Der Schatten und der Geist

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Eluréd

Die nächsten Stunden verbrachten sie damit, zu reden. Sie erzählten abwechselnd ihre Geschichten, ihre Erlebnisse, konnten nun endlich Fehler und Ängste gestehen, die sie die ganze Zeit über allein getragen hatten.

Es war so schön, wieder jemanden zum Reden zu haben, jemanden, der einen voll und ganz verstand.

Doch trotz der vertrauten Geselligkeit, wurde Elurín nach einiger Zeit sichtlich unruhig.
Er wollte hinaus, sich bewegen, nach seinen Gefährten sehen.
Doch erst als die Heiler von Minas Tirith Eluríns Wunden eingehend untersucht hatten, gestatteten sie dem Elben, die Häuser der Heilung zu verlassen.

Eluréd hatte mit verkniffenem Lächeln dabei zugesehen, wie sein Bruder die Untersuchung zwar widerstandslos, aber missmutig über sich ergehen ließ.
"Hör endlich auf zu grinsen," murrte Elurín, als sie letztendlich zusammen aus seinem Zimmer traten.

Belustigt schüttelte Eluréd den Kopf.
Sein Bruder schnaubte in gespielter Verärgerung. Er setzte zu einer Erwiderung an, als plötzlich eine andere Stimme ertönte :"Ihr seid also der Schatten, vor den meine Männer solche Angst hatten."

Eluréd hob den Kopf und sah Faramir, der mit blitzenden grauen Augen auf sie zu kam. Elurín trat entschlossen und unerschrocken vor. "Der bin ich."
Faramir musterte den Elben genau und ließ den Blick über ihn schweifen, bis er an seinen stechend grünen Augen hängen blieb.

Kurz sahen sie sich an, doch dann wandten sie - zu Eluréds Erleichterung - beide den Blick ab.
"Was ist mit der Wache, die ich niedergeschlagen habe ?",fragte Elurín schließlich, um das unangenehme Schweigen zu brechen, "Sie dürfte nicht länger als ein, zwei Stunden bewusstlos gewesen sein."

"Es geht ihm gut ja,"erwiderte Faramir säuerlich, "Er konnte Eure Botschaft klar wiederholen."
Eluréd sah besorgt von einem zum anderen und hoffte, dass Elurín nichts falsches darauf sagen würde.
Doch sein Bruder meinte in versöhnlicherem Tonfall:"Es war notwendig."

Zur Überraschung der beiden nickte Faramir seufzend. "Wie sich herausstellte, ja. Vielleicht habt Ihr die Welt vor schlimmerem bewahrt."
Elurín lächelte.
Sie wandten sich zum Gehen, als Faramir hinzufügte: "Noch etwas."
Er legte die Rechte Hand auf die Brust und neigte förmlich den Kopf. "Danke, dass ihr mir das Leben gerettet habt."

Elurín nickte, doch Faramir hatte sich bereits abgewandt und schritt den Gang entlang.
"Gehen wir,"flüsterte Eluréd und legte seinem Bruder die Hand auf die unverletzte Schulter. Das Treffen der beiden war unvermeidbar gewesen und er war heilfroh, dass es gut ausgegangen war.

Als sie hinaus in den Sonnenschein traten blieb Elurín plötzlich stehen. Eluréd sah lächelnd, wie der Elb den Kopf in den Nacken legte und die Augen schloss.
"Ich dachte, Mordors verdorbene Luft, wäre die letzte, die ich atme."
Zum Glück ist sie es nicht, dachte Eluréd, als er seinem Bruder zu sah.
Als er ihn so glücklich sah.
Eluréd fühlte auch in sich selbst nichts als einen tiefen Frieden.

Während sie nun, mehr oder minder sorglos durch Minas Tirith wanderten, erreichte sie die Nachricht, dass Frodo endlich aufgewacht war. Als sie zu ihm kamen lag er noch in seinem Bett, umringt von der ursprünglichen Gemeinschaft.

Sowohl er als auch Sam begrüßten Elurín fröhlich, während Eluréd Gandalf zulächelte und sich neben ihn stellte. Er war, als Elurín noch geschlafen hatte, ein paar mal bei ihm gewesen und hatte sich nach dessen Zustand erkundigt.

Auch Pippin war einmal zu ihm gekommen.
Während Elurín von den beiden Hobbits vorgestellt wurde, bemerkte Eluréd den forschenden Blick von Legolas und Aragorn. Er sah zu Elurín hinüber, doch diesem war es bereits aufgefallen.
Eluréd hatte das Misstrauen des Menschen und des Elbs nicht vergessen.
Er fragte sich, ob ihnen dieses Misstrauen irgendwann einmal gefährlich werden könnte.
Doch Legolas und Aragorn hielten sich zurück. Sie stellten keine Fragen.

Die Wächter der 9 GefährtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt