die Hobbits überholen. Wenn sie rasteten und Gollum mit wichtigerem beschäftigt war, konnte er leicht an ihnen vorbeischlüpfen. Dann konnte Elurín seine Schnelligkeit und Ausdauer nutzen und so einen Abstand von ein bis zwei Tagen zwischen sich und die Hobbits bringen.
Elurín erhob sich leise von dem Platz, an dem er gekauert hatte, und suchte sich einen Ort, wo er sich ausruhen konnte. Wenn es darauf ankam ,brauchten Elben extrem wenig Schlaf, aber mittlerweile, nach so vielen Tagen und Nächten der Wachsamkeit, machte Elurín die fehlende Ruhe deutlich zu schaffen.
Bei dem Tempo, in dem die Hobbits unterwegs waren, war es nicht schlimm, wenn er zumindest ein paar Stunden schlief.
Nach kurzer Suche fand er eine Ansammlung von Sträuchern, die noch einigermaßen dicht und buschig waren. Er hockte sich hin und zog die dornigen Zweige auseinander, dann kroch er durch die entstandene Lücke. Solche Büsche hatten die Angewohnheit, als Ring zu wachsen und in ihrer Mitte einen höhlenartigen, von Zweigen überdachten Hohlraum zu bilden.
So auch hier.
Es war ein geschützter Unterschlupf.
Elurín setzte sich, nahm das Bündel und den Bogen vom Rücken und wickelte etwas von dem Lembas aus. Während er aß, unterzog er seinen ganzen Vorräten einer Kontrolle.An Essen mangelte es ihm nicht, da er von Eluréds Anteil noch gar nichts verspeißt hatte. Wasser wurde langsam knapp, aber das würde er schon noch irgendwo auftreiben. Seine Waffen waren scharf wie eh und je.
Nachdem er etwas gegessen hatte, zog der Elb das Fläschchen mit dem Öl heraus und schmierte es sich auf die Handgelenke und in den Nacken. Er schüttelte es probeweiße- viel war nicht mehr übrig.
Aber daran konnte er nun nichts mehr ändern. An den Grenzen Mordors wuchs keins der Kräuter, die er für die Herstellung brauchte - Elurín wäre überrascht, hier überhaupt etwas Grünes zu finden.
Er zuckte die Achseln und verstaute das kleine Gefäß wieder in seinem Bündel. Dann legte er sich auf den Boden und wickelte sich in seinen Umhang, damit er zumindest ein paar Stunden schlafen konnte.
Als Elurín aufwachte, war es noch etwas finsterer, als noch vor wenigen Stunden, also herrschte vermutlich Nacht. Der Elb rieb sich über die Augen, dann nahm er seine Sachen und kroch unter dem Gestrüpp hervor.
Draußen angekommen, hängte er Bogen und Bündel zurück auf ihren angestammten Platz auf seinem Rücken. Kurz überprüfte er, ob ihn irgendetwas an den Gurtvorrichtungen störte.
Als dem nicht so war, streckte er sich kurz und begann zu laufen.
Da es Nacht war, konnten die Hobbits die Stunden, die er geschlafen hatte, nicht alle durchgegangen sein, also hatte er nicht soviel Weg, den er aufholen musste.Während er sich in einem mäßigen Dauerlauftempo seinen Weg durch tote Bäume und Gestrüpp suchte, hielt er stets die Ohren gespitzt und die Augen offen- nicht ,dass er versehentlich mitten in ihr Lager lief.
Elurín ließ seine Gedanken schweifen, während er dahinrannte.
Er dachte an Eluréd.
Was sein Bruder gerade tat?
Ging es ihm gut?
Oder war er überhaupt noch am Leben?Diese Unwissenheit quälte ihn.
Sie waren immer zusammen gewesen. Immer.
Egal welcher Gefahr sie gegenübergestanden hatten, sie hatten sie gemeinsam bewältigt.Elurín schüttelte den Kopf.
Bei dieser Mission würde es keine endlosen Diskussionen über den Plan geben, keine vereinbarten Zeichen, kein Schwert, das einem den Rücken deckte. Sie waren jeder auf sich gestellt.Aber er würde es schaffen.
Elurín machte einen Schlenker nach links, da er die Hobbits gehört hatte, und drosselte die Geschwindigkeit.
Langsamer umging er ihr Lager, doch sobald er es hinter sich gelassen hatte, rannte er wieder schneller, den Blick entschlossen nach vorne gerichtet.Dort ragten bedrohlich und schwarz die Berge von Mordor auf.
Doch Elurín ließ sich davon nicht erschrecken.Er hatte eine Mission.
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Die Wächter der 9 Gefährten
FanficElurín und Eluréd,die Söhne Diors des Herrn von Menegroth. Von den Soldaten der Noldor im Wald dem Hungertod überlassen. Trotz späterer Suche blieben sie unauffindbar... Verschwanden aus den Erzählungen des Ersten Zeitalter... Doch starben sie nicht...