𝒔𝒑𝒓𝒊𝒏𝒈 | »Don't text me when you're drunk«

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K A P I T E L || 74
{Emma Clark}

»Würdest du mich vielleicht endlich mal runterlassen oder hast du vor, mich den ganzen Abend durch die Gegend zu tragen?«, frage ich Shawn und klopfe ihm mit einer Hand auf den Rücken. Shawn, der sich gerade in einem angeregten Gespräch mit einem Typen von meiner Uni befindet, macht keine Anstalten mich wieder auf den Boden zu setzten. Ich verdrehe meine Augen. Wenn ich noch eine Minute länger dieses Geschwafel über Eishockey hören muss, dann ziehe ich ihm ganz sicher meine Handtasche über den Hinterkopf. In dem Moment, in dem ich das sage, klingelt diese. Genauer gesagt klingelt mein Handy, das sich darin befindet.

Schnell nehme ich den Anruf an, bevor ich mir überlege, dass es vermutlich nicht die beste Idee ist, betrunken mit meinem Freund zu telefonieren.

»Hallo Jack!«, zwitschere ich überschwänglich. In diesem Moment spüre ich endlich wieder den Boden unter meinen Füßen. Die Musik ist so laut, dass ich kaum etwas höre. Mit der freien Hand halte ich mir das andere Ohr zu und presse das Telefon noch dichter an meinen Kopf. Dann bewege ich mich auf den Ausgang zu, während ich höre, wie im Hintergrund Britney Spears' Stimme erklingt. Gegen alle Reflexe singe ich nicht bei Toxic mit, so wie ich es vermutlich normalerweise tun würde. Keine tolle Sängerin oder die Intelligenz in Person, aber eine Kultblondine. Außerdem kann sie tanzen, das muss man ihr wohl lassen.

Anstatt mich weiter in meine Gedanken zu vertiefen, versuche ich Jack zu zu hören.

»Bist du auf einer Party?«, höre ich ihn auch schon im nächsten Moment fragen. Ich bleibe im Türrahmen der Eingangshalle stehen und lehne mich an.

»Ja, die Erstis Party ist heute«, lalle ich etwas.

Jacks Seufzen dringt an mein Ohr: »Bist du betrunken?«

»Etwas, aber das passt schon«, antworte ich.

»Meine Freundin betrunken in Mitten lauter geiler Studenten. Na super. Du bist doch nicht etwa alleine da oder?«

Ohne, dass ich darüber nachdenke, was ich von mir gebe, rutscht mir heraus: »Nein, keine Sorge, Shawn ist ja hier"

»Oh natürlich. Dein Ex Freund, der dich immer noch liebt, ist bei dir und du kannst seinen Namen nicht einmal mehr gerade aussprechen. Jetzt bin ich wirklich beruhigt. Ich glaube es wäre besser, wenn wir morgen reden.«

Gerade, als ich dem etwas entgegensetzen möchte, merke ich, dass er schon längst aufgelegt hat. Das ist ja wirklich ganz toll. Resigniert lasse ich mein Handy sinken. In diesem Momet spüre ich, wie jemand seine Hand auf meine Schulter legt. Ich drehe mich langsam um und blicke in Shawns Gesicht.

»Ist alles-«, murmelt er, doch führt den Satz nicht zu Ende. Seine braunen Augen sehen mich eindringlich an. Anstatt zu fragen, was er sagen wollte sehe ich ihn einfach nur an. Meine Augen liegen auf seinen. Unsere Blicke treffen sich. Die Musik im Hintergrund dringt nur noch gedämpft zu uns rüber, während dream a little dream of me läuft.

»Ich muss nach Hause«, sage ich und drehe mich um. Langsam gehe ich auf den Ausgang zu. Einmal drehe ich mich noch einmal um.

Selbst wenn ich wollte, ich könnte das Gefühl, das in mir aufkommt, nicht beschreiben. Das Mondlicht scheint auf die Blätter des Ahornbaums, der vor dem Studentenwohnheims thront.

Schnell steige ich ein Taxi, das an dem Stand steht und gebe dem Fahrer meine Adresse. Meine Augen wandern aus dem Fenster heraus und im Augenwinkel sehe ich, wie Shawn die Glastür aufmacht und heraustritt. Er schaut in meine Richtung, doch wagt keinen Schritt, um mir näher zukommen.

Oh Gott, Jack. Jack, Jack, Jack.

-

Auf dem Weg zur Uni hätte ich mir beinahe meinen Kaffee übergeschüttet, wäre fast gegen eine Laterne gerannt und eine Taube hätte mich fast skalpiert. Dieses Ding hatte es auf mich abgesehen und wollte mich ganz sicher umbringen. Das nächste Mal, wenn mir jemand etwas über Tauben auf Hochzeiten erzählt, werde ich ihn wohl oder übel für verrückt erklären müssen. Das ist der pure Wahnsinn. Die Dinger sind geflügelte Ratten. Da macht es auch keinen Unterschied, ob sie weiß sind. Wie einst der Neffe von Betty Suarez sagte: Obwohl die Turnhalle geschmückt ist, ist es immer noch die Turnhalle. Als würde man ein Schwein schminken.

Was ist nur los mit mir? Habe ich heute meinen extrem tierfeindlichen Tag oder bin ich immer noch so aufgebracht wegen der Sache mit Shawn? Vielleicht beides. Nachdem Speckbagel heute morgen hätten jedoch die Schweine allen Grund mich zu hassen und nicht anders herum.

Egal, ob ich Gefahr laufe, gegen eine zweite Laterne zu laufen, ich muss Jack noch vor meiner Vorlesung erwischen. Nach gestern Abend habe ich ihn erst einmal in Ruhe gelassen. Nicht, dass es so lange gewesen wäre. Aber ihn ein zweites Mal betrunken anzurufen ist ganz sicherlich keine gute Idee.

Wieso er gestern auf einmal so eifersüchtig war, kann ich mir jedoch nicht erklären. Sonst vertraut er mir doch auch. Vielleicht habe ich ihn einfach genauso auf dem falschen Fuß erwischt, wie er mich. Das wird es wohl sein.

»Hey!«, gebe ich erfreut von mir, als ich Jacks Stimme höre.

»Es tut mir leid«, sagen Jack und ich gleichzeitig.

»Nein mir tut es leid«, sage ich, nur um festzustellen, dass wir schon wieder fast synchron ins Telefon sprechen. Aus Angst, dass aus dieser Sache noch eine endlose Schleife wird, mache ich eine kurze Pause.

In diesem Moment fängt Jack auch schon an: »Es tut mir leid, dass ich so schlecht drauf war gestern. Eifersüchtig sein ist eigentlich gar nicht meine Art. Ich hatte einen anstregenden Tag und außerdem gibt es da etwas, das ich dir sagen muss-«

Der bedrückte Ton in seiner Stimme lässt mich die Luft anhalten.

»Ich kann leider nicht mit dir zu der Hochzeit gehen. Es tut mir so unendlich leid. Doch wie es aussieht, muss ich leider noch länger hier bleiben. Du glaubst gar nicht, wie viel lieber ich bei dir wäre«, teilt er mir die Nachricht mit.

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12 rules [s.m.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt