Zwischenspiel I - ein Herz so kalt wie Eis | ✓

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☽- ❞Karfunkel Saga❝ - ☾
Zwischenspiel
I

Unheilvolles Wolfsgeheule hallte durch die leeren Gänge. Die geisterhaften Schreie echoten tausendfach wider und ließen die Eiswände förmlich erzittern. In der großen Halle, deren Dachkuppel von zahlreichen Säulen gestemmt wurde, war es mucksmäuschenstill. Ausgenommen der fürchterlichen Laute mordlüsterner Wölfe, die draußen vor den Toren des einsamen Schlosses umherstreiften.

Am Ende der großen Halle erhob sich ein gewaltiges Pult aus dem Boden und formte einen eindrucksvollen Thron, der einzig und allein aus Eis bestand. Scharfe Eiszapfen, die den Zacken von Kronen ähnelten, ragten aus dem Thron und bildeten einen Kranz aus Eiszacken, der gleichmäßig um die Lehne des Thrones verlief.

Schon eine geraume Zeit verharrte die Frostmonarchin Skadi auf ihrem imposanten Eisthron. Ihre starre Miene war emotionslos ins Nichts gerichtet, so dass man hätte glauben können auch sie wäre eine vereiste Skulptur und somit Teil des Throns gewesen. Doch Skadi war äußerst lebendig. Nichts und niemand konnte sie so leicht in die Knie zwingen. Und schon gar nicht dieser Fluch, der sie hier festhielt.

Tag für Tag malte sich die einst so gefürchtete und machtvolle Frostmonarchin aus, wie sie sich an all jenen, die sie für ihr Unglück verantwortlich machte, rächen würde. Die langen, pechschwarzen Nägel der Königin gruben sich immer tiefer in die Armlehne ihres Throns, während allmählich ein finsteres Lächeln auf ihren Lippen erschien.

Wissend, dass ihr Ausbruch bevorstand, scharten sich ihre getreuen Anhänger bereits vor dem Schloss und jubelten ihrer Königin zu. Sie warteten begierig auf die Befehle, der einst unbesiegbar erscheinenden Eiskönigin.

Die blutigen Jahre, in denen die Welt von Eis und Schnee beherrscht wurden, war noch gar nicht so lange her. Skadis Gefolgsleute waren damals unaufhaltsam durch die weite Eislandschaft gereist. Wohin sie auch gingen, ihnen folgten die Leichen. Sie mordeten, plünderten und missbrauchten ihre Magie. Nun war Skadi im Begriff diese Zeiten erneut heranbrechen zu lassen.

Plötzlich wurde das Tor zur Halle mit einem lauten Knarzen aufgeschoben, woraufhin Skadi aus ihren arglistigen Gedanken gerissen wurde und ihre lieblosen Augen hinauf schnellten. Zwei ihrer magischen Frostritter schliffen einen jämmerlich aussehenden Jungen herein. Der Bursche mit dem weißblonden Haar sah schlimm zugerichtet aus. Blaue Flecken, Fleischwunden und Blutergüsse verteilten sich über seine blasse Haut, die allem Anschein nach noch nie das wohlige Licht der Sonne genießen durfte.

Unmittelbar vor dem Königspult ließen die beiden Ritter die Arme des Mannes los und schleuderten ihn achtlos auf den frostigen Boden. Er krümmte sich gequält und biss die Zähne stöhnend aufeinander, doch letztendlich schaffte er es sich aufzurichten. Mit einem missgünstigen Blick sah er zu der Königin auf.

Er musterte sie eingehend, während Skadi den Mann heimtückisch angrinste. Ihre silberne Krone lag wie ein Rosenkranz auf ihrem Haupt und funkelte dank den weißen Kristallen, die sorgfältig in die Krone eingearbeitet wurden, mit erstaunlicher Intensität. Ihr glattes, schneeweißes Haar war zu einem strengen Pferdeschwanz gebunden. Obwohl der Zopf extrem hoch angesetzt war, fiel ihr glänzendes Haar weit über ihre Schultern und endete erst knapp über ihrem Gesäß.

Nicht weniger einprägsam war Skadis Gesicht. Die hohen Wangenknochen und ihre mit schwarzer Farbe umrandeten Augen verliehen ihr eine furchtgebietende Strenge. Hätte sie nicht etwas so Bösartiges an sich, wäre sie beinahe als schön bezeichnen.

Ihre großen, eisblauen Augen strahlten atemberaubend, während ihre vollen Lippen eine schwungvolle Linie zogen. Skadis gesamte Gestalt war schlank und anmutig. Und obwohl sich sowohl über ihre Lider, als auch über ihre Haare ein blau schimmernder Glanz verteilte, war Skadi keine gewöhnliche Märchenkönigin. Sie trug eine weiße Jacke, die an der Taille anlag, während sie sich bei den Schultern aufplusterte. Ihre an den Oberschenkeln aufgeplusterte Hose war aus demselben Stoff hergestellt worden. Die schwarzen, kniehohen Lederstiefel der Königin harmonierten zu der lackschwarzen Augenbemalung und den abnormal langen Nägeln, die so schwarz wie der Tod selbst waren.

Die Legende der Kronluchse | 1  ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt