𝒂𝒖𝒕𝒖𝒎𝒏 | »Der übliche Trott«

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K A P I T E L ||05

{Emma Clark}

Sonntag ist der Tag in der Woche, an dem man bis acht Uhr Abends nur auf der Couch liegt und sich dann fragt, wohin das Wochenende verschwunden ist. Man schiebt kurz Depression, findet sich dann aber damit ab, dass man am nächsten Tag wieder arbeiten muss.

Ich blicke auf die Uhr. Viertel vor acht. Der übliche Trott macht mich heute fast wahnsinnig. Noch dazu kann ich nicht aufhören an Marc zu denken.

Um so froher bin ich am nächsten Tag arbeiten zu können, um dieses Hirngespenst aus meinem Kopf zu verjagen. Es gibt nicht vieles, was sich auf so lange Zeit so sehr festgesetzt hat. Außer vielleicht Michael und ich bereue es gleich an diesen Namen gedacht zu haben.

Im Baumarkt herrscht der übliche Trott mit den üblichen Kunden. Nichts außergewöhnliches passiert. Ich warte einfach nur darauf, dass meine Schicht vorbei ist.

»Kann ich Ihnen behilflich sein?«, frage ich eine ältere Dame, die mit zittrigen Händen nach einer tief stehenden Pflanze greift. Sie lächelt mir freundlich zu.

»Das wäre nett. Ich bin auch nicht mehr die Jüngste«, erklärt sie dann. Ich lächele freundlich und stelle ihr den Blumentopf mit einer weißen Kalandiva in den Wagen.

»Das sieht man Ihnen aber nicht an!«

Ich versichere mich, ob sie nicht noch etwas braucht und mache mich dann wieder auf den Weg zu meinem üblichen Platz, wo ich anfange ein paar Blumen umzutopfen.

»Wusstest du, dass James wieder single ist?«, fragt Estelle, während sie sich auf den Tisch lehnt und ihren Kopf auf ihren Händen abstützt. Ich lasse kurz von dem Blumentopf ab und folge ihrem Blick zu dem groß gewachsenen, blonden Mitarbeiter.

»Nein.«

»Zja, er hat mit Joanna Schluss gemacht. Das heißt, er hängt nicht mehr an ihr, aber kann sicherlich trotzdem noch ein wenig Trost gebrauchen«, analysiert sie, während sie ihren Ausschnitt vergrößert.

»Ach und den willst du ihm jetzt spenden, in dem du ihm dein Holz vor der Hütte präsentierst, anstatt das der Holzabteilung?«, kommentiere ich ihre Aktion. Sie guckt mich kurz böse an, nickt dann aber.

»Du wirst schon sehen«, damit macht sie sich auf den Weg zu James, der noch, nichts ahnend und völlig unschuldig, die Korbstühle aus unserer Gartenedition umstellt.

Ich wende mich wieder meinem Blumentopf zu. Eigentlich bin ich kein Pflanzenmensch. Zu Hause überleben sie nie. Vermutlich aber auch nur deshalb, weil ich vergesse sie zu gießen. Aus diesem Grund habe ich gar keine Pflanzen zu Hause, außer Kakteen. Die Dinger sind Faulheitsresistent.

Am Ende des Tages fege ich immer die Erde auf, rücke alles zurück an seinen Platz und gieße die Pflanzen. Da meine Schicht heute schon früher angefangen hat, kann ich auch früher gehen.

»Estelle!«, rufe ich, in der Hoffnung, sie irgendwo zwischen den Korbstühlen und Zimmerpalmen zu finden.

»Emma?«, höre ich ihre Stimme.

»Wo bist du?«

»Bei den Gartenschläuchen!«, antwortet sie. Ich drehe mich um und mache mich auf den Weg zu ihr.

»Ich gehe jetzt. Aber natürlich nicht, ohne ein Update, wie es mit James gelaufen ist«, gebe ich lächelnd von mir. Estelle wirft einen Blick zu den Korbstühlen, als würde James immer noch dort stehen und grinst.

»Treffe mich mit ihm! Diesen Samstag!«, gibt sie triumphierend von sich.

»Ich freue mich für dich! Solange du ihn nicht versetzt, so wie mich...«

»Hey! Jetzt werd nicht unfair, ich habe mich schon so oft bei dir entschuldigt und gesagt, dass es mir leidtut«, schmollt sie.

»Trotzdem!«, brumme ich beleidigt, bevor ich mich auf den Weg nach Hause mache.

Gefühlt wird es mit jedem Tag kälter. Mein Atem wird zu kleinen, weißen Wölkchen, als ich vor die Tür trete.

Ich mache mich auf den Weg zu der U-Bahn. Überall wimmelt es von Menschen, die sich auf den Weg nach Hause machen. Die U-Bahn Station ist so überfüllt, dass man sich fast gar nicht mehr frei bewegen kann.

Die U-Bahn kommt und ich werde von der Masse reingeschoben, wobei ich aufpassen muss nicht in die Lücke zwischen der Bahn und dem Bordstein zu fallen.

»Pass doch auf!«, höre ich jemanden sagen. Am liebsten würde ich ihm eine reinhauen, weil es einfach unmöglich ist, zu kontrollieren, wo man hingeht. Die Masse drückt einen irgendwo hin und man füllt die Lücken auf. Wie Kartoffelbrei, den man durch ein Sieb presst.

Nach drei Stationen ist der Horror vorbei und ich kann aussteigen.

-

Ich beschließe joggen zu gehen. Ich versuche mindestens vier Mal in der Woche, mich sportlich zu betätigen. Dafür nehme ich mir aber auch ein paar Süßigkeiten aus dem Candyshop, an dem ich vorbeikomme, mit. Das ist zwar kontraproduktiv, aber es sind nie so viele, dass sie wieder in die entgegengesetzte Richtung wirken würden. Also schlüpfe ich in meine Sportleggins und meine mittelblaue Sweatjacke und mache mich auf den Weg.

Ich liebe es Sport zu machen, weil man sich voll und ganz fokussieren kann. Es gibt nur dich und die Straße, auf der du joggst. Störende Gedanken bleiben meist nie lange in deinem Kopf kleben. Sonst sind sie immer wie Kaugummi an Bussitzen. Doch wenn ich Sport mache, sind sie gleich wieder weg.

Der Laden mit den Süßigkeiten ist rosa und liegt direkt an der Ecke vor meinem Haus. Die Tür lässt ein Klingeln verlauten, als ich das Geschäft betrete. Der Verkäufer, der aussieht, als hätte er selbst ein wenig zu viel von den zuckrigen Schweinereien hier gegessen, nickt mir zu. Dann wendet er sich wieder seinem Comicheft zu. Er wirkt ein wenig fehl am Platz. Ein Nerd im rosa Barbietraum.

Drinnen ist es nicht anders als Draußen. Alles ist komplett rosa. Man muss sich erst daran gewöhnen.

Mein Pferdeschwanz ist fast am auseinanderfallen, also versuche ich ihn aufzumachen. Irgendwie hat sich das Haargummi in meinen Haaren verkeilt, sodass ich nach einer Weile einfach aufgebe. Den Kampf habe ich verloren.

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12 rules [s.m.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt