|12| Lord von Sturmbruch | ✓

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☽- ❞Karfunkel Saga❝ - ☾
XII

Liebe Adelyn,

Ich schreibe dir aus Sorge zu meiner Tochter Koralie. Ohne es zu wollen, wurde sie in Dinge verwickelt, die nun ihr Leben bedrohen. Ich bedauere es zutiefst, doch ich fürchte sie ist zuhause nicht mehr sicher. Dunkle und längst vergessene Mächte erheben sich erneut und bringen fürchterliches Leid in unsere Lande. Diese Dunkelheit versucht nun auch Koralie zu verschlingen. Deswegen muss sie fliehen. Da ich weiß, dass du ihr immer eine treue Freundin gewesen bist, ersuche ich dich inständigst ihr für kurze Zeit Obdach zu gewähren und sie in deiner Burg als Gast aufzunehmen, bis sie weiterzieht.

In Liebe und Sorge,

Priya

»Was steht in dem Brief?« Ludwin musterte Adelyn neugierig, als er bemerkte, wie es ihr die Bleiche ins Gesicht trieb. Kurz in Gedanken abgedriftet zuckte das Mädchen auf und steckte den Brief schnell wieder zurück in das Couvert. Ihre Augen wurden von einem unruhigen Flimmern umspielt, als sie zu einer Antwort ansetzte.

»Ach nichts. Kein Grund zur Besorgnis.« Gleichgültig zuckte sie mit den Schultern. Manchmal war es besser diskret zu bleiben.

Misstrauisch verengte Ludwin seine moosgrünen Augen und verschränkte die Arme vor dem Körper. Er kannte Adelyn bereits seit vielen Jahren. Er wuchs sozusagen mit ihr auf, da er schon in jungen Jahren Adelyns Familie gedient hatte. Als Sohn des Stallmeisters verbrachte Ludwin stets viel Zeit mit dem schönen Mädchen. Er kannte sie besser, als sie sich selbst. So brauchte er nicht lange, um Adelyns Antwort als Lüge zu enttarnen. Sie war ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.

»Seid Ihr sicher?« Adelyn stand förmlich unter Storm und konnte Ludwin nicht in die Augen sehen. Nervös biss sie sich auf ihre Unterlippe und atmete schwer.

»Entschuldigt mich«, schoss es aus ihr heraus. Ihr Blick fiel auf ihre Gegenüber. »Ludwin. Margret.« Sie nickte beiden kurz zu und eilte dann davon.

Adelyn musste so schnell wie möglich mit den Lord sprechen. Er hatte den Brief gelesen und war sicher nicht sehr erfreut über den Inhalt der Nachricht. Auch wenn es äußerst zweifelhaft war, dass Desmor den unbedeutenden Worten einer bäuerlichen Frau Glauben schenkte.

Wie unter Hypnose stehend, lief Adelyn quer durch die Gärten und vorbei an der Baumallee, welche die Sandwege einzäunte. Obwohl sich auch in Sturmbruch das kalte Wetter langsam zu erkennen gab, hingen die reifen Äpfel schwer an den Ästen und waren bereit zum Pflücken. Die Ernte war gut ausgefallen in diesem Jahr. Niemand hätte gedacht, dass diese gesegneten Sommerjahre nun ein so abruptes Ende erleiden würden.

Adelyns ansteigende Besorgnis um ihre Freundin war ihr deutlich anzusehen. Sie keuchte außer Atem, als sie endlich vor dem großen Empfangsaal der Burg angekommen war. Bevor Adelyn in den Raum trat, sammelte sie sich. Sie atmete tief durch und nahm eine aufrechte Haltung an. Mit anmutigen Schritten trat sie schließlich ein und ging geradewegs auf Desmor zu.

Der Lord saß gelangweilt am Ende seiner Tafel. Zahlreiche Dokumente waren schlampig vor ihm ausgebreitet. Verbissen starrte er Löcher in die Unterlagen und zog seine dunklen Augenbrauen fest zusammen. Seine Finger wanderten an seine Schläfen, um diese zu massieren, ehe ihm ein abgemühtes Stöhnen entfuhr.

»Mylord, ich hege die Vermutung, dass Lady Adelyn mit Euch zu sprechen wünscht«, gab der engste Vertraute des Lords von sich, woraufhin dieser gelangweilt aufsah.

»Ja, es macht ganz den Anschein, mein guter Moran«, murmelte er, während sich seine Mundwinkel leicht anhoben. Bei Adelyns Anblick begannen seine Augen düster zu funkeln.

Die Legende der Kronluchse | 1  ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt