|21| Marnam Nar | ✓

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☽- ❞Karfunkel Saga❝ - ☾
XXI

Die warme Morgensonne lag versteckt hinter einigen Baumkronen und ließ nur vereinzelt Sonnenstrahlen durch die grünen Blätter hindurch blitzen. Als Koralie benommen die Augen öffnete, war sie im ersten Moment orientierungslos. Entkräftet schleppte sie ihren Körper aus dem lauwarmen Wasser, über dem ein Nebelschleier hing. Bei einem genaueren Blick bemerkte sie, dass sie von dem Strom an die Ufer eines Moores gespült worden war. Sie hatte großes Glück gehabt, denn die Wellen hätten sie genauso gut auch verschlingen können.

Nervös ließ Koralie ihren Blick durch ihre Umgebung gleiten und stapfte dabei durch das wasserüberströmte Moor. Niemand schien hier zu sein. Sie war ganz allein.

»Adelyn? Ludwin? Bamuti? Hallo? Ist irgendjemand hier?«, rief sie in alle Richtungen und hielt nach ihren Freunden Ausschau. Eine Furcht erregende Stille gebot übt dieses sumpfige Gebiet. Verzweifelt stieß Koralie ein Schluchzen aus. Sie hatte keinen Plan, kein Ziel.

Wie paralysiert blieb das Mädchen regungslos stehen, als plötzlich ein leises Wiehern durch die Umgebung echote. Es klang wehmütig und kraftlos, doch Koralie erkannte die Stimme. Wie vom Teufel verfolgt, rannte sie in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Sie sprang über Holzstämme, lief durch schlammige Pfützen und bei jedem Schritt sah man ihr deutlich an, dass sich ihr Körper noch nicht regeneriert hatte. Doch sie lief weiter, mit all der Kraft, die sie noch aufzubringen vermochte.

Keuchend gelangte Koralie schließlich an ein weiteres Flussufer, das einige Äste angespült hatte. Unter einem großen Holzstamm sah sie ihren geliebten Rappen liegen. Sein linkes Hinterbein steckte unter dem Stamm fest. Hilflos spähte Abraxas zu ihr hinüber. Dabei gab er schwache Hilfelaute von sich. Dies zu sehen, brach Koralie das Herz. Tränen schossen aus ihren Augen und ihr Herz pulsierte wie ein Uhrwerk.

»Abraxas«, hauchte sie mit bebender Stimme und eilte sofort zu ihrem Pferd. Beruhigend streichelte sie über seinen patschnassen Hals und wiegte seinen Kopf in ihrem Schoß. Mit müden Lidern zwinkerte Abraxas ihr zu. In Koralies unmittelbarer Gegenwart wirkte er ruhiger, als vor einigen Augenblicken noch. Es war schrecklich für Koralie ihr Pferd so leiden zu sehen, doch allein das Wissen, dass er überlebt hatte, ließ sie erleichtert aufatmen.

Nachdem sich Abraxas allmählich beruhigt hatte, warf Koralie einen genaueren Blick auf sein Bein. Der Baumstamm steckte ziemlich tief im Schlamm. Das gesamte Gewicht lastete auf Abraxas' Bein. Behutsam tastete sie sein Bein ab. Es schien nicht gebrochen zu sein. Erneut atmete Koralie erleichtert auf und wischte sich die Schweißperlen, die sich auf ihrer Stirn gesammelt hatten, ab.

»Da haben wir uns ja in etwas hinein manövriert«, seufzte sie und legte ihre Hände sanft auf das Fell ihres Pferdes, das vom Angstschweiß glühte.

»Bereust du die Reise etwa schon?«, hörte sie eine Stimme hinter sich und wandte sich blitzartig um. Hinter ihr standen Bamuti und Adelyn, die ebenfalls sehr mitgenommen aussahen.

»Bamuti! Adelyn! Ihr habt es überlebt, bin ich froh«, schoss es überglücklich aus Koralie heraus. Adelyn sagte nichts. Ihr Gesicht war gerötet und ihre Augen warfen dunkle Schatten. Es sah ganz danach aus, als hätte sie bitterlich geweint.

Während sich Bamuti Koralies Pferd näherte, verharrte Adelyn an ihrem Platz. Die Arme hatte sie um ihren Oberkörper geschlungen, während sie ein Schluchzen vergeblich unterdrückte. Koralie fand keine Worte. Sie starrte sie nur mitleidsvoll an, während Bamuti zu Wort ansetzte.

»Sieht so aus, als könntest du meine Hilfe gebrauchen«, meinte der Luchs und sprang daraufhin auf Abraxas linke Flanke. Das Pferd zuckte zwar im ersten Moment überrascht auf, doch ließ den kleinen Luchs gewähren.

Die Legende der Kronluchse | 1  ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt