☽ - ❞Karfunkel Saga❝ - ☾
XXXIVEin kalter Windzug pfiff durch die Rundbögen des Turms von Mirija. Aus der Ferne waren gellende Schreie und Gebrüll zu hören. Doch bevor Saahr sich ihren Leuten anschließen würde, musste sie Koralie endlich den Grund für die Wichtigkeit ihrer Anwesenheit nennen.
Dass sich die Feen nicht fortpflanzen konnten, hatte damit zu tun, dass sie mit ihren Ahnen vereint so machtvoll werden würden, dass sie den Göttern überlegen wären. Darum wurde ihnen ihre Zeugungsfähigkeit entzogen. Es war ein klares Zeichen der Götter, dass Koralie trotzdem geboren wurde. Koralie wurde mit einem Schicksal geboren, das sie nun anzutreten hatte.
»Nur zwei Feengenerationen, die ihre Kräfte vereinen, vermögen es die irdische Hülle eines Gottes zu zerstören. Verstehst du, Koralie? Du bist die einzige Feennachkommin, die jemals gezeugt wurde. Nur Thyrol und du könnt Skadi aufhalten.« Saahr sprach in Eile. Keinen Atemzug erlaubte sie sich. Der Angstschweiß klebte wie Wachs an ihrer milchweißen Haut. Die Feenhoheit fürchtete nicht um ihr Leben, sondern um das ihrer Feenkammeraden und um die Zukunft von Otis.
Der Boden unter ihren Füßen rumorte so stark, als würde jeden Augenblick die gesamte Insel unter dem Zorn der Frostmonarchin zerbersten. Nur Koralie und Thyrol konnten jetzt noch etwas gegen sie ausrichten.
Koralies Atmung ging stoßweise. Die blauen Augen unter ihren langen Wimpern flimmerten unruhig. Ihr Blick fiel auf Thyrol, als im Hintergrund die Glocken der alten Kapelle vor den Küsten der Mondlande läuteten und Alarm schlugen. Keine Sekunde später kam Zito, der Vertraute der Feenhoheit, in den Turm Mirijas geflogen.
Im Sturzflug landete er vor dem Aynur und sah keuchend zu Saahr auf. »Hoheit! Sie ist da! Skadi ist in den Mondlanden«, stieß das kleine Flughörnchen aus. Kobaltblaue Streifen verliefen über sein nussbraunes Fell. Das Gesicht des kleinen Wesens war verzweifelt verzogen. Er bekam kaum Luft, so schnell war er hierher geflogen, um seine Nachricht zu überbringen.
Saahr zog ihre Augenbrauen fest zusammen. Falten gruben sich in ihre Stirn, während sie Zito in die Arme schloss und sanft über sein kaltnasses Fell streichelte. »Sie hat mit ihren mächtigen Eisschiffen an den Ufern Anker gelegt. Aber das ist nicht alles. Skadi ist nicht allein.« Zitos Stimme war kaum mehr als ein jämmerliches Krächzen. »Frostritter, riesige Wölfe, Plünderer aus dem Norden...«
Saahr drückte Zito an ihre Brust, um ihn zu beruhigen und flüsterte ihm etwas auf Feeisch zu, woraufhin sich das Flughörnchen tatsächlich beruhigte und erneut durchatmen konnte.
»Ich muss zur Armee und sie unterstützen«, sprach Saahr nüchtern und sah zu ihren Gegenübern auf. »Thyrol, du weißt was zu tun ist.«
Thyrol nickte und packte Koralies Hand. »Ja, Hoheit«, gab er enthusiastisch von sich und lief sogleich mit seiner Tochter an der Hand zu den Treppen des Turms, ehe er noch einmal stehen blieb und mit Schwermut seufzte. »Und Hoheit...« Thyrol sah über seine Schulter zu Saahr. »Viel Glück, Euch.«
Die Mundwinkel der Hoheit zuckten nach oben und gaben ein unscheinbares Lächeln Preis. »Euch auch«, erwiderte sie hoffnungsvoll, woraufhin sie Thyrol den Rücken zukehrte. Sie verwandelte sich in ihre kleine Feengestalt und klammerte sich fest an Zitos Fell, der mit dem nächsten Windzug davon flog.
***
Wie aus dem Nichts waren sie hinter dem Nebel zum Vorschein gekommen. Hunderte und aberhunderte polternde Nordländer grölten und fluchten, während sie die Wälder allmählich für sich beanspruchten und immer weiter in das Innere der Mondlande vordrangen – dem heiligsten aller Orte. Jenem Ort, an dem alle Magie entstanden war. Alles Gute und Friedliche.
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Die Legende der Kronluchse | 1 ✓
Fantasy»Was sein soll, hat große Kraft.« - Feenhoheit Saahr Einst war Gehinna ein friedlicher Ort, an dem ein jeder willkommen war. Doch ebenso wie ein von Krankheit befallener Körper leidet, so litt auch der gewissenhaft bewahrte Frieden unter dem unsagba...