16 - Am Grab

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Ein seltsames Gefühl breitet sich in mir aus, als wir das Elternhaus von Cande betreten. Es hat sich nicht groß verändert, seitdem ich vor Ewigkeiten das letzte Mal hier war, zumindest was ich so sehe gerade.

"Sind deine Eltern Zuhause?" frage ich, folge Cande währenddessen die Treppen nach oben. 

"Nein, Hochzeitsreise. Zwei Wochen Bali."

"Es ist schön, das sie immernoch glücklich miteinander sind."

Martha und Victor sind tolle Schwiegereltern gewesen, ich gönne es ihnen, dass sie auf ewig zusammen bleiben. 

"Ja, da kann man richtig neidisch werden", dreht sie sich am Ende der Treppe kurz zu mir um, wir lächeln einander an.

"Du kannst im Gästezimmer schlafen, meine Mamá hat extra alles noch vorbereitet, damit es dir an nichts fehlt", öffnet sie die Zimmertür und wir machen einen Schritt hinein. Candelaria übertreibt mit ihrer Aussage nicht mal. Sogar meine Lieblingsschokolade liegt mit einer Schleife verpackt auf dem Kopfkissen. 

"Sag deiner Mamá ganz lieben Dank und viele Grüße, ich werde mich irgendwann mal revanchieren."

"Mache ich. Brauchst du einen Rundgang oder weißt du noch, wo alles ist?"

"Eine kleine Gedächtnisauffrischung wäre nett", erwidere ich ihr kleines Lächeln, stelle meine Reisetasche auf dem Boden ab und folge ihr durchs Haus. Tatsächlich haben sich nur mal ein paar Möbel oder Farben an der Wand geändert, ansonsten ist alles gleichgeblieben. 

"Also ich bin ziemlich kaputt, würde mich gleich fertig machen und dann hinlegen. Wollen wir morgen um 9 frühstücken und danach los?", fragt Cande mich nach der Haustour, lehnt am Türrahmen ihres alten Zimmers. Es hat zwar nicht mehr viel von ihr, aber der symbolische Wert ist da.

"Klingt super, können wir so machen", stimme ich zu und dann geht jeder in sein Zimmer. 

Meine Reisetasche räume ich nur provisorisch aus, immerhin geht es übermorgen Mittag schon wieder nach Hause. Als mir Valentinas Shirt in die Hände fällt, setze ich mich erstmal aufs Bett, rieche kurz daran. Es riecht nach ihr. Schlagartig vermisse ich sie. Auf meinem Handy ist aber kein Lebenszeichen von ihr zu sehen, also probiere ich es einfach mal. Mehrmals versuche ich sie zu erreichen, vergebens. 

"Dann eben nicht", brumme ich, lasse mich mit dem Rücken aufs Bett fallen, starre an die Decke. Ich hasse es, mich mit Valentina zu streiten, aber noch mehr hasse ich ihre Sturheit.

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Viel Schlaf habe ich nicht bekommen. Ständig bin ich aufgewacht. Meine Gedanken kreisen um Valentina, meinem Vater, Leo. Aktuell geht viel zu viel in meinem Leben vor sich und so langsam muss ich mich wieder auf die wichtigen Dinge konzentrieren.

Valentina hat sich immernoch nicht gemeldet. Langsam mache ich mir Sorgen. Vielleicht ist etwas passiert. Ich nehme mir mein Handy und beschließe Karol zu schreiben, hoffentlich weiß sie mehr. Während ich schreibe, gehe ich ins Badezimmer, wo ich auf Candelaria treffe, die nichts weiter außer ein Handtuch trägt. Ein paar Wassertropfen sind auf ihrem Körper zu sehen, ihre Haare sind zu einem Pferdeschwanz zusammengemacht. Sie ist eine Schönheit, war sie immer. 

"Sorry, ich warte bis du fertig bist", will ich schon wieder zur Tür raus, doch sie winkt mich rein. 

"Wir haben uns schon mit wesentlich weniger Kleidung am Körper gesehen, entspann dich."

"Solange du Valentina am besten nichtmal sagst, das wir miteinander reden."

"Bin ich ihr wirklich so ein Dorn im Auge?", blickt Cande mich durch den Spiegel an, während ich mich mit meinem Zahnputzzeug neben sie geselle.

Amor Al LímiteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt