|25| die rebellischen Abenteurerinnen | ✓

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☽- ❞Karfunkel Saga❝ - ☾
XXV

Nachdem das Rauschen des Flusswassers stundenlang ihr ständiger Begleiter gewesen war, erinnerte das grüne Tal der Graslande mit seinen unendlichen Weiten an einen verlassener Friedhof.

Koralie hatte sich das Grasland immer ganz anders vorgestellt. Sie hatte sich Herden von Wildpferden, die über die Ebene galoppierten und sich in den hohen Gräsern verstecken konnten, vorgestellt. Sie hatte sich auch vorgestellt, wie sich die langen Gräser im Wind neigten und das Wiehern von jungen Fohlen mit den lauen Lüften hinfort getragen würde. Aber vor allem hatte sie sich vorgestellt, dass viele unterschiedliche Tiere wie Weidenbüffel, Zweihornrüssel, Mulchhörnchen und Flussbieber sich in den Graslanden frei bewegen würden.

Die Vorstellung eines naturbelassenen, friedlichen Terrains war durch Koralies Kopf geschwebt, doch das Einzige, das an einen annähernd friedlichen Ort erinnerte, war die ewige Stille. Hätte Koralie Niesen müssen, hätte man sie bis zu den Blauen Schlangen gehört, die das Grasland von dem Hügelland abgrenzten.

Priya hatte ihr immer schöne Geschichten von den Graslanden erzählt. Sie sprach von den Tieren, die dort lebten, der Schönheit des Landes und seiner Friedlichkeit. Doch dieser Ort hatte nichts mit Priyas Erzählungen gemein. Kein Tier ließ sich blicken, das Gras war fahl und kraftlos und die Gefährten wurden von einer Grabesstille umgeben. Selbst das türkise Wasser der Keel, die sich durch die Lande zog, wirkte entzaubert. Der kohlschwarze Sand, der den seichten Fluss umgab und sich weit in die Lande hinein zog, schien das strahlende Wasser verschmutzt und all den Glanz darin weggespült zu haben.

***

An einem weiteren, einsamen Nachmittag, den die Freunde mit dem Reisen verbrachten, hing ein milchiger Nebelschleier in der Luft. Die Sonne blieb versteckt hinter dichten Wolkendecken, die sich übereinander türmten und allmählich breitete sich eine frostklirrende Kälte aus, welche die gesamte, verbleibende Wärme zu verschlingen drohte.

Eisige Windböen pfiffen über die flachen Ebenen der Graslande. Frost setzte sich auf den Grashalmen ab und ließ die Pflanzen erstarren. Ein ungutes Gefühl breitete sich in Koralies Magen aus und plötzlich sah sie, wie sich ihnen etwas näherte. Ungläubig blinzelte sie und wischte sich die Augen wach. Ein weißer Eistiger kam geradewegs auf die zugelaufen.

Koralies Augen wurden größer und ihr Puls beschleunigte sich. Jetzt war ihr auf einmal wieder heiß zumute. Hitze schoss ihr in den Kopf und sie klammerte sich mit zitternden Fingern immer krampfhafter an den Lederzügel.

»Ihr seht ihn auch oder? Den Tiger«, brachte Koralie atemlos hervor und beobachtete Adelyns Gesichtsausdruck.

Als auch sie das Tier bemerkt hatte, keuchte sie ungläubig und auch Bamuti gab ein Stöhnen von sich, ehe er sich in seiner Tasche vergrub. »Das ist wohl ein schlechter Scherz... diese verdammte Hexe spioniert uns tatsächlich aus.«

»Ja und sie will sichergehen, dass wir das auch wissen. Du weißt was das bedeutet.« Koralie atmete tief durch, nahm die Zügel ihres Pferdes auf und trieb es zielbewusst an. Als könnte sie nichts und niemand stoppen, ritt sie auf den schneeweißen Eistiger zu. Das Raubtier fletschte seine rasiermesserscharfen Zähne und gab ein kampflustiges Brüllen von sich.

Adelyn hätte nun sicher lieber Kehrt gemacht und sich ein sicheres Versteck gesucht, doch sie würde Koralie niemals so im Stich lassen. Vom ersten Tag an hatte Koralie Adelyn zu verstehen gegeben, dass es bei dieser waghalsigen Unternehmung keine halben Dinge gab. Entweder war man ganz dabei oder gar nicht. Adelyn hatte sich für Ersteres entschieden.

So folgte sie Koralie und trieb ihr Pferd ebenfalls verstärkt an. Um das Tier in seiner Bewegung nicht einzuschränken, ging sie in den leichten Sitz. Wenig später hatte sie Koralie eingeholt.

Die Legende der Kronluchse | 1  ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt