☽- ❞Karfunkel Saga❝ - ☾
VIII»Bist du sicher, dass du mich begleiten möchtest?«, richtete Koralie das Wort an ihre Mutter. Am Horizont stieg allmählich die Sonne auf, doch die Landschaft war noch immer in einen nebelverhangenen Schleier gehüllt.
Mit ihren Wanderstiefeln, der schlammgrünen Reithose und ihrer braunen Weste aus hauchdünnem Leder war Koralie angemessen gekleidet für den bevorstehenden Waldstreifzug. Sie schnallte sich einen breiten Gürtel um ihre Hüfte, an dem sich eine kleine Scheide für ihren Dolch befand und steckte die Waffe in die Schutzhülle. Anschließend richtete sie ihr Augenmerk auf Priya, die ihr mit einem bestimmten Lächeln antwortete.
»Ich bin bereit, wenn du es bist«, erwiderte sie und ließ sich die Angst, die sie um Koralie hatte, kaum ansehen. An ihr Versprechen von gestern hielt sie sich. Außerdem gab es da noch ein sehr ähnliches Versprechen, das sie geleistet und noch nicht eingelöst hatte.
Priya verbarg ihr dunkles Lockenhaar unter einem samtenen Kapuzenumhang, der ihre Ohren vor den aufziehenden Windböen schützte. Es war lange her gewesen seit sie sich das letzte Mal so tief in den großen Zauberwald, der sich beinahe über die gesamte Region erstreckte, gewagt hatte. Früher war sie viel öfter zum Jagen in den Wald gegangen. Nicht nur für Koralie und sie, sondern auch, um das Fleisch und die Felle im Dorf anzubieten.
Der Zauberwald verfügte über eine so weitläufige Fläche, dass es unmöglich war jede Ecke des Walds zu erkunden. Angesichts dieser Tatsache war es kaum verwunderlich, dass sprechende Wesen in diesen Wäldern umherzogen. Dass dort nun aber auch Frostritter ihr Unwesen trieben, war sehr ungewöhnlich.
Es dauerte nur eine geringe Zeitspanne bis Koralie und Priya bereits in der vom Winter beherrschten Zone angelangt waren. Eine dicke Schneeschicht begrub die grüne Wiese und die frühlingshaften Blumen tief unter sich. Nicht ein Grashalm ragte aus dem tiefen Schneebett. Auch die Baumstämme waren gänzlich von einer dicken Eishülle überzogen.
Der sonst so lebhafte Wald, welcher stets von wunderbaren Tierklängen gekennzeichnet war, erwies sich als gottverlassen. Eine beunruhigende Stille erfüllte die Luft. Das untypische Klima tauchte die Umgebung in ein Meer aus gefrorenen Tränen. Die Umstände waren noch viel dramatischer, als vermutet.
Fassungslos betrachtete Koralie den Winterschrecken und ließ ihren Blick um die eigene Achse gleiten, während sie langsam einen Fuß vor den anderen setzte.
Plötzlich griff Priya an Koralies Handgelenk und hielt sie zurück. Koralies Augen zuckten überrascht zu Priya, als sie diese im letzten Moment zu sich zog und auf eine Stelle im Schnee deutete. Die Gebeine eines jungen Rehkitzes lagen unmittelbar vor ihren Füßen. Voll Entsetzen zog Koralie eine verstörte Mimik und wich einige Schritte zurück. Sie war den Tränen nahe.
»Der Wald... er stirbt! Und seine Bewohner mit ihm«, wisperte sie. Schwer atmend wanderte ihr Blick zu einer Lichtung, die sich nur wenige Meter entfernt befand. Auf einmal fühlte sich Koralies Herz so schwer wie ein Stein an und sie verkrampfte sich sichtlich, denn sie fand ein offenes Massengrab vor.
Wie von Sinnen rannte Koralie auf die Lichtung zu. Erst einen Tag zuvor hatte sie hier mit ihrem Pferd Abraxas gerastet. Sie hatte die Lichterspiele der Glühwürmchen genossen und sich geradezu in dem besänftigenden Surren der gestreiften Quelljungfern gebettet. Doch nun hatte die Finsternis auch diesem friedlichen Ort das Lebenslicht ausgesaugt.
Das vereiste Wasser des Sees war an einigen Stellen aufgebrochen und von einigen leblosen Insekten bedeckt, die zwischen den Eisschollen lagen. Ein Ansturm von Tränen erfasste Koralies Gesicht. Der weiße Schnee war von dem Blut einiger Waldtiere verfärbt. Ihre toten und bestialisch entstellten Körper lagen großflächig um den See verteilt. Ein bitterliches Schluchzen entrang sich Koralies fest aufeinandergepressten Lippen. Dabei rannen immer mehr Tränen über ihre geröteten Wangen und ihr Gesicht begann vor unbeschreiblichem Schwermut zu beben.
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Die Legende der Kronluchse | 1 ✓
Fantasy»Was sein soll, hat große Kraft.« - Feenhoheit Saahr Einst war Gehinna ein friedlicher Ort, an dem ein jeder willkommen war. Doch ebenso wie ein von Krankheit befallener Körper leidet, so litt auch der gewissenhaft bewahrte Frieden unter dem unsagba...