Kapitel 3

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Ich lief die Treppe nach oben, stieß meine Tür auf und schmiss mich weinend auf mein Bett. Hemmungslos schluchzte ich in mein Kissen und achtete nicht darauf, dass meine Schminke verschmiert war oder der Bezug dreckig wurde. Ich weinte, ließ all die Tränen die sich den ganzen Tag angestaut hatten, heraus. Ich konnte nicht mehr. Das war mit Abstand der zweitschlimmste Tag in meinem Leben. Ich habe mir das alles viel leichter vorgestellt. Ich dachte, ich komme einfach in eine Klasse, die nett ist. Die mich vielleicht nicht von Anfang an mag, aber mich trotzdem akzeptiert. Aber nein, natürlich wurde ich gleich am ersten Tag dumm angemacht. Und morgen musste ich das Ganze ja nochmal durchstehen. Und übermorgen. Und überübermorgen und so weiter. Ich hasste diese Schule, diese Stadt und dieses Haus. Aber am allermeisten hasste ich meinen Dad, dafür das er mir so was antat. Ich konnte es einfach nicht verstehen, warum. Das ‚Warum‘ quälte mich schon seit Tagen, nein Wochen! Klar, Amy hat mich unterstützt und ich glaube auch, dass sie ein tolles Mädchen ist. Aber ob sie direkt eine Freundin werden wird, weiß ich nicht. Ich drehte mich auf die Seite.

„Julie? Es gibt essen.“, rief mein Dad von unten. Ich sah in den Spiegel gegenüber und erschrak. Ich sah schlimm aus mit roten, dicken Augen und verlaufener Schminke. Langsam stand ich auf und holte mir Abschminktücher. Meinen Dad, obwohl er mich wirklich aufregte, konnte ich nicht meine Sorgen und Probleme zeigen. Er sollte von alledem nichts mitbekommen – das konnte ich ihm nicht antun. Kurz bevor ich aus dem Zimmer ging, sah ich in den Spiegel. Man sah mir nicht mehr an, wie mitgenommen ich war. Und so sollte es auch bleiben. Ich atmete einmal tief ein und stieg dann die Treppe herunter.

-2 Wochen später- (4 Monate tot) 

„Was bestellst du dir?“, fragte Amy mich und sah mich aufmerksam an. Wir standen vor dem riesigen Essensplan und überlegten, was wir essen könnten. Es gab einfach viel zu viel Auswahl. Und ich konnte mich eh nicht gut entscheiden.

„Ich weiß es nicht. Du?“

„Ich glaube Nudeln. Aber ich mag die Soße dazu nicht so…und heute ist da wieder diese schrecklich unfreundliche Köchin.“, sagte sie mit einem Blick auf die Essensausgabe.

„Frag sie doch mal, vielleicht macht sie es ja so, dass sie die Soße für dich weglässt.“, schlug  ich ihr vor und entschied insgeheim, das gleiche wie sie zu wählen. Amy lachte mich an und zog mich mit zu den Tabletts.

Während wir uns an einen langen Tisch setzten, versuchte ich nicht den Blick zu Selena und Anna zu richten. Die Beiden waren seit meinem ersten Tag hier kein Stück netter und mobbten mich, wo sie nur konnten.
Seit ich hier war, habe ich so einige Sachen in Erfahrung gebracht: Anna und Selena gehörten mit zu den Beliebten. Selena war mit einem Jungen aus den oberen Stufen zusammen, er hieß Alex oder so und war mit der hübscheste Junge der Schule. Weitere Beliebte waren eine Lola, ein Leon und ein Zachary, den ich aber noch nie gesehen habe. Mit all diesen Leuten sollte man sich nicht anlegen, das wurde mir schon von Anfang an beigebracht.

Ich mied hier fast alle, blieb nur bei Amy und einer Sarah, die auch ganz nett und anscheinend eine Freundin von Amy war.

„…oder?“, riss sie mich aus meinen Gedanken.

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