𝒂𝒖𝒕𝒖𝒎𝒏 | »12 Regeln«

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K A P I T E L || 01

{Emma Clark}

12 Regeln

1. Kein Alkohol. Vor allem kein Tequila. Führt nur zu dummen Kurzschlussreaktionen.

Ich blicke auf das Weinglas in meiner Hand. Den Wein kann ich nicht verkommen lassen - ist ein guter Jahrgang. Außerdem hat ihn mir meine Nachbarin als Dank dafür geschenkt, dass ich auf ihre Pflanzen aufgepasse, während sie Croissants in Frankreich futtert.

2. Keine Typen mit Motorrädern. (Am Besten ein Ökoheini mit Fahrrad)

3. Revidiere den zweiten Teil der zweiten Regel, am Besten gar keine männlichen Wesen.

4. Keine Mitternachtssnacks, obwohl ich laut Estelle dünn wie eine Bohnenstange bin. (Man muss nichts heraus provozieren)

5. Keine Partys.

6. Keine sexuellen Handlungen.

7. Keine Filmzitate. Niemand findet das witzig. Also beherrsch dich.

8. Genug Geld für die Reparatur deines Autos zusammen bekommen!!! Langsam ist es nicht mehr lustig dir selbst vorzuheucheln, dass du umweltbewusst bist, nur weil du zu Fuß läufst.

9. Kauf dir solange ein Bahnticket. Jeden Tag verschwitzt auf der Arbeit anzukommen, weil du die letzten Meter rennen musst, ist DUMM.

10. ARSCH HOCH BEKOMMEN UND BEWERBUNG SCHREIBEN!

11. Aufhören unfreundlichen Kunden Spüli in die Blumentöpfe zu kippen, wenn sie nicht hinsehen. MÖRDERIN. Du hast genug Pflanzen auf dem Gewissen.

12. Neuen besten Freund finden.

Bei dem letzten Punkt, den ich setze, breitet sich das Gefühl in mir aus, wirklich etwas Produktives getan zu haben. Ich blicke auf meinen Laptop, der mir vorschlägt, mehrere Updates zu fahren. Ich klicke auf später und fahre ihn runter. Noch so eine schlechte Angewohnheit von mir.

Als mein Handy klingelt, hebe ich beschwingt ab, nur um festzustellen, dass es Estelle ist. Sie arbeitet mit mir in der Pflanzenabteilung und man kann sagen, dass wir eine Art von Freundschaft führen. Das vermutlich nur deshalb, weil wir gezwungener Maßen Zeit miteinander verbringen. Wir beide haben nämlich nicht viel gemeinsam außer denselben Job.

»Du weißt schon, dass es dir nicht besser gehen wird, wenn du dein Leben unter der Bettdecke mit Netflix verbringst?«, ist das Erste, was ich höre. Ich verdrehe meine Augen.

»Da muss ich dir leider widersprechen. Netflix ist toll. Genauso wie mein Bett. Außerdem geht es mir super!«, lüge ich. Wobei, es ist nur halb gelogen. Ich bilde mir das tatsächlich ein.

Ich kann förmlich hören, wie sie ihre spitze Nase kraus zieht: »Du bist manchmal so antisocial. Was ist mit Marc? Nennst du das etwa auch blendend? Ich finde wir sollten ausgehen. Diesen Samstag habe ich noch nichts vor und ich weiß, dass du auch nicht arbeitest, also...«

Sie zieht das 'o' in die Länge, sodass ich für einen kurzen Moment denke, mit meinem Handy stimmt etwas nicht.

»Was schlägst du vor?«, frage ich, bevor sich dieser Buchstabe in mein Gehirn einbrennt.

»Du und ich. Bar!«

Das passt mir wirklich gar nicht in den Kram.

Trotzdem antworte ich: »Meinetwegen.«

Estelle hat die Angewohnheit, sich bei solchen Sachen festzubeißen und nicht mehr Ruhe zu geben, bis man zusagt. Wie ein wild gewordener Yorkshire Terrier, der dir in die Wade gebissen hat. Nicht bedrohlich, irgendwie sogar niedlich, aber dennoch verdammt nervend. Aus diesem Grund möchte ich ihr keinen Argumentationsspielraum lassen. Lieber sage ich gleich zu.

Sie nuschelt irgendetwas von: »Details können wir später klären« und legt auf.

Ich drehe mich mit meinem Schreibtischstuhl um, wobei ich fast ein wenig Rotwein auf dem weißen Teppich verkleckere. Wer hat eigentlich gesagt, dass es eine gute Idee ist, seine Wohnung weiß einzurichten? Prüfend sehe ich mich um, ob irgendwo irgendwas gelandet ist, um beruhigt festzustellen, dass das nicht der Fall ist.

Ich stelle das Glas auf meinem Schreibtisch ab. Schnell husche ich  hinüber in mein Schlafzimmer, hin zu meiner antiken Kommode, in der ich ein schwarzes Kästchen aufbeware. Es ist mit Samt ausgekleidet und beinhaltet einen schwarzen Füller, sowie Briefpapier. Nur, weil mein bester Freund nicht mehr hier ist, heißt das nicht, dass ich nicht unserer Tradition folgen kann. Wäre doch gelacht.

Seit wir klein sind, schreiben wir immer, wenn uns irgendetwas belastet, einen Brief an einen Serien- oder Filmcharakter. Wir haben zwar ausgemacht, dass es immer unterschiedliche sein müssen, aber ich schummele seit ich Grand Hotel kenne (Ich schreibe eigentlich nur noch Briefe an Julio Olmedo - Kann man es mir verübeln?).

Mit Füller und Papier setze ich mich zurück an meinen Schreibtisch.

Lieber Julio,

seit dem letzten Mal, als ich dir geschrieben habe, ist viel passiert. Nicht nur, dass ich meinen besten Freund an die Oberschnepfe Joanna verloren habe - Marc hat sich wie das letzte Arschloch verhalten.

Ich habe lange überlegt, ob ich diese Tradition am Leben erhalten soll und letztendlich bin ich zu dem Entschluss gekommen, es zu tun. Warum auch nicht?

Joanna und mein bester Freund sind mehr oder weniger durchgebrannt. Sie leben jetzt in Österreich, was auch immer sie dort wollen. Immerhin sind sie Kilometer weit von Toronto entfernt. Angeblich arbeitet sie als Charlet Girl (Ich kenne diese Bezeichnung nur aus dem gleichnamigen Film) und er hat dort einen Studienplatz gefunden. Dieser Verräter. Ich meine, du müsstest es wissen, Julio, bei euch wimmelt es von falschen Schlangen. Ich verstehe einfach nicht, wie er auf die Person hereinfallen konnte, die mir das Leben zur Hölle gemacht hat.

Das tut verdammt weh. Vermutlich sollte ich wie eine gute Christin handeln und ihm die andere Wange hinhalten (Äh ich meine die andere Erzfeindin).
Aber ich kann nicht mehr. Meine Wangen sind wund. Marc zum Beispiel denkt, er könne mit mir machen, was er will.

Was soll das? Denkt er, dass er nach allem, was er mir angetan hat, einfach wieder ankommen kann? Doch das Schlimmste ist, dass ich immer an ihn denken muss.

Kann es nicht Männer wie dich geben? Gut, die meisten aus deinem Jahrhundert waren total sexistisch, aber davon Mal abgesehen, wisst ihr wenigstens, wie man um eine Frau kämpft.

Außerdem muss ich endlich meinen Allerwertesten hoch bekommen und die Bewerbung fürs College schreiben. Ich halte es im Baumarkt nicht mehr aus. Du wirst von mir hören, sobald ich meine Bewerbung geschrieben habe. Sollte das überhaupt noch passieren.

Viele Grüße,
Emma

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