Am Schicksalsberg

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Die Zeit war gekommen.
Die Zeit, Sauron endgültig zu vernichten.
Elurín atmete tief durch, blickte den feurigen Berg hinauf.
Es schien ihm so surreal, dass sie das Ziel ihrer Reise erreicht hatten.

Dass es nun bald zu Ende sein würde.

Schritt für Schritt kämpften der Elb und die Hobbits sich den Hang hinauf, das letzte Hindernis, das sie noch bewältigen mussten.
Nur noch diesen Berg...
Sie waren am Ende ihrer Kräfte.
Frodo kroch eher, als dass er ging, Sam war nicht weit davon entfernt.

Nur Elurín stand noch aufrecht, wusste er doch, dass sie durchhalten mussten. Zumindest noch diese paar Meter.
Doch auch er hatte seine Grenzen schon fast überschritten.
Erschöpft schloss er die Augen, gestattete sich einen tiefen Atemzug.
Und dann hörte er es.

Ein Heulen, das der Wind ihm zutrug.

Entsetzt riss er die Augen wieder auf, sah den Hang hinab, Richtung Barad-dûr.
"Sigil, was ist los?," fragte Sam und trat an seine Seite.
Nur um erschrocken nach Luft zu schnappen.

Er sah ebenfalls die Orks, die auf den Schicksalsberg zugeritten kamen.
Es war knapp ein Dutzend.
Sie trieben ihre Warge an, als würden sie aus der Hölle fliehen.
Elurín drehte sich zu den Hobbits um.
"Geht! Na los, macht schon! Schnell!"

"Sigil...was ist mit dir?",stieß Sam hervor.
"Ich halte Euch den Rücken frei. Sorgt euch nicht um mich, bringt es zu Ende. Worauf wartet ihr? Los!", rief Elurín zurück. Er war schon ein paar Schritte nach unten gelaufen, drehte sich dann jedoch noch einmal zu den beiden um.
"Ihr werdet das schaffen. Vertraut mir. Ich komme nach."

"Du lügst."

Frodos Stimme klang seltsam verändert - kalt.
Es war Zeit, dass das alles ein Ende hatte.
Elurín trat einen Schritt zurück, sah sich nach den Orks um. Sie waren schon gefährlich nahe.
"Geht," stieß er hervor.
Dann drehte er sich um und rannte los.

Die Orks waren trotz allem noch zu weit weg, um ihn mit seinem Umhang sehen zu können.
Noch im Laufen riss Elurín den orkischen Bogen vom Rücken.
Legte noch laufend einen Pfeil an.
Er wusste, wer diese Orks waren.
Er rechnete schon seit Stunden mit ihnen.

Wenn Sauron Frodo übersehen hätte, hätte ihn das mehr als überrascht.
Und hier war sie, die Einheit aus Barad-dûr.

Elurín blieb stehen, ging in die Hocke.
Zog die Sehne zurück.
Schoss.
Der erste Warg fiel mit einem gezielten Schuss.
Die orkischen Pfeile waren schwer und hatten sein Schulterblatt problemlos durchschlagen.

Die Einheit hielt an, rottete sich zusammen, während sich der Ork, dessen Reittier Elurín erschossen hatte, schwerfällig aufrappelte.
Ein weiterer Pfeil flog, stiftete Verwirrung und Tod.
In ihrer Orientierungslosigkeit konnte Elurín seine Feinde zählen.

Es waren neun Warge, sechs davon beritten.
Wieder schoss er.
Elurín zielte auf die Warge, die von allem die größte Gefahr darstellten.
Zwei weitere fielen.

Die Orks hatten mittlerweile die Richtung ermittelt, aus der die tödlichen Schüsse kamen und preschten nun lauthals brüllend auf ihn zu.
Doch Elurín hatte zu viel Erfahrung in diesem Gebiet. Die Orks sahen ihn nicht. Sie wussten nur die Richtung, sie versuchten, ihn herauszulocken.

Aber er fiel auf diesen Trick nicht herein.
Ein weiterer Pfeil flog, tötete den fünften Warg.
In seiner Zuversicht zählte er nicht mehr mit.
Bemerkte nicht, dass einer fehlte.

Und als er das Knurren hinter sich hörte, war es zu spät.
Elurín wurde nach hinten geschleudert, der Bogen glitt ihm aus der Hand, als schneidender Schmerz seine Schulter durchfuhr.

Der Warg riss die Zähne aus dem Elben heraus, wollte erneut zubeißen. Elurín wusste nicht, wie er sein Messer fand, wie er es rechtzeitig in die Hand bekam.
Er wusste nur noch, dass er blindlings zustieß und überraschend auf Widerstand traf.

Mit einem tiefen Heulen gaben die Beine des Wargs unter ihm nach und er stürzte den Hang hinab, begrub den krächzenden Ork unter ihm.
Vor Schmerz benommen hob Elurín den Kopf.
Blut rann an ihm hinunter.

Betäubt sah er, wie die restlichen drei Warge mit den Orks auf ihn zustürmten.
Die Hobbits, brachte sein Kopf zustande, sie kommen wegen den Hobbits...Der Ring...sie dürfen den Ring nicht finden...sie DÜRFEN nicht.

Die drei Worte verankerten sich in seinem Geist, ließen ihn an alles denken, wofür er kämpfte. An all das, was hiervon abhing.

Seine Benommenheit war plötzlich wie weggeweht.
Mit einer seltsamen Leere in sich richtete er sich auf. Der Schmerz trat in den Hintergrund, war ein Pochen tief in ihm.

Er war Egal.

Langsam befreite er sich von dem zerfetzten Rückengurt und warf den Köcher zu dem Bogen, den der Warg unter sich zerbrochen hatte.
Er zog das Schwert.
Mit einer seltsamen Klarheit betrachtete Elurín seine Feinde, sah emotionslos ihre Waffen, das gierige Funkeln in ihren Augen.

Sie sahen leichte Beute.
Ein schnelles Hindernis.
Sie irrten sich.

Und bezahlten dafür mit dem Leben.

Elurín hatte sich ihnen in den Weg gestellt und er gab keinen Fußbreit Boden her.
Mit gezielten Schlägen holte er die restlichen Reiter von den Wargen.
Das orkische Schwert schien in seiner Hand so viel zu wiegen wie ein ganzer Berg.

Und doch ließ er es nicht los, obwohl er seinen linken Arm nicht gebrauchen konnte.
Obwohl er in der Unterzahl war.
Dem ersten der drei Warge hieb er über die Augen, blendete ihn.

Die Orks hatten Erfahrung, versuchten, sich seine ungeschützte linke Seite zunutze zu machen.
Es gelang ihnen nicht.
Denn Elurín wich nicht zurück.
Sondern er griff an.

Er sprang zwischen sie, sodass sie sich gegenseitig behinderten und rammte dem rechts von ihm sein Schwert in den Hals.
Ein anderer Ork wurde von einem Warg angefallen, als er überraschend in dessen Angriffslinie lief.

Sie töteten sich gegenseitig.

Auch die anderen starben, folgten ihren Brüdern in den Tod.

Schwer atmend stand Elurín da, spürte wie der Schmerz und die Erschöpfung zurückkehrten.
Langsam hob er den Kopf, sah den Hang hinauf.
Frodo und Sam.
Sie waren dort.
Er musste...musste zu ihnen.

Stolpernd setzte er sich in Bewegung.
Ein Schritt nach dem anderen...

Der Schrei drang schwach an seine Ohren, wie aus weiter Ferne.
Die Hobbits, schoss es durch seinen Kopf, Sie waren in Gefahr!

Hätte ihn später jemand gefragt, woher er die Kraft nahm zu rennen, er hätte es ihm nicht sagen können.
Aber er rannte.
Alles in ihm schrie vor Schmerz, vor Erschöpfung, doch der Elb gab nicht auf.

Wir sind zu weit gekommeen. Es darf jetzt nicht vorbei sein, dachte er.
Tränen rannen ihm übers Gesicht, als er seinen Körper und Geist zum Äußersten trieb.
Stück für Stück wurde der Eingang größer, verströmte sein feuriges Licht.

Seine Sicht verschwamm, Elurín stolperte, fing sich und rannte weiter.
Fast wie ein wandelder Toter lief er durch das Tor.
Sam lag vor ihm auf dem Boden, vermutlich bewusstlos, und am Rand-

Frodo und Gollum rangen miteinander, kämpften um etwas, das Gollum in der Hand hielt.

Der Ring...

Immer näher kamen sie der Kante, dem flüssigem Gestein darunter.

"FRODO!"

Sein Schrei zerriss die heiße Luft, gerade als Frodo und Gollum Seite an Seite in die Tiefe stürzten.

Die Wächter der 9 GefährtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt