Kapitel 16 - Zack's Sicht -

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„Was ziehen wir überhaupt an?“,  fragte Liam mich und ließ sich auf mein Sofa fallen. Wie üblich streckte er seine Füße auf meinem Glastisch aus und sah suchend in meinem Zimmer nach Essen. Dabei blieb sein Blick an meinem Bett hängen, wo noch Julies Schal lag. Ich starrte ihn stumm an und wandte mich dann meinem Spiegel zu. Ich wusste, was jetzt kommt. Und tatsächlich fragte Liam: „Wieso liegt ihr Schal da?“

Ich kannte ihn einfach zu gut.

„Weil sie hier geschlafen hat?“, antwortete ich, während ich meine Haare richtete.

„Wieso hat sie hier geschlafen?“, fragte Liam erstaunt und setzte sich gerader hin.

Ich seufzte und drehte mich zu ihm. „Weil es spät war und sie vollkommen unter Schock stand. Ich konnte sie nicht mehr nach Hause schicken. Sie ist so müde gewesen.“

Liam musterte mich mit zusammengekniffenen Augen: „Lass das nicht Anna hören, Zack. Sie hasst Julie.“

„Ich weiß. Aber ich muss mich nicht für jede Kleinigkeit bei ihr rechtfertigen. Ich könnte Julie ficken und es hat Anna einen Scheiß zu interessieren.“, erklärte ich nur und schnappte mir meine Jacke. „Und jetzt komm.“

Nach einer Stunde waren wir aus London raus und fuhren geradewegs zu Nakita. Ich glaube, dass ist bisher die einfachste Aufgabe, die ich je hatte. Ich musste nicht kämpfen, einfach nur reden. Vielleicht noch etwas Tee trinken, aber mehr auch nicht. Liam saß mir gegenüber und starrte aus dem Fenster. Ich wusste, an wen er dachte. Sophia. Er liebte sie, hat sie schon immer geliebt. Ich verstand nicht, warum er ihr nicht endlich die Wahrheit sagte. Aber das war seine Sache, da mischte ich mich nicht ein. Ich war auch nicht ehrlich zu ihm. Wenn man Liam so ansah,  dass er Sophia liebte, konnte man dann mir ansehen, dass sich meine Gedanken einzig und allein um Julie drehten? Andererseits war er mein Parabtei, war mein Partner, ich kannte ihn besser als jeden anderen.

Als der Zug hielt, stiegen wir beide aus und liefen die Landstraße entlang. Gleich mussten wir abbiegen und kamen dann zu Nakitas Haus. Tatsächlich erschien nach wenigen Metern eine kleine Hütte, aus dem Schornstein kam Rauch. Nebel lag um das Häuschen und ich fand, dass es irgendwie niedlich aussah. Liam schien nicht meiner Meinung zu sein, denn er murrte: „Wieso muss die Alte auch immer so weit weg wohnen?!“

Ich schmunzelte. Das sollte Julie sehen. Das ich wirklich mal bessere Laune hatte als die Person bei mir.

Vor der Tür hielten wir kurz an, bevor ich klopfte. Keine Regung. Ich klopfte nochmal. Wieder keine Regung. Liam und ich grinsten uns breit an. Wir dachten genau dasselbe. Dann nahmen wir Anlauf und traten mit voller Wucht die Tür ein. Mit Staub übersät standen wir in einem sehr kleinen Wohnzimmer und starrten eine Frau an. Sie war klein, mit blonden Haaren die zu einem Dutt im Nacken zusammengebunden waren. Jeder dachte, Hexen wären alt und schrumpelig, doch die Frau war Ende 40 und hatte wenig Falten. Sie trug ein rotes, langes Kleid und eine Kette mit verschiedenen Zeichen drauf. Generell trug sie viel Schmuck, dicke Ohrringe und Armreifen. Sie war barfuß und musterte uns stumm, einen Zauberstab in der Hand.

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