Ursus

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„Er heißt Chris?"

„Ja."

„Hä? Ich dachte, er heißt Ursus!"

„Nein, sein richtiger Name ist Chris."

„Und wieso kenne ich den Namen meines Onkels nicht?"

„Du hast es ja nie hinterfragt."

„Bis jetzt!"

„Also hinterfragst du es jetzt?"

„In der Tat! Wieso nennst du ihn Ursus, wenn er eigentlich Chris heißt?"

„Ein Spitzname?"

„Aber das hat ja überhaupt nichts mit seinem Namen zu tun?"

„Muss es ja auch nicht."

„Also, Mika, wieso nennst du ihn Ursus? Was bedeutet das überhaupt?"

„Ursus ist lateinisch. Es bedeutet Bär."

„Deswegen der Bär an deiner Kette... Aber wieso Bär?"

„Weißt du, vom ersten Moment an, hatte ich dieses sichere Gefühl in seiner Nähe. Egal was für ein Idiot er war. Er wirkte so stark auf mich. Ich hatte immer das Gefühl, dass er mich vor allem beschützen würde. Vor allen dunklen Gedanken. Vor Einsamkeit. Vor anderen, die mir wehtun wollen. Vor mir selbst, wenn ich mir selbst wehtue. Er würde seine starken Arme um mich legen wie ein Schutzschild. Mich behüten. Wie ein... wie ein starker Bär."

„Was würdest du jemandem erzählen, wenn du gefragt wirst, was er für ein Mensch ist?"

„Oh Gott... Ursus... Er ist wie der Strandabschnitt, der der schönste an der ganzen Küste ist. Dort ist aber nichts los, weil niemand von diesem Teil des Strandes weiß. Ein Geheimtipp. Ursus ist ein Mensch, an dem man vorbeiläuft, ohne ihn zu bemerken. Aber wenn man ihn einmal gesehen hat, kann man ihn nicht mehr vergessen. So ging es jedenfalls mir. Hätte man mich damals gefragt, was ich an einem Menschen attraktiv finde, hätte ich keines seiner Merkmale aufgezählt. Ich weiß bis heute nicht, wieso ich genau diesen Menschen so abgöttisch liebe. Weißt du, er hat immer diese Mütze getragen, die so unglaublich süß an ihm aussieht. Niemand anderem steht diese Mütze so wie ihm. Seine Haare waren immer eine Ahnung zu lang und völlig wild und er tat nichts dagegen. Ihn hat es nicht interessiert, wenn sein Shirt schon seit zwei Tagen Flecken vom Essen hatte, er trug es trotzdem. Und dann seine Jeanshose. Ich glaub, er würde die Hose immer noch tragen. Er hat sie viel zu selten gewaschen und irgendwann sah sie so abgeranzt aus. Wenn er gestresst ist, raucht er viel mehr als sonst, aber bei ihm fand ich es nie abstoßend. Ich hab ihm immer gern zugesehen beim Rauchen und ihm zugehört beim Vorlesen. Ich höre so gerne seine Stimme, auch wenn ich mit den meisten seiner Bücher nichts anfangen konnte. Seine Wohnungen glichen immer einer halben Bücherei. Zum Lesen muss er eine Brille tragen. Das fand ich damals schon unglaublich süß..."

„Hatte er seinen Pick-Up damals auch schon?"

„Oh mein Gott! Die alte Dame, war immer an seiner Seite. Hilfe... ein Silvester hat es so sehr geschneit, dass wir es in seinem Auto verbracht haben... Aber das war wohl das schöne Neujahrsfest meines Lebens. Genau wie die Partys, zu denen wir während unseres Studiums gegangen sind. Wir saßen irgendwann immer in fremden Badewannen und haben philosophiert. Bier getrunken. Immer ein wenig zu viel. Wir haben uns auf so einer Party das erste mal geküsst."

„Welches Bild kommt dir als erstes in den Sinn, wenn du ganz zufällig an ihn denkst?"

„Ich sehe ihn in dieser abgeranzten Jeans und barfuß durch seine Wohnung tanzen. Zur Musik, die schon alt war, als wir studiert haben. Eine Zigarette in der Hand. Er konnte noch nie im Takt der Musik tanzen, als hätte er seine eigene Melodie im Kopf. Seinen Elbsegler auf dem Kopf, bewegt er sich so undefinierbar zu seinem Lieblingslied und lächelt so unbeschwert, wie er es eben tut, egal wie sehr die Welt zusammenbricht."

„Du liebst ihn wirklich, oder?"

„Wäre ich mit Worten so geschickt wie er, würde ich mir ein neues unglaubliches Wort für diese Gefühle ausdenken, die ich für ihn fühle. Denn sie sind unbeschreiblich. Er hält mein Herz in seinen warmen Händen, reißt es mir dabei aber nicht aus der Brust. Er ist so unperfekt mit all seinen Macken, die ihn liebenswerter machen als jeden anderen in diesem Universum. In meinen Augen ist er das reinste Wesen, das ich je kennenlernen durfte. Er überwältigt mich immer wieder... Ich weiß nicht, ob es einen Gott gibt oder eine höhere Kraft oder Schicksal. Aber ich bin so glücklich, dass unsere Wege uns sogar zweimal zusammengeführt haben. Und solang wir einander festhalten wollen und es uns glücklich macht, zusammen zu sein, werde ich mich von ihm bis ans Ende der Welt tragen lassen. Und wer weiß? Vielleicht auch bis in alle Unendlichkeiten..."

-Ende-






Vielen vielen Dank an alle, die diese Story lesen und dafür voten und kommentieren. Ich lese jedes Kommentar wirklich gerne und freue mich, dass die Story so vielen gefällt. Danke, dass ihr dabei geblieben seid, obwohl ich so unzuverlässig bin mit den neuen Kapiteln. Diese Story bedeutet mir sehr viel, weil sie reihenweise persönliche Dinge beinhaltet und dennoch völlig für sich steht. Sie geht wohl nicht so in die Tiefe mit den Dingen, die passieren. Aber ich glaube, hier geht es mehr um die Protagonisten und ihre Gefühle zueinander.

Also nochmal vielen Dank und weiterhin viel Freude beim Lesen ✨

Übrigens: Ich hätte Lust eine WhatsApp Gruppe zu eröffnen. Wer Interesse hätte, kann sich ja gerne bei mir melden [Juli 2021]

Ursus [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt