𝒔𝒑𝒓𝒊𝒏𝒈 | »Vielleicht«

398 33 4
                                    

K A P I T E L || 58

»Du warst die ganze Zeit so abwesend. Ist alles gut? Ich dachte mit Jack läuft es super! Gibt es etwas, das du mir verschweigst?«, quetscht mich meine Schwester sofort nachdem wir den Laden verlassen haben, aus.

»Mit Jack ist alles super. Wirklich.«

Ich hoffe, dass sie es dabei belässt. Doch ich kenne meine Schwester und deshalb weiß ich, dass sie weiter nachhaken wird. Eine Sekunde später höre ich sie bereits fragen: »Was ist es dann? Shawn? Und was war das da drinnen bitte für eine Nummer mit deinem Gebrabbel von wegen all in? Und noch viel schlimmer: »wunderbarer Duft?« Dort hat es gestunken, als hätte jemand Willy Wonkas Schokoladen Fabrik samt Umpa Lumpas in die Luft gesprengt!«

Bei dem letzten Satz breche ich in schallendes Gelächter aus.

»Ja, wirklich grauenhaft«, gebe ich lachend von mir. Sabrina fällt mit ein, jedoch schaut sie mich nach einer kurzen Zeit schon wieder mit diesem durchdringenden Blick an, den sie aufsetzt, wenn sie etwas aus mir herauspressen will.

»Es ist nichts!«

Sabrina wirft ihre Haare vorwurfsvoll nach hinten. Wie auch immer man das macht, aber sie kann es. Dann schaut sie mich an und fordert: »Gut. Dann fokussier deine gesamte Energie bitte auf mich. Immerhin bin ich die Braut und ich will mich super special fühlen.«

»Einverstanden«, stimme ich ihr zu und setze ein ernstes Gesicht auf.

-

Nachdem wir fast die ganze Liste an Erledigungen abgehakt haben, mache ich mich auf den Weg nach Hause. Das Ganze hat mich so dermaßen ausgelaut, dass ich mich einfach nur noch auf die Couch schmeißen möchte und Netflix schauen. Gott, warum ist das alles so verdammt anstrengend?

Die Tür schmeiße ich nur noch zu und schleife mich mit letzter Energie zum Sofa. Dort angekommen schaue ich nach, ob ich irgendwelche Nachrichten von Jack bekommen habe. Er hat mir bis jetzt noch nicht geantwortet, es aber auch noch nicht gelesen. Als ich den Chat schließe, springt mir die Nachricht von Shawn ins Auge. Ich habe noch nicht darauf geantwortet, aber was soll man schon darauf antworten? Sorry, dass du dich da verkalkuliert hast? Vielleicht solltest du es mit dem Poker spielen lieber sein lassen?

Das er mich vor die Wahl gestellt hat, hat mich verletzt. Er hat mich verlassen, so wie Milan. Unter anderen Umständen, aber es ist auf dasselbe hinausgelaufen. Dann, als ich versucht habe zu retten, was zu retten ist, hat er mit Camila geschlafen. Zumindest glaube ich das. Da kann man doch nur auf den Gedaken kommen, dass er nur einen Ausweg aus dem Deal gesucht hat.

Vielleicht ist es nicht gerechtfertigt, sich so lange deshalb zu streiten oder eine Freundschaft deshalb aufzugeben...Aber etwas muss nicht die Note F sein, um für mich keine A zu sein. Mit meinem Vortrag war ich eventuell wirklich etwas harsch. Das alles habe ich so gemeint, aber ich habe ihm überhaupt keine Chance gegeben. Jeder sollte eine Möglichkeit haben, sich zu erklären, richtig? Sogar Mörder dürfen ihre Punkte zur Verteidigung anbringen. Nicht, dass Shawn ein Mörder wäre.

Gut, lass uns reden. 

Bevor ich die Nachricht abschicke, schwebt mein Daumen noch kurz über dem Absende Button. Ist das Jack gegenüber fair? Er wird es bestimmt nicht so toll finden, wenn ich mich mit meinem angeblichen Ex treffe. Das zwischen Shawn und mir nichts war, weiß er ja nicht. Aber immerhin behauptet Shawn ja, auf mich zu stehen. Alleine die Tatsache macht das Treffen schon moralisch nicht ganz korrekt. Das macht man einfach nicht.

Schließlich drücke ich doch auf Senden. Vielleicht können wir es dann beide abschließen. Geklärt ist geklärt. Anschreien bringt ja nicht das gewünschte Resultat.

Soll ich vorbei kommen?

Für das Treffen sollten wir neutralen Boden auswählen. Das klingt zwar, als wäre ich eine Diplomain, aber es muss sein. Was würde Jack sich wohl denken, wenn ich meien Ex zu mir in meine Wohnung einlade?

Wie wärs mit morgen um 10 Uhr in dem Café um die Ecke?

Nachdem ich das geschrieben habe, befasse ich mich damit, eine geeignete Sendung zu finden, die ich schauen kann. Gerade, als ich es mir gemütlich gemacht habe, klingelt es an der Tür. Bitte lass es nicht Shawn sein. Genau in dem Moment, als ich das denke, fällt mir ein, dass Jack ja heute Abend wieder vorbei schauen wollte.

»H-«, murmele ich und werde in diesem Moment in einen innigen Kuss gezogen.

»Was war das denn?«, murmele ich, als Jack nach einer Weile von mir ablässt. Ein Lächeln schmiegt sich um meinen Mund.

»Ich muss morgen nach LA« murmelt er und versetzt mir damit einen Schlag in die Magengrube. Das dieser Moment irgendwann kommen würde, war mir klar, aber ich hätte nicht gedacht, dass es schon so bald sein würde. Das heißt nicht, dass wir uns nie wieder sehen werden. In meinem Kopf denke ich nur noch daran, wie weit wir voneinander entfernt sein werden. Dass eine Fernbeziehung nicht einfach ist. Ich denke daran, wie sehr ich ihn vermissen werde, obwohl er doch direkt vor mir steht.

»Komm erst einmal rein«, sage ich und mache Platz, sodass er eintreten kann.

Dann gehe ich auf die Küche zu, wo ich zwei Gläser heraus hole. Dann schenke ich uns beiden Wein ein.

»Du solltest mir jetzt reinen Wein einschenken. War's das?«, spaße ich noch, doch am Liebsten würde ich schreien. Jacks Gesichtsausdruck verzieht sich zu einer merkwürdigen Grimasse, die ich nicht so recht deuten kann.

»Nein...Ich werde nur eine Weile nicht hier sein können, weil ich ins Studio muss. Aber...Dachtest du echt, dass ich deshalb schluss mache?«, fragt er und nimmt das Glas entgegen.

Ich schüttele meinen Kopf, bevor ich antworte: »Nein. Aber ich wollte nur wissen, wie du dazu stehst. Ich will auf keinen Fall schluss machen.«

»Gut«, murmelt er und zieht mich mit seiner freien Hand an meiner Hüfte zu sich. Dabei atme ich seinen Duft ein. Er riecht umwerfend gut. Ganz im Gegensatz zu diesem komischen Laden, in dem ich mit meiner Schwester war. In Gedanken versunken lehne ich meinen Kopf gegen seine Brust und verdränge dabei, wie sehr meine Füße von dem ganzen Herumgelaufe heute wehtun. Man realisiert erst, wie anstregend das ist, wenn es vorbei ist.

{58}

12 rules [s.m.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt