𝒂𝒖𝒕𝒖𝒎𝒏 | »Sonnenbrillen bei Nacht«

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𝑮𝒆𝒘𝒊𝒅𝒎𝒆𝒕 𝒂𝒏 Missnoline

K A P I T E L || 03

{Emma Clark}

Zu sagen, dass Marc mich mal kreuzweise kann, ist eine Sache. Dann aber auch konsequent nicht darauf zu hoffen, dass er mir vielleicht doch noch schreibt, eine andere.

Ich werfe das Handy von mir weg, als ich zum hundertsten mal drauf blicke. Es landet etwas unglücklich auf der Sofakante und rutscht runter. Ein dumpfes Geräusch ertönt, als es den Boden küsst. Ich gebe ein undefinierbares Geräusch der Unzufriedenheit von mir und drehe mich um. Innerlich könnte ich mich schlagen, wenn ich daran denke, dass ich Estelle nicht abgesagt habe. Jetzt ist es zu spät, was bedeutet, dass ich mich wohl oder übel mit Estelle, die mich dazu zwingen wird, mir einen Typen zu angeln, rumschlagem muss.

Ich blicke in meinen Badzimmerspiegel. Das Licht ist mehr als nur unvorteilhaft, vor allem, weil es von oben kommt und viel zu hell ist.

Zwei blaue Augen gucken mich im Spiegel an, während ich Mascara auf meine Wimpern gebe. Der Klingelton meines Handys, der mich aus der nötigen Konzentration reißt, ertönt.

»Ich mache gerade Salat!«, höre ich meine große Schwester begeistert sagen. Ich grinse in mich hinein. Immer, wenn sie mich anruft, kocht oder kauft sie ein.

»Wie läuft es mit Finn?«, frage ich, ohne ihrem Satz davor Beachtung zu schenken. Mit dem Telefon in der einen und einer Chipspackung in der anderen Hand, laufe ich zurück ins Badezimmer.

»Läuft. Habe ihm heute etwas gekocht. Hat ihn umgehauen. Wie sollte es auch sonst sein!«, höre ich sie sagen.

»Klar. Wie auch sonst«, lache ich. Ich greife nach meinem roten Lippenstift.

»Hat sich Marc noch einmal gemeldet?«

Ich fahre noch einmal über meine Lippen, ehe ich antworte: »Rate mal, wer heute im Baumarkt war.«

»Ich hätte den Typen schon längst abgeschossen. Der Typ ist peinlich«, höre ich sie durch das Telefon sagen. Es dringt Tellergeklirre zu mir durch.

»Er hat gesagt, dass er mit seiner Freundin schluss gemacht hat«, fahre ich unbeirrt fort. Dann zupfe ich mir das schwarze Kleid, das ich aus den hintersten Ecken meines Schrankes gezogen habe, zurecht.

»Ha! Ich wusste, dass der noch einmal ankommt, sobald er mit der Ollen schluss gemacht hat«, gibt Sabrina triumphierend von sich.

»Ja super. Und jetzt?«, frage ich etwas verzweifelt.

»Was hast du denn geantwortet? Kommt nämlich drauf an, ob du noch was von ihm willst oder nicht.«

Ich stoße einen langen Seufzer aus. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was jetzt. Dass ich nicht gleich wieder ankomme, ist klar. Aber ich will, dass er sich mehr Mühe gibt.

»Ich will, dass er sich entschuldigt und alles erklärt. Dann gucke ich mal weiter«, antworte ich schließlich.

Wieder ertönt das Geklappere von Geschirr im Hintergrund.

»Du musst jetzt richtig patzig sein. Was hast du ihm denn gesagt?«

Mit meinem Bein ziehe ich die Haustür hinter mir zu, nachdem ich den Schlüssel in meiner kleinen Tasche verstaut habe.

»Schön für dich. Sag du's mir«, lasse ich verlauten.

»Also viel mehr, als warten, kannst du jetzt eh nicht. Aber mal was anderes: Finn ist so gut gebaut, ich krieg mich nicht ein! Und sein Lörres erst! Lustiges Wort oder?«

Ich ermahne sie: »Sabi

»Lass das! Du weißt ganz genau, dass ich Spitznamen hasse. Bereite dich darauf vor schmerzvoll zu sterben, wenn wir uns das nächste Mal sehen!«, motzt mich die Brünette an.

»Das weiß ich doch. Deshalb habe ich es ja auch gesagt! Ich wollte gar nichts von seinem Lörres wissen. Du und Finn also. Schön, schön.«

-

Nachdem ich mich auf dem Hocker an der Bar niedergelassen habe, schlage ich meine Beine übereinander. Mit meinem schwarzen Kleid und dem Lippenstift komme ich mir dabei vor, wie in einem Film. Ich befürchte allerdings, dass ich nicht so aussehe.

Immer wieder fällt mir eine blonde Strähne ins Gesicht, sodass ich es irgendwann aufgebe, sie wegzuwischen.

Mein Blick fällt auf mein Handy. Estelle ist schon zehn Minuten zu spät.
So langsam beginne ich, mich wieder zu fragen, was das hier soll. Ich werde sowieso niemanden aufreißen. Will ich auch nicht. Bis jetzt ist das nur schief gegangen.

Ob man auch beste Freunde in einer Bar aufreißen kann? Wahrscheinlich eher nicht. Lustig wärs aber. Von wegen 'Hey, bin auf der Suche nach einem neuen besten Freund. Wollen wir Freunde sein?'.

Sehnlichst wünsche ich mir den Kindergarten zurück.

Ich nippe ein weiteres Mal an meiner Cola, die schon zur Hälfte leer ist. Mit aller Mühe versuche ich die Regeln einzuhalten. Wenn Estelle nicht bald kommt, dann erntet sie am Montag einen gewaltigen Arschtritt.

»Wer auch immer dich versetzt hat, ist ganz schön dämlich«, höre ich eine männliche Stimme hinter mir sagen. Doch kaum, dass ich mich umdrehen kann, sehe ich, dass sich jemand mit einer Kapuze neben mich setzt.

»Es gibt sicherlich bessere Pick Up Lines», lasse ich verlauten, bevor ich hinzufüge, »Außerdem bin ich weder interessiert, noch wurde ich versetzt.«

Falls Estelle noch kommen sollte.

»Wer sagt, dass das eine Pick Up Line war?«, gibt der Typ neben mir mit einem ämüsierten Lachen von sich. Ich verziehe mein Gesicht ein wenig. Arsch.

»Ihr Männer seid doch alle gleich«, erkläre ich, »Ihr wollt alle nur das eine.«

»Autsch. Da wurde wohl jemand verletzt.«

Am Liebsten würde ich ihm jetzt eine reinhauen. Was bildet er sich bitte ein?

»Stimmt nicht! Aber warum sonst hast du mich angesprochen?«, frage ich, um das Thema wieder auf etwas anderes zu lenken.

»Weil du hier schon seit fast zwanzig Minuten alleine an der Bar sitzt, mit nur einer Cola«, erklärt er. Bis jetzt hat er sich immer noch nicht zu mir gedreht. Ich würde nur zu gerne wissen, welches Gesicht sich hinter dem arroganten Getue verbirgt. Mit meiner Hand schiebe ich das Cola Glas ein wenig hin und her.

Pampig antworte ich:»Hast du eine Uhr verschluckt oder was?«

»Du bist mir eben aufgefallen. Wer geht schon alleine in eine Bar?«

Endlich dreht er seinen Kopf. Ich kann erkennen, dass er eine große Sonnenbrille trägt. Wow. Er rennt Nachts mit Kapuze und Sonnenbrille herum. Wohl gemerkt: In einer Bar. Wer ist er? Ein gesuchter Verbrecher? Ach warte, bei meinem Glück wahrscheinlich echt. Irgendeiner, der Frauen mit schlechten Anmachsprüchen in seine Wohnung lockt und dann ermordert.

»Typen, die Sonnenbrillen bei Nacht tragen«, antworte ich.

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12 rules [s.m.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt