1 - Plötzlich Vater?

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Jorge

Fassungslos sitze ich im Wohnzimmer. Gegenüber von mir die Frau, die mir vor Jahren das Herz gebrochen hat. Die mich eigentlich komplett entmannt hat mit ihrem Verhalten, immerhin hat sie mich für meinen Vater sitzengelassen.

"Willst du mich jetzt für immer anschweigen?", fragt sie, da ich sie weder begrüßt habe, noch sonst eine Konversation gestartet habe.

"Was willst du hier?", ist die einzige Frage, die ich an sie habe. Mich interessiert weder ihr Leben, noch das meines Vaters.

"Es gibt etwas dringendes, was ich mit dir besprechen muss."

"Und was? Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit Cande", brumme ich genervt.

Ich will zurück ins Bett. Zu meiner Verlobten. Jetzt.

"Du weißt das dein Vater gestorben ist?"

"Ja, das weiß ich und ob du es glaubst oder nicht, es ist mir vollkommen egal", werde ich etwas lauter.

"Du warst nicht auf seiner Beerdigung", merkt sie an und ich verdrehe die Augen. Ich hab schnell für mich entschieden, das ich nicht dorthin gehen werde.

"War er einmal hier? Hat er sich gefragt, was sein Sohn gerade macht? Nein, hat er nicht. Wir hatten beide miteinander abgeschlossen, ich hätte ihn auch nicht auf meiner Beerdigung gewollt."

So hart das auch klingt, ich empfinde keine Trauer wegen meinem Vater. Es ist mir gleichgültig. Mein Leben in Chile habe ich hinter mir gelassen, inklusive Cande und mein Vater.

Mein Vater war beliebt, Gimenéz war bei seiner Beerdigung und hat gesagt, das die Kirche voll war und eigentlich jeder kurz geredet hat. Scheinbar hat es keiner gewusst oder keinen gestört, das er seinem Sohn die Frau ausgespannt hat, die halb so alt ist, wie er.

"Bist du deshalb hier? Um mir Vorwürfe zu machen?", stehe ich auf, will sie schon rauswerfen, da ich mir ihr Gesicht nicht länger geben kann.

"Er ist dein Sohn."

"Nein, er war mein Vater", erwidere ich, irritiert von ihrer Aussage.

"Nein, ich meine, wir haben ein Kind zusammen."

"Ihr habt gesagt, ich bin nicht der Vater."

"Weil es die Sache einfacher gemacht hat, aber du bist der Vater, Jorge."

Während sie ihren Satz beendet hat, kam Valentina ins Wohnzimmer und hat es natürlich mitbekommen.

Klasse.

"Ich muss hier raus", murmle ich, gehe an Valu vorbei, ziehe mich noch schnell im Schlafzimmer fertig an und gehe dann. Ich brauche frische Luft, um irgendwie einen klaren Gedanken zu fassen.

Stundenlang laufe ich die Waldwege entlang, versuche darauf klarzukommen. Ich soll Vater sein? Das kann nicht sein. Nein. Ihre Antwort war eindeutig damals. Sie braucht jetzt einfach nur wieder jemanden, den sie wie Dreck behandeln und ausnutzen kann. Darauf werde ich mich nicht einlassen.

Zwischenzeitlich bekomme ich eine Nachricht von Valentina. Sie hat den Termin für die Location verschieben können und Cande ist mittlerweile auch schon fort.

Ich brauche allerdings noch ein bisschen Zeit, rede mir weiterhin ein, ich bin nicht der Vater, obwohl die Möglichkeit noch besteht, indem sie mir damals einfach dreist eine Lüge aufgetischt hat.

Nachdem ich den halben Tag durch den Wald getigert bin, laufe ich spontan zu meinem Onkel. Gimenéz weiß immer eine Lösung, hat immer einen guten Rat für mich.

Amor Al LímiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt