𝒔𝒑𝒓𝒊𝒏𝒈 | »Queen E?«

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K A P I T E L || 59

{Emma Clark}

Mit meiner rechten Hand umklammere ich den Pappbecher voller Kaffee so stark, dass ich fürchte, die schwarze Flüssigkeit würde jede Sekunde über den Rand schwappen. Dennoch kann ich nicht aufhören, mich an den Becher zu hängen, als ginge es um Leben und Tod. Shawn ist zu spät. Eine Minute. Es ist nicht die Verspätung, die mich wahnsinnig macht, sondern der Fakt, dass ich mit jeder Sekunde, die vergeht, immer mehr das Gefühl bekomme, dass alles eine verdammt schlechte Idee ist. Meine Augen liegen auf dem Becher, der eigentlich zum Mitnehmen gedacht ist. Vor lauter Gewohnheit habe ich einen Kaffee to go bestellt.

Vielleicht ermöglicht dieser mir aber auch, jeder Zeit wegrennen zu können. Wäre das hier ein kitschiger Film, dann würde ich mich vermutlich darüber beschweren, dass das ganze Drama zwischen Shawn und mir nur kreiert und nicht echt ist. Es ist einfach total bescheuert. Genau genommen hatte ich keinen Grund so auszurasten...wenn man es nüchtern betrachtet. Allerdings tue weder ich noch Shawn das.

Es ist alles nur so kompliziert, weil er nicht früher versucht hat, mit mir Kontakt aufzunehmen. Erst, als ich mit Jack zusammen auf seiner Party aufgekreuzt bin. Okay Emma, fokussier dich auf etwas anderes. Deinen neuen Mantel zum Beispiel. Ich habe ihn vor einiger Zeit bestellt, aber es war nie warm genug, um ihn zu tragen. Außerdem passt er perfekt zu meinem Haarband, das ich eigentlich nie trage, weil es etwas snobbiges hat. Zwar auf eine gute Weise, aber grundsätzlich passt es nicht zu mir. Heute habe ich es an. Es gibt mir das Gefühl in der Haut von Blair Waldorf zu stecken. Nicht, dass das so toll wäre. Aber böse Mädchen bekommen immer, was sie wollen, nicht? Blair ist vielleicht ein schlechtes Beispiel.

In dem Moment, in dem ich den Kaffeebecher endlich aus meinem Fesselgriff loslasse, schneit Shawn zur Tür rein. Sie liegt am anderen Ende des Cafés, doch ich kann den Windstoß, den er beim Eintreten verursacht, bis zu mir spüren. Sein Blick schwebt durch den Raum und bleibt letztendlich an mir hängen. Der Kaffeebecher fällt nun schon wieder meiner Anspannung zum Opfer. Gott, warum bin ich so angespannt?

»Hey. Tut mir leid, dass ich zu spät bin. Der Morgen war ein wenig hektisch«, murmelt er und setzt sich ohne mir in die Augen zu sehen. Seinen Mantel hängt er über die Lehne seines Stuhls, ehe er sich zu mir dreht.

»Ist nicht schlimm, du bist zwei Minuten zu spät und keine Stunde«, antworte ich. Inzwischen dürften es fünf sein, aber es macht keinen Unterschied. Die Anpannung, die ich die ganze Zeit verspüre, breitet sich erneut alles durchdringend aus, denn das ungute Gefühl bewahrheitet sich. Eine peinliche Stille entsteht. Ich für meinen Teil werde definitv nicht als erste das Gespräch beginnen. Er will reden, dann soll er reden.

»Die Brownies hier sollen gut sein«, murmelt Shawn, während er in die Karte schaut. Er hat mir immernoch kein einziges Mal in die Augen geschaut. Selbst als er reingekommen ist, hat er das, denke ich, nicht. Gut, mir soll es recht sein. Nur kann ich nicht verstehen, warum er jetzt so eine Show abzieht. Erst macht er einen auf Kitschi-Kitschi Typ und dicken Macker, aber bekommt dann kein Wort heraus. Von wegen all in. Was mache ich hier überhaupt?

»Ja sind sie. Vor allem mit dem Vanilleeis. Das machen sie hier selber«, antworte ich jedoch. Wie gesagt, ich werde nicht anfangen. Als die Kellnerin kommt, bestellen wir. Obwohl ich schon einen Kaffee habe, bestelle ich mir noch einen. In der kurzen Zeit von Shawns Anwesenheit habe ich meinen ersten- noch fast vollen- Kaffee runtergeschlungen.

Nach einer Weile, in der wir auf unsere Bestellung warten, murmelt Shawn schließlich: »Also...«

Dabei starrt er auf seine Hände, als wollte er von ihnen eine Antwort hören. Aus meinem Mund kommt jedoch nichts. Nicht einmal eines dieser peinlichen alsos, die man darauf erwidert, um den Ball zurück zuspielen. Das ist sowieso bescheuert. Soll er doch gleich sagen, was los ist. Obwohl ich von meiner Kleidung her aussehe wie Blair Waldorf, habe ich nicht das Bedürfnis irgendwelche Spielchen zu spielen. Mir reichts. Es ist Zeit für Klartext.

»Du bist wohl nicht sehr gesprächig«, stellt er nach einer weiteren, verstrichenen Minute fest. Wow. Sherlock am Start. Tut mir dieses Haarband gut? Auf einmal fühle ich mich schon viel gemeiner.

»Weil du ja wie ein Wasserfall redest«, gebe ich vorwurfsvoll von mir. Was erwartet er bitte? Soll ich ihm um den Hals fallen und sagen, dass es mir leidtut, dass ich sauer bin?

»Gut, dann soll ich wohl anfangen.«

Kaum hat er das gesagt, würde ich am Liebsten auf der Stelle verschwinden. Zum einen habe ich wirklich überhaupt keine Lust auf dieses Gespräch und zum Anderen nervt mich diese Aussage. Wollte er nicht reden? Ich meine ich habe das Treffen vorgeschlagen, aber nur wegen ihm. Angeblich habe ich ihn mit meiner Rede an die Wand gespielt. Er hatte natürlich keine Chance darauf zu reagieren. Wer's glaubt. Ich nicke und fordere ihn mit meinem Blick auf anzufangen. Den kann er jedoch gar nicht sehen, da er viel zu beschäftigt ist, in dem Brownie herumzustochern, anstatt mir ins Gesicht zu schauen.

»Okay. Ich weiß wirklich nicht, was du von mir erwartest. Du willst, dass ich mich für meine Gefühle für dich entschuldige? Tu nicht so, als wäre es mein Fehler«, platzt es wie aus dem Nichts aus ihm heraus. Ja, ich habe darauf gewartet, dass er etwas sagt, aber nicht, dass sowas herauskommt. Vor allem nicht, dass sein Kopf hoch schießt und er mich wie ein Schießhund, der Blut gewittert hat, ansieht. Vorwurfsvoll verweilen seine Augen auf mir. Die ganze Zeit habe ich darüber gemeckert, weil er mich nicht ansieht. Jetzt wäre es mir lieber, er täte es nicht.

»Du bist gegangen, genauso wie Milan! Du hast überhaupt keine Ahnung, was es bedeutet, befreundet zu sein. Man rennt nicht einfach so weg. Außerdem kannst du nicht so sehr in mich verliebt sein, denn sonst hättest du nicht mit Camila vorlieb genommen!«

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12 rules [s.m.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt