𝒂𝒖𝒕𝒖𝒎𝒏 | »Herzensbrecher«

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K A P I T EL || 02

{Emma Clark}

Mit einem warmen Tee in der Hand, der als Ersatz dafür dient, dass ich im Moment keinen Kaffee zu Hause habe, mache ich mich auf den Weg zur Arbeit. Es ist Herbst und bereits jetzt ziemlich kalt. Zu dieser Jahreszeit sieht es aus, als wäre die ganze Welt in orangene Farbe gefallen.

Ich mache einen kurzen Umweg zum Bäcker, um mir dort ein Körnerbrötchen zu holen. Jeden Tag stehe ich da und überlege mir etwas anderes zu holen. Immerhin sieht alles ziemlich verlockend aus. Letztendlich kann ich mich aber nicht entscheiden und nehme wieder dasselbe, langweilige Körnerbrötchen mit Käse drauf.

Ich habe mir fest vorgenommen, ein U-Bahnticket zu kaufen. Aus diesem Grund stehe ich jetzt vor einem dieser beknackten Automaten und warte darauf, dass er das Ticket ausspuckt. Aber, wie sollte es auch anders sein, er tut es natürlich nicht. Wütend trete ich gegen den Automaten, ehe ich die U-Bahn Station wieder verlasse.

Ich sehe es nicht ein, noch einmal Geld in diesen Automaten zu werfen, um dann trotzdem kein Ticket zu erhalten. Regeln hin oder her, ich werde zur Arbeit laufen.

Grimmig nehme ich einen Schluck von meinem Tee, während ich die Welt um mich herum beobachte. Sie sieht jeden Tag gleich aus, nur die Jahreszeiten ändern sich und damit die Umgebung. Im Winter sieht alles trostlos aus, es sei denn, es schneit. Schnee ist wie magisches Puder, das man auf die hässlichsten Sachen geben kann, um sie märchenhaft aussehen zu lassen. Das Licht wird ganz anders reflektiert, als an den dunklen, grauen Wintertagen.

Das Haushaltswarengeschäft an der Ecke ist da schon seit ich denken kann. Ansonsten gibt es nicht viele Geschäfte, die keiner großen Kette angehören. Allein aus diesem Grund gehe ich immer bei Farr's einkaufen. Falls ich denn mal Haushaltswaren brauche, was nicht oft vorkommt.

Wie immer, komme ich verschwitzt auf der Arbeit an, weil ich zu Anfang getrödelt habe und dadurch die letzten Meter rennen musste. Egal, wie viel Zeit ich mir nehme, ich kann es nicht ändern.

Das führt mich zu der Annahme, dass ich irgendwas gewaltig falsch mache.

»Da bist du ja!«, höre ich Estelle verzweifelt ausrufen. Als wäre ich keine fünf Minuten zu spät, sondern Stunden.

»Ja da bin ich... Sorry, wollte heute mal mit der Bahn fahren. Ist... schief gegangen«, antworte ich und streife mir das hässliche Oberteil über, das zu meiner Arbeitskleidung gehört. Orange gestreift. Noch hässlicher geht es glaube ich nicht.

»Marc ist da!«, platzt die zierliche Brünette heraus und lässt mich aus allen Wolken fallen.

»Marc?«

Was macht der hier? Ich meine, was macht er hier? Ich wirbele herum, ohne einen Plan, was ich mache.

»Wir öffnen doch erst in einer halben Stunde. Was macht er hier?«, frage ich perplex und kämme mit meinen Fingern durch meine Haare, in der Hoffnung, sie präsentabel erscheinen zu lassen. Am Ende binde ich sie mir jedoch einfach zu einem Dutt zusammen.

»Woher soll ich das denn wissen? Sieht so aus, als wolle er mit dir reden. Also los! Raus mit dir!«, antwortet Estelle, während sie mich aus dem Angestelltenraum schiebt. Ich atme tief durch und entscheide mich, ihn einfach zu ignorieren.

Was soll ich sonst tun?

Schon von weitem kann ich die braunen Haare des Jungen sehen. Er lehnt gegen den Tresen, an dem wir immer die Blumen umtopfen. Marc schaut in eine komplett andere Richtung, also könnte ich unbemerkt hinter ihm vorbei schleichen und mich hinter einer großen Zimmerpalme verstecken, bis er weg ist. Guter Plan, denke ich mir.

Gerade, als ich mich auf den Weg mache, dreht er sich um. Scheiße.

Ich setze mein fake Lächeln auf und laufe auf den Tresen zu.

»Wir öffnen erst in einer halben Stunde«, rattere ich herunter, während ich mich frage, wie er überhaupt reingekommen ist.

»Ich weiß... Estelle hat mich reingelassen«, beantwortet er meine Frage, als könnte er Gedanken lesen. Diese kleine, hinterlistige Schlange.

«Komm in einer halben Stunde wieder!», zische ich, wobei ich bemüht bin, ihm nicht in seine doofen, braunen Augen zu blicken.

Er räuspert sich. Dann sagt er: «Ich wollte zu dir.»

Ich bleibe still. Keine Antwort ist, denke ich, Antwort genug. Ich will einfach nur, dass er sich verpisst. Schließlich habe ich auch noch irgendwo meinen Stolz. Ich nehme mir einen Lappen und wische ein bisschen Alibi mäßig herum.
Wie eine Steinstatur bleibt er stehen.

«Emma, ich wollte nur kurz bescheid sagen, dass ich übrigens mit meiner Freundin schluss gemacht habe. Was auch immer das Wert ist.»

Völlig entgeistert blicke ich den Typen an. Ich weiß im Moment nicht, ob ich in schallendes Gelächter ausbrechen oder heulen soll.

Ich drehe mich um, werfe den Lappen in irgendeine Ecke und sehe ihn schließlich wieder an.

«Schön für dich. Sag du's mir», gebe ich bitter von mir. Dann verschwinde ich und lasse ihm keine Zeit zu antworten.

Was auch immer das Wert ist. Was zur Hölle erwartet er bitte? Dass er einfach hier aufkreuzen kann und alles ist vergeben und vergessen? Ich renne auf ihn zu wie ein braver Hund? Nein, danke. Das kann er vergessen.

-
«Und?», fragt Estelle, als wir unsere Mittagspause beginnen.

«Was und?», frage ich irritiert, obwohl ich wahrscheinlich eh schon weiß, dass sie auf Marc hinaus will. Erstaunlich eigentlich, dass sie mich erst jetzt danach fragt und nicht in den nicht enden wollenden Minuten unserer Arbeitszeit.

«Na Marc. Was hat er gesagt?»

Erneut spüre ich Wut in mir aufflammen : «Er hat gesagt, ich zitiere, 'Emma, ich wollte nur kurz Bescheid sagen, dass ich übrigens mit meiner Freundin schluss gemacht habe. Was auch immer das Wert ist'

Estelle weitet ihre Augen, zündet sich eine Zigarette an und verkündet, ehe sie einen Zug nimmt: «Was ein Schlappschwanz!»

Ich lache kurz auf und beiße in mein Körnerbrötchen rein.

Schließlich fügt sie hinzu:«Was erwartet er denn jetzt von dir? Emma, das hast du echt nicht nötig!»

«Jap!», ist alles, was ich dazu sage. Laut meinen Regeln will ich eh keinen Kontakt mit männlichen Wesen haben. Zudem würde ich gleich gegen drei Regeln verstoßen.

1) Marc fängt mit M an.
2) er fährt Motorrad
3) er ist nun einmal männlich

Adiós Marc. Dich brauche ich nicht in meinem Leben.

{2}

12 rules [s.m.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt