Eluréd
Eluréd schlief schlecht. Dunkle Träume wechselten sich ab mit noch finstereren Albträumen.
Ein unbestimmter Schmerz war allgegenwärtig.
Es gab weder Zukunft noch Vergangenheit, selbst diese Gegenwart war seltsam fern.Er erinnerte sich an nichts mehr. Nur noch an eine besorgte Stimme, die in seinem Geist widerhallte, eine Stimme die er kannte und doch nicht erkannte.
Was war geschehen....
Elurín
Eluréds Zustand war grauenvoll. Elurín tat alles, was in seiner Macht stand. Er wusch die Wunde und benutzte sämtliche Zauber, zu denen er imstande war. Doch die Oberschenkelwunde wollte einfach nicht heilen. Das war das beunruhigende, denn die Stirnwunde war schon halb verheilt.
Aber sein Bruder wurde immer schwächer,mit jeder verstreichenden Minute.
Als sie sich von der Furt abgewandt hatten, hatte er sich kaum im Sattel halten können.Nach einer Stunde hatten sie anhalten müssen. Und jetzt, einen guten Tag später, war er in diesen seltsamen Schlaf gefallen, aus dem er bis jetzt nicht mehr erwacht war.
Elurín hatte solche Angst um seinen Bruder wie noch nie in ihrem ganzen langen Leben.Jeder von ihnen hatte schon im Wundfieber gelegen, aber nicht in so etwas, wie das, das Eluréd gerade durchlitt.
Er spielte mit dem Gedanken, nach Bruchtal zu gehen. Dort würden sie ihn heilen können, egal, welches Gift an der Klinge des Nazgul gewesen war. Denn es war keine Morgul-klinge , die die Wunde verursacht hatte. Eluréd war sich sicher gewesen.
Gift war die einzige Option.
Und doch widerstrebte es ihm, Imladris aufzusuchen. Es widerstrebte ihm, sich irgendjemandem zu zeigen. Dennoch- er musste die Entscheidung bald treffen.
Wenn Eluréds Zustand sich weiter verschlechtert, bleibt mir nichts anderes übrig. Ich weiß ja nicht, was er hat. Wieso muss ich eigentlich auf dem einzigen Fleckchen im nördlichen Mittelerde sein, an dem es kein Königskraut gibt?!
Eluríns Gedanken kreisten wild umher. Königskraut konnte seinem Bruder das Leben retten. Doch jeder Ort, von dem er wusste das es dort wuchs, war mindestens 20 Minuten entfernt. So lange konnte er Eluréd nicht allein lassen.
Schon wieder blieb nur noch Bruchtal übrig.
Er seufzte. Elurín zweifelte weder an der Gastfreundschaft noch an der Hilfsbereitschaft Elronds.
Er zweifelte, was für Fragen man stellen würde. Fragen die er nicht beantworten durfte...Der Rabe, Eluréds neuer Gefährte, tauchte plötzlich aus den Bäumen auf. Er hatte ihn Morethir genannt, was übersetzt so viel bedeutete wie schwarzer Späher.
Der Vogel hopste ein Stück auf Eluréd zu, stupste ihn mit dem Schnabel an und krächzte leise.
Elurín betrachtete die szene.
Wenn ich Flügel hätte, dachte er könnte ich das Königskraut schneller holen. Aber die hab ich nicht. Und ich kann Morethir nicht kontrollieren. Er gehorcht nur Eluréd.Elurín zog die Beine an den Körper und stützte den Kopf darauf.
Langsam wiegte er sich hin und her. Schließlich traf er die Entscheidung:
Er würde noch einmal alles Mögliche versuchen, und wenn das nicht half, würde er nach Bruchtal gehen. Er würde sich zeigen.Der Elb stand auf und ging zu seinem Bruder hinüber. Er lag nach wievor unverändert da, mit dieser bleichen
Haut und dem grauenerfüllten Gesichtsausdruck.Elurín kniete sich neben ihn, dann begann er erneut mit dem ersten Zauber. Man konnte es eigentlich nicht wirklich Zauber nennen. Es war eher ein Art willkürliche Beeinflussung.
Doch irgendwie zeigte es keine Wirkung. Besorgt und deprimiert setzte er ab und wandte den Blick ab.
Er sah Morethir an. "Was soll ich bloß tun?" Flüsterte er verzweifelt.Der Rabe legte den Kopf schief. Dann, plötzlich, sprang er auf und flatterte davon. Elurín sah ihm nach, dann legte er erneut die Hand auf die Wunde an Eluréds Oberschenkel.
Er musste es versuchen.
Nur noch einmal...Es half nichts. Keiner seiner Zauber zeigte auch nur den Ansatz einer Wirkung. Dann ist es beschlossen.
Elurín holte die Pferde her, dann flüsterte er Eluréds Grauem so lange auf Sindarin zu, bis er sich hinkniete.
Danach hob er Eluréd so sanft wie möglich vom Boden hoch und setzte ihn in den Sattel. Elurín bestieg sein eigenes Pferd nicht, sondern wies es an, hinter ihnen herzutrotten, während er selbst neben Eluréd ging.
So konnte er ihn stützen, falls er fiel.Der Trupp setzte sich langsam in Bewegung. Doch sie waren nicht weit gegangen, als Eluréd plötzlich aufstöhnte. Das Pferd stoppte, während der Elb von heftigen Krämpfen geschüttelt wurde. Elurín konnte ihn gerade noch rechtzeitig auffangen, bevor er gefallen wäre und legte Eluréd sanft auf dem Boden ab.
Verzweiflung ergriff ihn. Die Furt war noch nicht mal in Sichtweite. Und Eluréd würde den Transport vermutlich nicht überleben.
Elurín blickte seinen Bruder an, dann drehte er sich auf dem Absatz um und ging zu seinem Pferd. Wenn sein Bruder zu schwach war, würde er eben allein nach Bruchtal gehen. Irgendjemanden würde er schon schnell genug von der Dringlichkeit der Lage überzeugen können.
Es war die Einzige Möglichkeit.Der Elb schwang sich auf sein Pferd und wollte gerade losreiten, als er Morethir sah. Der Rabe kam direkt auf ihn zugeflogen. Er landete auf Eluríns Unterarm. Elurín konnte ihn jedoch nur entgeistert anstarren. Seine Federn waren zerzaust wie nach einem langen, schnellen Flug.
Und im Schnabel hielt er......Königskraut.
Zeitsprung
Elurín lehnte sich erschöpft an den nächstbesten Felsen. Es war knapp gewesen. Sehr knapp.
Aber Eluréd lebte.
Er hatte es geschafft. Er hatte die Wunde entgiften können. Jetzt würde sie heilen.Der Schlaf, in dem Eluréd nun lag, war, ein gewöhnlicher Schlaf, nicht die Bewusstlosigkeit der Schwäche.
Elurín betrachtete seinen Bruder genauer. Die Haut hatte wieder einen gewöhnlichen Farbton, der Atem ging ruhig und gleichmäßig. Alle Anzeichen des Giftes waren verschwunden.Plötzlich begann Eluréd, sich herumzurollen, als schliefe er schlecht.
Elurín stand auf und ging hin zu ihm.
"Bruder", flüsterte er. "Eluréd".Der Elb schreckte hoch,zum ersten mal, seit anderthalb Tagen öffnete er die Augen.
"Elurín? Was ist geschehen? Wie lange habe ich geschlafen?... Bei den Valar, mir brummt der Schädel"."Nur anderthalb Tage, keine Sorge. Du hast nichts verpasst." Beruhigte Elurín ihn erleichtert. Wenn er Fragen stellte,konnte es ihm eigentlich nicht so schlecht gehen.
Lächelnd setzte er sich neben ihn, dann begannen sie, über ihr weiters Vorgehen zu sprechen, ganz so, als ob nichts gewesen wäre.
"Der Ring ist in Bruchtal. In Sicherheit. Ich denke,wir haben in unserem Vorhaben, sie zu schützen, nicht auf ganzer Linie versagt." Meinte Elurín.
Sein Bruder war anderer Meinung. Nachdem er etwas gegessen und getrunken hatte, hatte der rational denkende Teil seines Verstandes wieder angefangen zu arbeiten.
"Wenn Elrond auch nur halb so weise ist,wie man ihm nachsagt, wird er den Ring vernichten wollen. Ihn einzusetzen wäre schließlich ebenso gefährlich wie ihn irgendwo wegzuschließen. Über kurz oder lang würde er dem Feind in die Hände fallen."Elurín nickte. "Du hast recht. Aber ich denke wir werden es sowieso bald erfahren." Er deutete mit dem Kopf richtung Morethir, der seinen platz auf Eluréds Schulter wieder eingenommen hatte.
Dieser grinste. "Stimmt. Aber bis dahin können wir nur abwarten."
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Die Wächter der 9 Gefährten
FanficElurín und Eluréd,die Söhne Diors des Herrn von Menegroth. Von den Soldaten der Noldor im Wald dem Hungertod überlassen. Trotz späterer Suche blieben sie unauffindbar... Verschwanden aus den Erzählungen des Ersten Zeitalter... Doch starben sie nicht...