Kapitel V: Unterstützend

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26. November 2018

Taeyong hasste Montage und die Schule. Es war nicht so, dass die Schule der schlimmste Ort dieser Welt war. Er mochte sie einfach nicht. Vielleicht lag es an seinen mangelnden sozialen Kontakten oder an einigen bestimmten Personen. Vielleicht lag es auch an beiden Dingen. Er konnte es nicht genau benennen. Die Schule war für ihn immer irgendwie eine Art Gefängnis gewesen. Er hatte zwar ständig gute Noten und nie Probleme mit dem Lernstoff gehabt, aber er fühlte sich gefangen. Er fühlte sich erdrückt in diesem grauen Gebäude. Taeyong war der Meinung, dass seine Kreativität und auch seine Fantasie gehemmt wurden. Er glaubte, dass sich sein wahrer Charakter dort nie entfalten konnte. Manchmal hatte er sogar das Gefühl, dass er sich in seinem noch jungen Alter in einer Identitätskrise befand.

Gedankenverloren schüttelte Taeyong seinen Kopf und betrat an diesem frühen Morgen das Schulgebäude. Mark wollte ihn zwar überreden, ihn zur Schule zufahren, aber der Mensch hatte darauf bestanden selbst zu gehen. Der Weg von der Wohnung seiner Pflegeeltern bis zur Lehranstalt war nicht wirklich weit und er wäre immer auf öffentlichen Straßen unterwegs. Taeyong bezweifelte, dass übernatürliche Wesen ihn mitten auf der Straße und noch dazu am helllichten Tag angreifen würden.

Mit einem leisen Seufzen schloss Taeyong seinen Spint auf, welcher sich in einem nicht sehr belebten Gang befand. Es waren in diesem Moment tatsächlich keine weiteren Schüler auf dem Flur zu erkennen. Taeyong störte sich nicht daran und es wunderte ihn auch nicht groß. In fünf Minuten würde es klingeln. Die meisten Schüler befanden sich bereits in ihren Klassenzimmern.

Müde schob Taeyong ein paar Bücher in den Spint, um seine Umhängetasche zu erleichtern, dabei fiel sein Blick auf die Spinttür, an welcher ein kleiner Kalender hing. In zwei Tagen würden die Abschlussprüfungen beginnen. Eigentlich musste Taeyong sich gar keine Sorgen darum machen. Er war ausreichend und gut vorbereitet. Kein Grund zur Panik.

Leise gähnte er und schloss den Spint. Dann würde er sich wohl auch langsam zu seinem Klassenraum begeben. Im Grunde interessierten ihn die Wiederholungsstunden nicht sehr, aber man hoffte natürlich immer wieder, dass der Lehrer irgendwelche Informationen über die Prüfungsaufgabe ausplappern würde. Nur deshalb war Taeyong auch gekommen.

Mit gezielten Schritten bog er um die Ecke und blieb ruckartig stehen. Stirnrunzelt betrachtete er die Szene vor ihm. Da standen also Seungcheol, Wonwoo, Mingyu und Hansol. Taeyong verdrehte seine Augen. Sie hatten sich mal wieder ein neues Mobbingopfer gesucht und standen wie ein Rudel um den armen jungen Schüler, der sie mit großen und verängstigten Augen ansah. Wenn Taeyong sich nicht irrte, hieß der Junge Beomgyu. Es tat ihm leid, wie die vier Älteren bedrohlich, -wie ein Wolfsrudel-, vor dem Jungen standen und ihn piesackten. Das konnte Taeyong sich nicht lange untätig ansehen, als er die glasigen Augen von Beomgyu entdeckte.

Tief holte Taeyong Luft und trat näher an die fünf anderen Schüler, die ihn nun auch bemerken zu schienen. Zumindest wandte Vernon seinen genervten Gesichtsausdruck zu Taeyong.

„Was soll das? Lasst doch die Jüngeren in Ruhe. Ihr zieht noch auf den letzten Meter bis zum Abschluss diesen Scheiß ab.", meinte Taeyong ernst und erntete einen finsteren Blick von Seungcheol, der die vierköpfige Gruppe sozusagen anführte.

„Müsste es dir nicht eigentlich scheißegal sein, was wir an den letzten Tagen machen? Hast nicht gerade du in all den Schuljahren deinen Schwanz eingezogen und dich aus allem herausgehalten? Hier und da mal ein selbstverteidigendes Wort, aber sonst immer der Konfrontation wie ein Feigling ausgewichen. Wo kommt dein plötzlicher Mut her, Taeyong~?", zog Seungcheol den anderen auf, während Vernon und Mingyu gehässig grinsten. Ja, Taeyong wollte immer unsichtbar in der Schule sein. Er wollte nie in das Visier der Störenfriede geraten. Die paar Sticheleien, die er über sich ergehen lassen hatte, waren für ihn noch verkraftbar gewesen. Egal wie armselig es sich für Taeyong selbst anhörte. Wenn er aber nach allem was in den letzten Wochen geschehen war, so darüber nachdachte, war es nicht er. Das war nicht Taeyong's wirklicher Charakter. Er hatte nun so viele neue Dinge und Personen kennengelernt. Er konnte sich an sein vorheriges Leben erinnern und er hatte Sachen erlebt, die ihn geprägt haben. Und das wichtigste von allem... Taeyong hatte sein passendes Puzzleteil, seine zweite Hälfte, seinen Seelenverwandten gefunden. Er hatte nun Mark, seinen Gefährten. Vielleicht war genau das alles Grund genug, dass er sich nun hier gegen die Schulrowdys stellte und jemanden verteidigte. Es war nichts im Vergleich, wenn man bedachte, wie nah Taeyong dem Tod bereits gewesen war und wie präsent dieser doch in seinen Gedanken immer noch war. Er war halt nur ein Mensch, nichts weiter. Vielleicht war es möglich, dass er ein Medium war und die Fähigkeiten besaß Auren zu spüren. Genau in diesem Moment als Seungcheol auf ihn zuging, fühlte Taeyong die Aura des anderen an seiner eigenen lechzen. Es fühlte sich an als wolle ein Wolf ihn bei lebendigem Leib zerfleischen. Taeyong blieb an Ort und Stelle stehen. Er hatte keine Angst. Ihm wurden nun so viele Dinge bewusst. Mark's Worte hallten ihm in seinen Gedanken wider. Seine Schule war infiziert. Es gebe viele Werwölfe, hatte er gesagt. Taeyong war sich noch nie so sicher gewesen wie in diesem Moment, dass seine Mitschüler Werwölfe waren.

Red Eyes & Deep Scars ||Markyong||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt