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Wir sind nur noch ein paar Schritte von der Absperrung entfernt wo sich unsere Wege trennen werden.
Schritt für Schritt kommen wir ihr immer näher und näher.
Meine Beine fühlen sich bei jedem Schritt immer schwerer an und ein unschönes Gefühl macht sich in mir breit. Am liebsten würde ich meine Eltern einfach wieder aus dem Gebäude schleifen, mit ihnen Nachhause fahren und so leben wie früher. Aber das geht nicht und das muss ich akzeptieren, für das Wohl meiner Eltern. Es geht hier nicht um mich sondern um die wichtigsten Menschen in meinem Leben und deshalb werde ich ihre Entscheidung schweren Herzens akzeptieren und sie gehen lassen auch wenn ich es nicht möchte...

Wir sind schließlich an dem Eingang zur sicherheitskontrolle angekommen. Meine Eltern stellen sich mir gegenüber, doch ich schaffe es nicht ihnen in die Augen zu sehen.
Ich will sie nicht gehen lassen...

Ich sehe zu Boden und versuche irgendwie zu verhindern das Tränen meine Augen verlassen, doch ich scheitere. Nach ein paar Sekunden ist mein ganzes Gesicht Tränen überströmt und ich muss schluchzen. Meine Eltern treten näher an mich heran und nehmen mich in ihre Arme, wo ich schließlich komplett meine Fassung verliere und anfange bitterlich zu weinen. Zu groß ist der Schmerz sie gehen zu lassen und zu groß ist die Angst alleine zu sein.
Mein kompletter Körper beginnt zu zittern und ich Kralle mich immer mehr an meine Eltern. Immer wieder verlässt ein wimmern und ein schluchzen meinen Mund und mein Atem wird immer unregelmäßiger.
Meine Mutter streicht mir über meine Haare und meinen Rücken um mich zu beruhigen.

Wir stehen nun schon einige Minuten in dieser Position und ich versuche jede Sekunde in vollen Zügen zu genießen und auszukosten.

Das ist einer dieser Momente in denen man die Zeit anhalten möchte. Ich inhalieren förmlich den bekannten Geruch meiner Eltern um mir diesen genau einzuprägen. Ich versuche ihren Geruch und ihre Körperwärne in jede einzelne Körperteile aufzunehmen, denn bald trenne uns mehr als 7.000 Kilometer.

Eine laute Durchsage aus einem der großen Lautsprecher unterbricht unseren gemeinsamen Moment.

"Alle Passagiere des Fluges 2365 nach Florida USA bitte zum Gate 3. Das Boarding beginnt in einigen Minuten."

Diese technische grelle Stimme zieht mich nur noch mehr runter und lässt meine Trauer nur noch größer werden.

"W-Wir müssen jetzt gehen Schatz" sagt meine Mutter leise mit zittriger Stimme. Zögernd und schweren Herzens lasse ich sie los und sehe meinem Vater und meiner Mutter ein letztes Mal in die Augen. 

"I-Ich werde euch s-so v-v-vermissen" kriege ich gerade so raus, wenn auch nur sehr leise.

"Wir dich auch Prinzessin"sagt mein Vater.

Ein letztes mal nehme ich meinen Vater, wie auch meine Mutter in den Arm, drücke sie fest an mich und drücke ihnen einen Kuss auf. Als ich schließlich auch meine Mutter los lasse, nehmen sie ihre Taschen in die Hand, drehen sich um und gehen in die Richtung der Sicherheitskontrolle. Zittrig stehe ich hier und muss zu sehen, wie meine Eltern sich immer weiter von mir entfernen. Ich spiele mit dem Gedanken, ihnen einfach hinterher zu rennen und sie anzuflehen hier zu bleiben, aber das geht nicht.... Sie haben ihre Entscheidung getroffen und die muss und werde ich akzeptieren. Ich bin ihre Tochter und ich möchte das es ihnen gut geht und das sie glücklich sind und das können sie nur, wenn sie einen Neuanfang riskieren.

Ein letztes Mal drehen sich meine Eltern um, winken mir mit Tränen in den Augen noch einmal zu, bevor sie durch die Glastür schreiten und aus meinem Blickfeld verschwinden.

Wie versteinert stehe ich nun mitten in der riesigen Eingangshalle des Flughafens und weiß nicht, was ich tun oder fühlen soll. Meine Eltern sind gegangen. Still laufen mir Tränen über mein Gesicht. Ich fixiere die riesige Anzeigetafel, die in der Mitte der Halle hängt und alle anstehenden Flüge zeigt.
Ich suche den Flug meiner Eltern.
Hier.
Flug 2365 nach Florida.
Start in 10 Minuten.
Ich fokussieren mich nur auf diese Anzeige und sehe zu, wie die Zahl der Minuten immer weniger werden. Wie im Flug sind 9 Minuten vergangen.
Die letzte Minute, in der meine Eltern noch hier bei mir sind, ist angebrochen.
Ich sehe auf eine Uhr, die neben der Tafel hängt und fokussiere mich nur auf den Sekundenzeiger.
Bitte bleib stehen.
Bitte.

𝙸𝚗 𝚕𝚘𝚟𝚎 𝚠𝚒𝚝𝚑 𝚊 𝚜𝚝𝚛𝚊𝚗𝚐𝚎𝚛   [ ʲᵘⁿᵍᵏᵒᵒᵏ ˣ ʳᵉᵃᵈᵉʳ ᶠᶠ]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt