|23| Abschied | ✓

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☽- ❞Karfunkel Saga❝ - ☾
XXIII

Der König stolperte und verletzte sich mit seinem eigenen Schwert. Henri ließ sein Schwert fallen und stürmte noch im selben Moment zu seinem Vater, der bereits in einer Blutlache lag. Koralie und Adelyn fassten nicht was gerade geschehen war. Regungslos standen sie da und wagten es nicht auf sich aufmerksam zu machen.

»Holt Hilfe! Macht schon!«, schrie der Prinz aufgebracht zu den Wachen, die seinem Befehl noch im selben Augenblick entsprachen. Der Blick des Prinzen richtete sich erneut auf den König, als dieser ein gequältes Ächzen von sich gab und versuchte sich aufzurichten.

»Du musst jetzt ruhig liegen bleiben, Vater, dann wird alles gut werden«, redete er auf seinen Vater ein, während einige Tränen aus seinen Augen schossen. Henri hatte nie eine besonders enge Beziehung zu seinem Vater gehabt, doch er liebte ihn dennoch. Dass so etwas passierte, wollte er keineswegs.

Die beiden Mädchen hätten sich am liebsten in Luft aufgelöst oder sich an einen anderen Ort teleportiert. Man sah ihnen an, dass sie sich verantwortlich fühlten. Doch die beiden Mädchen traf keine Schuld traf. Niemand hatte den König dazu geschwungen sich derat zu verhalten. Er hatte voller Zorn jenes Schwert geschwungen, das ihm kurz darauf zum Verhängnis werden sollte.

Henri hielt seine Hand auf die Wunde, um den Blutfluss etwas zu stoppen. Es dauerte nicht lange, bis die Schlossmediziner mit einer Trage in den Saal geeilt kamen. Gemeinsam hievten sie August auf die Trage und brachten ihn aus dem Raum. Der junge Prinz verharrte am Boden kniend. Das Blut seines Vaters klebte an seinen Händen und seiner Kleidung.

Die Türen, die in den Saal führten, fielen mit einem lauten Knall zu und auf einmal war es mucksmäuschenstill. Keiner rührte sich, keiner gab einen Laut von sich. Es war gespenstisch.

Ein wehmütiges, aber gefasstes Seufzen durchbrach die Stille. Der Prinz erhob sich und drehte sich zu den Mädchen. Auf seinen Lippen lag ein ernster und gleichzeitig verständnisvoller Ausdruck.

»Wir müssen uns unterhalten, doch ich fürchte ihr seid hier nicht sicher. Nicht nur wegen meinem Vater, auch der Lord von Sturmbruch scheint nicht zu euren Freunden zu zählen.«

Adelyn schluckte hörbar und sah unruhig zu Koralie. Schon bei seiner lediglichen Erwähnung jagte es Adelyn einen eiskalten Schauer über den Rücken. »Habt Ihr einen Vorschlag für uns?«, brachte sie schließlich kleinlaut hervor.

Der Prinz nickte entschieden. »In der Tat. Wir müssen euch schnellstmöglich ungesehen aus dem Schloss bringen.« Es schien Adelyn nicht zu gefallen, dass sie der Gnade des Prinzen ausgeliefert waren und auf seine Barmherzigkeit vertrauen mussten. Adelyn hatte schon früh gelernt wie man hinter die Fassaden anderer Menschen blickte und sie durchschaute. Dass sie dem Prinzen misstraute, hatte damit zu tun, dass sie seine Absichten noch nicht zu deuten wusste.

Koralie war diesbezüglich ganz anders. Sie war nie mit der adeligen Gesellschaft und deren schmutzigen Angelegenheiten in Berührung gekommen. Die Menschen auf dem Land waren viel offener und gastfreundlicher gegenüber Fremden.

Henri ging eilig zu einem großen Gemälde. Er nahm einen verschnörkelten Schlüssel aus seiner Hosentasche und steckte ihn in ein kleines Loch. Man hörte ein Klicken, bevor sich das Gemälde zur Seite schob und sich ihnen ein geheimer Gang offenbarte. Es war stockfinster und die Luft war feucht.

Zielstrebig lotste der Prinz die Mädchen durch den schmalen Gang, der mit einigen Abzweigungen versehen war. Der Stein an den Wänden war rau und ungeschliffen. Adelyn versuchte die Spinnennetze nicht zu beachten und hielt stattdessen ihren Kopf gesenkt, während sie sich fest an Koralies Arm klammerte.

Die Legende der Kronluchse | 1  ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt