Eine dieser Nächte

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Er rauchte. Ich nicht. Er trank eine Cola. Ich ein Bier. Diesmal war er Fahrer. Wir hatten uns zufällig auf der Hausparty getroffen. Ich ging viel zu häufig auf solche Partys.

Seine Lippen umschlossen seine Zigarette. Wie immer sah er dabei so verdammt gut aus. Ich schenkte ihm ein Lächeln, als sich unsere Blicke trafen.

„Willst du später mit zu mir?", fragte er und fuhr mit der Hand über den Stoff meiner Jeans.

„Hm... das entscheide ich spanton."

„Oh mein Gott... es heißt immer noch spontan!", lachte er.

Ich hielt mir die kalte Bierflache gegen meine Stirn. „Das ist mir schon wieder zu hoch hier."

Ursus musste nur noch mehr lachen. Seine Lache war nicht sonderlich schön. Aber sie erreichte mein Herz und sie würde mir niemals auf die Nerven gehen.

Ich betrachtete ihn. „Willst du irgendwann mal heiraten? Kinder bekommen?"

Er machte es sich etwas gemütlicher und richtete seinen Elbsegler. „Also Kinder hätte ich schon gern. Ob ich heirate oder nicht hängt dann allerdings auch von der Meinung meiner Partnerin oder meines Partners ab. Das Kinder haben natürlich auch. Aber ein Kind wäre schon echt toll." Er nahm einen Schluck aus der Coladose. „Wie sieht's bei dir aus?"

„Ich bin irgendwie total anti...", gestand ich. „Ich kann mir nicht vorstellen, jemals zu heiraten. Egal wie perfekt meine Beziehung ist. Ich muss nicht mit einem Stück Papier beweisen, dass wir zusammen gehören. Oder mit einem Ring. Ich brauch keine fette Party oder sonstiges. Ich kann nicht mal genau sagen, wieso ich da so krass abgeneigt bin. Natürlich hab ich nichts dagegen, wenn andere gerne heiraten wollen. Ich kann es mir nur nicht für mich selbst vorstellen."

Ursus drückte seine Zigarette aus und schob die kleine Metalldose wieder in seine Hosentasche. „Und Kinder?"

„Ich glaub, ich wäre eher ein guter Onkel. Aber kein guter Vater." Ich fuhr mir durchs Haar und sah an die Zimmerdecke. „Außerdem hab ich Sorge, dass ich den Kindern nicht das Leben bieten könnte, was gut für sie wäre. Einerseits weil meine Berufsvorstellungen nicht so einfach sind und anderseits... Na ja ich weiß nicht genau, was meine Krankheit noch aus mir macht. Und wie schnell. Da kommt einfach vieles zusammen, weißt du?"

Er nickte. „Verständlich irgendwie. Und du wärst garantiert ein cooler Onkel." Er schmunzelte.

„Und du ein ziemlich cooler Dad. Und ein noch coolerer Lehrer!"

Er lachte. „Das wird man sehen."

Ich konnte nicht sagen, wie lang wir in der Wanne saßen und redeten. Wir redeten viel. Über die Zukunft. Die Vergangenheit. Die Gegenwart. Ich erzählte ihm von meiner Krankheit und wieso ich es ihm nicht vorher erzählt hatte. Er verstand meine Sorgen, nahm sie mir, weil er so unglaublich süß reagierte. Ursus hatte mir gesagt, dass er immer für mich da sein würde, wenn ich es wollte. Solang alles gut zwischen uns war, würde er sofort da sein, wenn ich ihm sage, dass ich ihn brauche. Er war ein wirklich wertvoller Schatz, einer der besten Freunde, die ich je hatte. Ein echter Freund. Er versprach, dass meine Krankheit nichts zwischen uns verändern würde.

Wir machten rum in diesem fremden Badezimmer. Wir redeten. Knutschten. Redeten wieder.

Er erzählte, von den unzähligen Prügeleien. Des Öfteren hatte ich ihn schon mit einem blauen Auge oder aufgeplatzten Lippen gesehen. Damals war er sogar für einige Zeit von der Schule geflogen, weil er sich mit einem Typen geschlagen hatte.

Yps kam ins Bad und meinte, er wollte heim gehen. Mein bester Freund ging ohne mich, weil ich noch etwas bleiben wollte. Auf der Party. Bei Ursus. Ich wollte nicht, dass dieser schöne Abend ohne ihn endete.

Der Mann in der Badewanne erzählte von seinem Opa und meinte, dass ich ihn endlich kennen lernen sollte. Schließlich kannten wir uns nun bereits eine gute Weile. Wir planten einen Roadtrip, der nie stattfinden würde. Wir rätselten, wie viele Löcher ein Strohhalm hatte und philosophierten über so einige belanglose Dinge.

Spät in der Nacht fuhr ich mit zu ihm, nachdem er seine Freunde heil Zuhause abgeladen hatte. Wir bestellten Pizza, redeten, lachten, fickten, kuschelten. Mein Hals war trocken vom vielen Reden. Die Stimme rau. Aber ich liebte das Gefühl. Es war als hätte ich auf einem Konzert laut mitgesungen, gefeiert. Das Gefühl war genauso gut.

Ursus [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt