☽- ❞Karfunkel Saga❝ - ☾
XVIEin blaugefiederter Vogel saß auf der Fensterbank und sprang munter auf und ab, während er aufgeregt zwitscherte. Blinzelnd öffnete Koralie ihre Augen und hielt sich die Hand vor ihr Gesicht.
Einige Sonnenstrahlen stahlen sich durch den im Wind wehenden Vorhang und erhellten den Raum. Nachdem das Mädchen gemächlich aufgestanden war, öffnete sie gähnend den Bettvorhang und schlug die unbenutzte Decke zurück.
Adelyn schlief noch tief und fest. Koralie lächelte auf sie hinab. Friedlich lag sie da und schmiegte sich verträumt an ihren Kopfpolster. Es sah ganz danach aus, als würde sie zauberhafte Orte in ihrem Traumland durchwandern. Koralie ließ Adelyn noch schlafen und ging stattdessen zu dem Zummerfenster, vor dem noch immer der kleine Spatz saß.
»Na, du Süßer?« Kora schmunzelte und streichelte über den zarten Kopf des Vogels. Das kleine Geschöpf zwinkerte ihr vertraulich zu und genoss die Liebkosungen.
Eine lauwarme Brise fegte vom Meer hinauf. Neugierig spähte das Mädchen aus dem Fenster und ließ sich von dem Wind küssen. Dabei erhaschte sie einen Blick auf den Menschenauflauf unten im Hof. Der Lord von Sturmbruch durchquerte gerade das Burgtor, während ihm eine Kolonne von Reitern und Bediensteten folgte. Koralie atmete erleichtert durch. Man sah ihr die Erleichterung darüber, dass sich Lord Desmor nun nicht mehr in der Burg herumtreiben würde, deutlich an. Es war nicht leicht für Koralie mitansehen zu müssen wie Adelyns Herz blutete und sie unter der tyrannischen und besitzergreifenden Ader ihres Mannes litt. Sie hatte es verdient geliebt zu werden. Ehrlich und aufrichtig.
Koralie sah nach links zu dem Strand und beobachtete wie die Wellen kraftvoll gegen die Klippen peitschten. Gestern hatten Koralie und Adelyn sich vergnügt, ehe sie diesen Jungen bei den Klippen entdeckt und sich Adelyn daraufhin unweigerlich verkrampft hatte. Dass Moran mehr als nur eine flüchtige Bekanntschaft für Adelyn war, konnte sie nicht leugnen.
Nachdenklich lehnte sich Koralie mit den Ellbogen an der graphitschwarzen Fensterbank ab und stützte ihren Kopf mit den Händen. Adelyn war nervös geworden, als sie von Ser Moran gesprochen hatte. Es hatte auf Koralie wohl so gewirkt, als hätte sie Angst vor Moran. Doch dem war nicht so. Adelyns Herz schlug für Moran. Das durfte allerdings niemand wissen. Der Lord wäre außer sich vor Zorn. Er würde Adelyn einsperren und dafür sorgen, dass sie Moran nie mehr zu Gesicht bekam. Morans und ihre Verbindung war wie ein heißer Funke, der jeden Augenblick entflammen konnte.
Ganz anders, als Ludwin und sie. Mit ihm war Adelyn um einen treuen und liebevollen Freund reicher. Er wusste gut mit Tieren umzugehen und sorgte sich sehr um Adelyns Wohlergehen. Welche Rolle er auch immer in Adelyns Zukunft spielen würde, er war ein wichtiger Anker der Bodenständigkeit für sie.
Plötzlich knarzte die Matratze des Bettes und Koralie drehte sich um. Im selben Moment flog auch der kleine Vogel eilig davon. »Hast du gut geschlafen?«, fragte sie mit einer liebvollen Stimme und brachte Adelyn ihren Morgenmantel, der neben dem Frisiertisch an einer Kleiderstange hing.
»Ich habe schon lange nicht mehr so gut geschlafen«, entwich es dieser putzmunter, während ihr Koralie in den Mantel half.
»Heute wird ein wundervoller Tag! Das weiß ich. Kein Desmor bedeutet kein Leid.« Motiviert atmete sie die klare Morgenluft ein, die den Raum flutete, und schlug sich ihr langes, braunes Wellenhaar hinter die Schultern.
Koralie lachte. Heute war tatsächlich ein wunderschöner Tag. Auch, wenn Adelyn und sie sich noch mit der Frage zu beschäftigen hatten, wie sie gemeinsam aus Sturmbruch fliehen würden. Lang durften sie nicht in Sturmbruch verweilen. Denn Skadi und die Frostritter ruhten nicht und der junge Luchs würde erst erwachsen werden müssen, bevor er sich gegen seine Feinde zur Wehr setzen könnte.
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Die Legende der Kronluchse | 1 ✓
Fantasy»Was sein soll, hat große Kraft.« - Feenhoheit Saahr Einst war Gehinna ein friedlicher Ort, an dem ein jeder willkommen war. Doch ebenso wie ein von Krankheit befallener Körper leidet, so litt auch der gewissenhaft bewahrte Frieden unter dem unsagba...