K A P I T E L ||06
{Emma Clark}
Mit meinem Finger fahre ich über den Rahmen eines der Türchen, hinter denen sich die grünen, kleinen Melonen aus Zucker verstecken. Ich stütze mich mit meiner linken Hand auf mein Knie, sodass ich direkt in das Fenster gucken kann. Meine Nase klatscht fast gegen das Glas, das mich von den süß-sauren Süßigkeiten trennt.
Die Füllung ist rot und sauer, so ähnlich wie ein Nimm2 Bonbon, nur viel besser. Mit meinem Finger zeige ich darauf.
»Fünf davon, bitte«, sage ich dann.
»Wieso nicht lieber zehn?«, höre ich eine männliche Stimme fragen. Ich schmunzele.
»Ich will ja nicht fett werden«, antworte ich scherzend. Mein Blick ist immer noch auf die grünen Dinger vor mir gerichtet.
»Du siehst aus, als hättest du gerade Sport gemacht. Ich glaube nicht, dass es einen Unterschied macht, wenn du fünf mehr essen würdest«, gibt der Verkäufer in einem analysierenden Tonfall von sich. Seine Stimme klingt attraktiv und noch sehr jung. Irgendwie kommt sie mir bekannt vor.
»Versuchst du mich gerade anzumachen? Vor allem, wie lange stehst du da schon?«, frage ich und richte mich auf, ohne mich umzudrehen. Mein Blick schweift zu den Lakritzstangen.
»Nein...Keine Sorge, ich bin kein Stalker«, lacht der Junge. Ich drehe mich auf der Ferse um, sodass ich fast gegen die Brust des großen Jungen krache.
»Ach bist du nicht?«, frage ich belustigt, während ich immer noch nicht meinen Kopf zu dem Fremden hebe.
»Nein.«
»Bekomme ich dann meine Melonen?«, frage ich und muss unweigerlich an den Film Dirty Dancing denken. Wenn ich an der Kasse bin, kann ich wie Baby sagen, dass ich Melonen getragen habe. Ach, stimmt. Keine Filmzitate.
»Ich arbeite hier nicht...«, antwortet der Junge. Ich spüre, wie mir das Blut in die Wangen schießt. Oh Gott. Ich habe ihn für einen Verkäufer gehalten. Ich bin total dumm. Wahrscheinlich habe ich mich total lächerlich gemacht.
»Oh Gott, das ist jetzt peinlich...«, stammele ich, während ich hysterisch lache und hinzufüge, »Ich dachte nur, dass du ein Verkäufer bist, weil du so urplötzlich hinter mir standest. Du weißt schon... Ach es war total blöd!«
Das raue Lachen des Jungen dringt an mein Ohr.
»Das ist kein Problem... Vielleicht sollte ich umschulen. Ist doch sowieso ein viel besserer Beruf«, grinst er und verschränkt seine Arme. Ich beobachte, wie sich seine Muskeln anspannen. Bis jetzt habe ich meinen Blick immer noch nicht zu seinem Gesicht gehoben.
»Vielleicht solltest du das. Demzufolge müsstest du mir jetzt aber mit meiner Auswahl helfen. Welche dieser Süßigkeiten würden Sie mir denn noch empfehlen, Herr Verkäufer?«, frage ich schmunzelnd. Die Erkenntnis, dass er der Typ aus der Bar ist, trifft mich zu spät.
Ich wende mich zu dem großen Süßigkeitenregal und schlendere drum herum. Mein Blick gleitet zu den rosa gestrichenen Wänden, an denen weitere Regale mit bunten Verpackungen und Süßigkeiten hängen.
»Okay... Was haben wir denn hier? Zum einen gäbe es die Möglichkeit, diese Reeses hinzuzufügen und das Ganze dann mit Razzles abzurunden. Was halten Sie davon?«
Ich nicke anerkennend mit meinem Kopf, wobei mir noch mehr meiner blonden Strähnen ins Gesicht fallen. Da ich einen Stufenschnitt trage, den ich mir nur habe machen lassen, wegen Jennifer Aniston in 'friends', fallen mir meine Haare bei einem Dutt oder Pferdeschwanz immer ins Gesicht.
Ich grinse in mich hinein, weil der Junge die Süßigkeiten stolz beäugt, als hätte er gerade die kleine Nachtmusik der Süßigkeiten komponiert und er wäre der Mozart der Reeses.
»Was ist?«, fragt er neugierig. Ich fahre über die Zange und hoffe, dass der Verkäufer, welcher sich hinter der Theke niedergelassen hat, sich auf den Weg hier her macht.
»Nichts. Du freust dich nur so darüber, dass ich mir deine Zusammenstellung kaufe«, erkläre ich, während ich wieder zu dem Verkäufer schiele.
»Stimmt doch gar nicht«, lügt er und dreht sich um, um zu sehen, wo ich hinblicke. Mit langen Schritten macht er sich dann auf den Weg zu dem Thresen, der von Tonnen an Süßigkeiten umrahmt ist. Bei einem Erdbeben müsste man wahrscheinlich tagelang nach dem Verkäufer suchen, wenn er verschüttet wäre.
Nach nur ein paar Sekunden kommen beide zu mir, damit mir der Verkäufer die Süßigkeiten in eine Tüte füllen kann. Nachdem ich bezahlt habe, mache ich mich auf den Weg nach draußen.
»Na dann, danke für deine Beratung«, murmele ich zu dem Fremden aus der Bar, während ich die Tür des Ladens aufmache, wodurch die kleine Glocke über der Tür klingelt und verschwinde.
Die kalte Herbstluft schlägt mir wie eine Peitsche entgegen, als ich meinen Fuß auf den Bürgersteig setze. Ein paar Herbstblätter werden von dem Wind aufgewirbelt.
»Warte«, höre ich den Jungen sagen. Ich stecke mir die Süßigkeiten in meine Jackentasche und drehe mich um.
»Ja?«
»Ich weiß gar nicht, wie du heißt«, erklärt er, während er seine großen Hände in die Taschen seiner schwarzen Jeans steckt.
»Ich ja auch nicht«, antworte ich.
»Du weißt nicht, wie du heißt?«, fragt er grinsend. Ich verdrehe meine Augen und laufe etwas rot an.
»Nein, wie du heißt. Schon vergessen? Der Deal mit dem Teufel!«
»Ich heiße Shawn«, sagt er dann und macht einen Schritt nach vorne auf mich zu. Ich hebe meinen Blick zu seinen Augen, die wieder von einer Sonnenbrille verdeckt werden. Ein kalter Windstoß zieht über meine Haut und ich schließe den Reißverschluss meiner Sweatshirtjacke, die total ausgeleiert ist.
»Shawn«, wiederhole ich stupide seinen Namen.
»Das ist jetzt eigentlich der Teil, wo du mir sagen musst, wie du heißt.«
»T'schuldigung, ich heiße Emma«, stammele ich. Meine Gedanken scheinen immer irgendwie abzuschweifen, was für mich nicht normal ist, da ich sonst der reinste Controlfreak bin, dessen Gehirn aus Listen mit Häkchen besteht.
Ich greife nach einer Melone und stopfe sie mir in den Mund. Die harte Hülle außen zerplatzt und das saure Innere kommt zur Geltung.
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12 rules [s.m.]
Fanfiction»Wenn du nicht versetzt wurdest, was machst du dann alleine in einer Bar? Willst du dich mit deiner Cola voll laufen lassen?«, fragt er amüsiert. Ich deute auf das Getränk, das vor ihn gestellt wird. »Ist Tequila Sunrise nicht ein Mädchen Cocktail...