𝒂𝒖𝒕𝒖𝒎𝒏 | »Menschlich«

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K A P I T E L || 18

{Emma Clark}

»Ich habe Sushi mitgebracht«, sagt
Shawn und hebt eine Tüte hoch, die er hinter seinem Rücken hervor holt. Meine Mundwinkel schieben sich zu einem Lächeln nach oben.

Trotzdem sage ich: »Du kannst doch nicht immer das Sushi kaufen, ich will auch etwas beitragen.«

»Ich glaube, dass ich mir das gerade so noch leisten kann«, lacht der Junge. Vermutlich hat er damit gar nicht so unrecht.

»Darum geht es nicht«, schmolle ich und mache einen Schritt zurück, sodass er an mir vorbei eintreten kann. Er kommt rein und ich mache die Tür zu.

»Das ist also deine Wohnung«, murmelt er vor sich hin, während er sich umsieht.

Schnell sage ich: »Ja, ich weiß, dass sie sehr klein ist...Aber ich bin eben kein super reicher Popstar, so wie du.«

»Ich finde sie schön.«

Er dreht sich zu mir um. Sein Zahnpasta Lächeln kommt zum Vorschein. Es ist schon ein wenig seltsam, dass Shawn Mendes in meiner Wohnung steht. Irgendwie surreal. Trotzdem verhält er sich so menschlich. Bei ihm fühle ich mich wohler, als bei den Meisten und das, obwohl ich ihn eigentlich gar nicht kenne.

»Danke.«, murmele ich und mache mich auf den Weg ins Wohnzimmer.

Ich deute auf die weiße Couch, die direkt vor dem Fernseher platziert ist. Shawn lässt sich mit einem Plumps fallen. Ich setze mich neben ihn. Dabei kann ich es nicht lassen, ihn anzusehen.

»Das ist schon seltsam«, rutscht es mir raus.

»Was? dass du mich anstarrst oder dass ich Shawn Mendes bin? Oder, dass wir den Deal durchziehen?«, fragt der Sänger, während er das Sushi auspackt. Augenblicklich schießt mir Blut in die Wangen.
Schnell schaue ich weg, um zu retten, was noch zu retten ist.

Doch dann lache ich ein wenig, ehe ich antworte: »Vermutlich ein bisschen von allem.«

Jetzt dreht er sich doch zu mir: »Ja, da hast du wohl recht.«

Er lacht auf, verstummt jedoch wieder. Sein Blick ruht auf mir, sodass mir ganz unwohl wird. Es ist nicht der typische Blick eines Frauenschwarms, sondern es liegt Ernsthaftigkeit drinnen.

»Vertrau mir, ich bin genauso wie du. Bitte behandele mich auch so. Genauso, wie du es getan hast, bevor du wusstest, wer ich bin. Denn was macht es für einen Unterschied? Ich bin immer noch dieselbe Person.«

Im ersten Moment weiß ich nicht, was ich darauf antworten soll. Er hat Recht. Das war mir zuvor klar und dennoch habe ich mich nicht so verhalten.

»Tut mir leid, du hast recht.«

Überrascht reißt er seine Augen auf.

»Das muss dir doch nicht leidtun. Ich wüsste nicht einmal was. Ich möchte nur, dass du dich bei mir wohlfühlst«, antwortet er dann.

»Es tut mir trotzdem leid.«

Sein charmantes Lachen, das im nächsten Moment erklingt, lässt mich schmunzeln.

»Was tut dir denn überhaupt leid?«, fragt er amüsiert.

»Ich weiß nicht«, gebe ich beschämt von mir. Dieses ganze 'ich bin nur ein normaler Mensch' Gefasel hat mich ganz durcheinandergebracht.

»Na eben.«

Unvorbereitet auf das, was als nächstes kommt, zucke ich zusammen, als er nach meinen Händen greift. Unweigerlich fällt mir auf, wie groß und warm sie sind.

Aus meinem Blick spricht wohl unglaubliche Verwirrung, denn das amüsierte Grinsen auf seinem Gesicht ist wieder da. Dann lässt er meine Hände los. Was Sinn dieser Aktion war, ist mir immer noch rätselhaft.

»Grand Hotel?«, frage ich, um die Situation zu retten. Dieser Abend kann witzig werden. Vermutlich war es eine schlechte Idee.

Theoretisch hocke ich gerade mit einem wildfremden Typen auf einer Couch in meiner Wohnung, in der Hoffnung, daraus entwickelt sich eine Freundschaft.

»Ich dachte schon, du fragst nie.«

Ich suche die Fernbedienung, die irgendwo unter den unzähligen Kissen auf meinem Sofa vergraben ist. Shawn und ich fassen im selben Moment danach, wodurch einer dieser seltsamen Momente entsteht, in denen wir kurz verweilen, aber dann peinlich berührt unsere Hände wegziehen. Ich wende meinen Blick ganz schnell nach Vorne auf meinen Fernseher und das darin rot aufflackernde Netflix Symbol. In Filmen wirken diese Momente so schrecklich erzwungen. Vermutlich, weil es zwischen den Protagonisten anfängt zu knistern. Bei mir und Shawn hingegen, gibt es kein Knistern oder Chemie. Ich schüttele meinen Kopf, während ich nach unten scrolle und auf Grand Hotel klicke. Alleine, dass ich darüber nachdenke, ist absurd.

Stattdessen widme ich mich ab jetzt meinem reizenden Julio.

»Worum geht es eigentlich?«, fragt Shawn, der im selben Moment nach dem Teller mit Sushi greift.

Ich denke kurz nach, wie ich es am Besten formuliere und antworte dann: »Es geht um Julio Olmedo, dessen Schwester in einem Luxushotel des 19. Jahrhunderts arbeitet. Als diese aufhört, Briefe an ihn zu schreiben, geht er davon aus, dass ihr etwas angetan wurde. Also macht er sich auf den Weg zu dem Hotel, um sich undercover als Kellner auf die Suche nach der Wahrheit zu machen. Dabei trifft er auf die Tochter der Hotelbesitzerin, Alicia Alárcon. Sie ist...«, ich unterbreche mich, »Eigentlich unwichtig, du wirst es gleich sehen. Schließlich will ich dir ja auch nicht alles verraten.«

»Ist das Julio?«

Shawn zeigt auf den Bildschirm, auf dem ein braunhaariger Junge erscheint. Ich nicke zufrieden.

Ich kann es mir nicht verkneifen, hin und wieder zu Shawn rüber zu linsen, um zu sehen, ob es ihm gefällt. Vor allem, als Kommissar Ayála auf die Bildfläche tritt. Er ist einfach so witzig. Er und sein trotteliger Angestellter, der einfach nichts begreift.

Ich merke immer mehr, wie meine Augen schwer werden. Bald kann ich nicht mehr gegen den Schlaf kämpfen. Meine Lider fallen zu, so schwer, wie sie sind. Unendlich schwer, wie Blei. Ich höre noch die Geräusche des Films, bis ich schließlich gar nichts mehr mitbekomme. Mein Traum ist komisch. Ich träume davon, mich an Shawn zu kuscheln. Jemand beginnt, mich an der Schulter zu rütteln. Nervig. Am Liebseten würde ich sagen, dass er mich in Ruhe lassen soll.

»Emma, ich sollte vielleicht lieber gehen, du scheinst müde zu sein«, sagt auf einmal der Traum-Shawn. Ich will nicht, dass er geht.

{18}

12 rules [s.m.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt