𝒂𝒖𝒕𝒖𝒎𝒏 | »Kinnhaken«

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K A P I T E L || 14

{Emma Clark}

Meine Mutter fällt, wie immer, gleich mit der Tür ins Haus. Kaum, dass Marc das Esszimmer betreten hat, fragt sie ihn aus.

»Marc, deine Mutter hat mir erzählt, dass du jetzt Medizin studierst?«, formuliert sie ihre Information, als sei es eine Frage. Kein Wunder, dass sie ihn eingeladen hat. Scheiß drauf, dass er ein Arsch ist. Medizinstudenten gehen natürlich vor.

»Oh. Meine Mutter kann einfach nicht aufhören, damit anzugeben. Aber ja, ich studiere Medizin. Ich will etwas zu dem Wohl unserer Gesellschaft beitragen.«

»Ich glaube ich muss ins Bad und mich spontan übergeben«, sage ich und kralle mir meine schwarze Handtasche, die perfekt zu dem schwarzen Kleid passt, das ich anhabe.

»Emma!«, gibt meine Mutter entsetzt von sich. Man kann die Empörung in ihrem Gesicht sehen. Ich hoffe sie bekommt davon Pusteln.

»Habe ich etwas falsches gesagt?«, fragt Marc und sieht mich verwirrt an. Ich kann nicht anders, als in schallendes Gelächter auszubrechen.

»Na ja, das Gefasel war jeden Falls kaum ertragbar«, höre ich Finn zu Sabrina sagen, die dadurch auflacht. Der Junge wird mir immer sympathischer.

»Du würdest doch nie etwas falsches sagen«, gebe ich sarkastisch von mir und stolziere aus dem Raum. Ehrlich gesagt, habe ich auch nicht vor, den Abend heute zu ertragen.

Ich reiße die Haustür auf und knalle sie zu. Scheiße. Mit dem Auto muss ich Finn und Sabrina mitnehmen. Außerdem ist heute die Bekanntgebung ihrer Verlobung. Ich muss und will dabei sein. Enttäuscht lasse ich mich auf die Treppenstufen vor unserem Haus sinken, als die Tür aufgeht.

»Ich dachte es wäre deine Idee gewesen«, murmelt Marc. Ich starre auf den Natursteinweg vor mir.

Ich erwidere bitter:»Niemals würde ich auf so eine Idee kommen.«

»Was habe ich getan, um deinen Hass zu verdienen?«, fragt er und lässt sich dicht neben mir nieder. Ich rücke ab.

»Das weißt du gut genug selber. Es ist nicht unbedingt förderlich, mir irgendeine Scheiße zu erzählen und dich dann nicht einmal zu erklären. Ich meine, was erwartest du? Dass ich dir hinterher dackel, obwohl du mich ignorierst und obwohl du mich scheiße behandelt hast?«

Seine Augen weiten sich.

»Ich konnte ja nicht ahnen, dass du das so siehst. Lass es mich erklären...«

Ich schüttele meinen Kopf, wobei mir meine Haare ins Gesicht fallen.

»Es ist zu spät«, sage ich. In dem Moment bemerke ich, wie Sabrina und Finn rauskommen.

»Deine Schwester hat mir alles erzählt. Soll ich ihn verprügeln?«, fragt er mich, doch ich sehe schon, wie er sich auf den Weg macht.

»Denkst du, dass man so mit einer Frau umgehen kann? Verpiss dich du Hurensohn!«

Ich halte Finn an den Schultern fest.

»Nicht. Eure Verlobung ist heute wichtiger«, flüstere ich ihm zu.

Dann drehe ich mich zu Marc und verpasse ihm einen Kinnhaken, wie er ihn vermutlich noch nie bekommen hat. Nur, weil ich eine Frau bin, heißt das nicht, dass ich nicht ab und an auch Gewalt anwende. Ein Grinsen schleicht sich auf das Gesicht des Verlobten meiner Schwester.

»Guter Schlag«, gibt er anerkennend von sich.

»Danke.«

Ich beuge mich zu Marc, der gebückt steht und einen schmerzverzerrten Ausdruck macht.

»Fass mich nicht doch einmal an du Schlampe«, zischt er scharf.

»Dann verpiss dich.«

Ich drehe mich um und marschiere auf meine Schwester zu, die mich triumphierend ansieht.

»Ich bin wirklich stolz auf dich«, sie dreht sich lachend zu Finn um, »Das liegt in der Familie, also wag es nicht, so etwas mit mir anzustellen!«

Finn zieht die Brünette an ihrer Hüften zu sich und drückt ihr ein Kuss auf die Stirn.

»Das würde ich nie machen, Babe. Wieso sollte ich etwas anderes wollen als dich.«

Ich schmelze fast dahin, wo ich die beiden so sehe. Sie passen anscheinend nicht nur äußerlich gut zusammen. Er ist nämlich groß und blond, sie braunhaarig und klein. Sie ergänzen sich perfekt.

»Wer ist eigentlich diese Laura? Die will mir auf Instagram folgen«, frage ich und blicke auf mein Handy, als ich sehe, dass mir jemand eine Abo-Anfrage auf Instagram gestellt hat.

Mein Schwester sieht zu Finn hoch.

»Was hat diese Hobbynutte jetzt schon wieder vor? Ich schwöre dir, ich wische mit der den Boden auf, wenn die jetzt noch versucht, sich über meine Schwester an dich ran zu machen.«

Finn sieht sie genervt an. Nicht wegen Sabrina genervt, sondern Laura scheint ihn echt abzufucken.

»Diese billige Schlampe hat echt keine anderen Hobbies in ihrem Leben, als mir nachzustellen.«

»Ich blockier die Mal«, sage ich. Meine Schwester hält mich jedoch davon ab.

»Nein! Nimm sie an«, während sie das sagt, hat sie ein diabolisches Grinsen auf ihren Lippen. Ich verdrehe meine Augen, mache aber, was meine Schwester sagt.

»Was macht ihr denn hier draußen? Und wo ist Marc?«, höre ich meine Mutter fragen, die plötzlich in der Tür steht.

»Der musste plötzlich gehen«, lüge ich und quetsche mich an ihr vorbei rein ins Haus.

»Das ist aber schade!«

»Total«, gebe ich sarkastisch von mir. Tut mir wirklich leid, dass er unserem Familienessen nicht beiwohnen kann. Dabei ist er doch so ein toller Typ.

Ich setze mich an den Tisch und warte darauf, dass es endlich essen gibt. Ashton redet Mal wieder alles schön, nur Jack scheint ihn ab und an bremsen zu können.

»Sag mal, wieso hast du eigentlich immer noch keinen Freund? Ich meine deine Geschwister haben es ja immerhin auch geschafft«, lässt auf einmal mein Vater verlauten.

»Dad!«, eschoffiere ich mich, »Ich bin erstens erst neunzehn. Zweitens, brauche ich keinen Freund.«

»Natürlich brauchst du einen Freund.«

Entsetzt starre ich meinen Vater an. In welchem Jahrhundert sind wir denn?

»Was...wieso das denn?«, stammele ich vor Entsetzen.

»Weil mich deine Mutter damit nervt«, gibt er auf seine trockene Art von sich. Wie wenn man vom Teufel spricht kommt sie mit einem Topf ins Esszimmer gelaufen.

»Was ist mit mir?«

»Du meinst doch, dass Emma einen Freund braucht.«

Ihre Augen funkeln vor Freude: »Das wäre schön. Einen wie Marc.«

»Was, wenn ich schon einen habe?«, kommt es aus meinem Mund. Ich blicke verdutzt in die Runde. Habe ich das grade gesagt? Jap. Scheiße.

Wenn ich noch einmal mit anhören muss, wie toll Marc ist, dann stürze ich mich freiwillig von dem CN Tower.

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12 rules [s.m.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt