𝒘𝒊𝒏𝒕𝒆𝒓 | »Toronto«

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K A P I T E L || 27

{Emma Clark}

In der Jogginghose von Finn fühle ich mich ein wenig unwohl, wenn auch besser, als zuvor. Ich könnte den, der mich umgerannt hat, immer noch verfluchen. Wenn er sich wenigstens entschuldigt hätte! Shawn hat sich wenigstens entschuldigt.

»Was wolltest du mir jetzt sagen?«, frage ich, als ich aus dem Bad komme.

»Du weißt doch, dass Finn hier ein paar Sachen plant...«, fängt sie an.

»Wegen derer er ein paar Mal nicht dabei war, als wir uns getroffen haben?«, frage ich. Meine Schwester nickt.

»Jedenfalls sieht es so aus, als würde das alles klappen. Da ich die meiste Zeit von zu Hause aus arbeite, könnte ich genauso gut auch hier arbeiten. Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen zusammen nach Toronto zu ziehen!«

Ich quietsche kurz auf und umarme sie. »Das ist der absolute Hammer! Du verarschst mich nicht oder?«

»Nein, wir ziehen nach Toronto!«, gibt sie grinsend von sich. Ich freue mich unheimlich darüber, dass meine Schwester endlich wieder hier wohnen wird. In meiner Nähe und nicht hunderte Kilometer weit entfernt.

»Okay, wie feiern wir das?«

»Was feiern?«, fragt in diesem Moment Finn, der in die Wohnung kommt.

»Dass wir hierher ziehen!«

Finn grinst und lässt sich auf dem Bett nieder, das gegenüber von den Stühlen, auf denen wir sitzen, steht.

»Ist das meine Jogginghose?«, fragt er schließlich und sieht an mir herab. Ich lache schuldbewusst.
-

Auf dem Weg nach Hause habe ich das Gefühl, dass meine gesamten Gliedmaßen abfrieren. Es ist so dermaßen kalt geworden, dass jeder Atemzug brennt.

»Da bist du ja endlich. Mir ist langsam wirklich kalt geworden.«

Ich sehe zu Shawn, der an die Steinmauer vor meinem Haus gelehnt steht und mich mit seinem Dackelblick anschaut. Die erröteten Wangen des Sängers und die blauen Lippen verraten mir, dass er wirklich schon länger hier stehen muss.

»Was machst du hier?«, frage ich und schließe die Tür auf. Mein Blick fällt wieder auf ihn und irgendwie fällt mir heute auf, wie gut er mit Schal und Schneeflocken in seinem Haar, das etwas zerzaust in sein Gesicht hängt, aussieht.

»Ich habe Sushi«, antwortet er und hebt eine weiße Plastiktüte hoch. Ich beäuge ihn misstrauisch und mache die Tür auf. »Es tut mir wirklich leid, Emma.«

Ich verdrehe meine Augen.

»Komm halt rein«, sage ich schließlich. Er tritt ein und grinst mich an.

»Oh, ein Wunder. Deine Gesichtsmuskelatur ist noch nicht eingefroren.«

Er beginnt die Treppen hochzugehen. »Nein, aber fast. Meine Füße sind schon komplett tot.«

»Kein Wunder bei deinen dämlichen Stiefeln. Hol dir Mal lieber anständige Schuhe mit Profil, die warm halten. Vielleicht fällst du dann nicht so oft hin«, sage ich lachend. Als ich zu dem Braunhaarigen rüberschiele, sieht er mich etwas beleidigt an.

»Die sind nicht dämlich. Meine Schuhe passen zu allem und sind super praktisch. Außerdem falle ich nicht ständig hin...nur ab und zu«, entgegnet er beleidigt.

»Als deine beste Freundin muss ich die leider mitteilen, dass die Schuhe absolut grauenhaft sind. Nicht nur, weil sie eine Unfallgefahr dastellen. Ich gehe morgen mit dir Schuhe kaufen.«

Shawn zieht einen Schmollmund. Seine blauen Lippen beginnen langsam wieder ihre normale rosige Farbe anzunehmen. Ich mache die Tür zu meiner Wohnung auf.

»Morgen ist Sonntag.«

Ich ziehe meinen Mantel aus und sehe ihn an: »Gut, dann eben nach meiner Arbeit.«

»Von wem ist die Jogginghose?«

Ich winke ab: »Unwichtig.«

»Das ist doch eine Männer Jogginghose. Hast du einen Freund

Er kommt gefährlich nahe an mich heran. Ich weiche ein wenig zurück.

»Beruhig dich. Das ist die Jogginghose des Verlobten meiner Schwester«, antworte ich und lasse mich auf die Couch fallen.

»Du hast eine Affaire mit dem Verlobten deiner Schwester?«, platzt Shawn heraus. Er sieht irgendwie entsetzt und wütend zugleich aus. Ich fange an zu lachen. Das ist das Dümmste, was ich je gehört habe.

Nachdem ich mich wieder zusammengerissen habe, antworte ich:»Bist du jetzt vollkommen bescheuert? Meine Schwester hat sie mir gegeben, weil sie viel kleiner ist, als ich und außerdem keine Anziehsachen verleiht. Ich bin heute in eine Eispfütze gestoßen worden, wodurch mein Fuß und meine Hose nass geworden sind.«

»War bloß ein Witz.«

Er verschränkt seine Arme und lässt sich auf die Couch fallen. Er ist wirklich sehr schnell eingeschnappt.

»Willst du dir nicht deinen Mantel und deine Jacke ausziehen?«, frage ich nach einer Weile, in der er immer noch schmollend auf der Couch sitzt. Shawn schüttelt seinen Kopf.

»Wo sind wir denn hier, im Kindergarten?«

Ich marschiere auf ihn zu und platziere mich direkt vor ihm. Dann beuge ich mich vor und sehe ihm in die Augen, während ich ihm den Schal ausziehe.

»Was wird das?«, fragt er trotzig.

»Ich ziehe dich aus«, gebe ich von mir und bemerke erst dann, wie zweideutig das eigentlich klingt. Shawn sieht mich selbstgefällig an.

»Ich wusste doch, dass du es von Anfang an auf mich abgesehen hast«, lacht er.

»Pah! Wenn, dann anders herum! Im Moment ähnelst du eher einem trotzigen Kindergartenkind.«

»Sag das nochmal!«

Shawn packt mich an der Hüfte und schmeißt mich auf die Couch. Er platziert sich über mich und fängt an mich zu kitzeln. Ich versuche mir ein Lachen zu verkneifen, doch schließlich kann ich nicht mehr und pruste los.

»So einfach bekommst du mich nicht ausgezogen«, sagt er lachend.

»Ist ja gut, ist ja gut, ich ergebe mich!«, quietsche ich, während er mich immer weiter kitzelt.

»Da bist du besonders kitzelig, nicht?«

Er hat genau die Stelle erwischt, bei der ich noch nie Stand halten konnte. Ich lache, wenn überhaupt möglich, noch heftiger, als zu vor.

»Das lass ich mir nicht bieten!«

Damit stürzte ich mich auf Shawn und schaffe es den Spieß umzudrehen. Nur leider rutschen wir dabei beide von der Couch und landen mit einem dumpfen Knall auf dem Boden.

»Aua«, gibt Shawn schmerzverzerrt von sich, muss aber direkt wieder lachen, weshalb ich mit einfalle.

»Tut mir leid«, sage ich noch, bevor ich ihn kitzele. Er schafft es meine Hände zu packen und sie mir hinter den Rücken zu halten. Ich verliere das Gleichgewicht meines Oberkörpers und lande mit meinem Kinn auf seiner Brust. Verdammt, tut das weh. Ist die aus Stahl oder so?

»Dein Kinn ist ja Spitz, wie ein Messer«, murmelt Shawn und schneidet eine Grimasse. Dann dreht er mich wieder um, sodass er über mir ist.

«Gibs auf, du hast keine Chance«, flüstert er. Während ich ihm so in seine Karamell-Augen blicke, habe ich das Gefühl, dass ich wirklich keine Chance habe.

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12 rules [s.m.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt