Vielleicht

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„Wenn du so weiter machst, hängt dir die ganze Schokolade gleich im Schal." Ursus legte seinen Crêpe weg und half Mari-Lu den flauschigen Schal zu bändigen. „So sollte es besser gehen."

Die Kleine Blondine grinste meinen Freund breit an. Mari-Lu war inzwischen fünf Jahre alt. Yannik und meine Schwester hatten eine wundervolle Tochter. Sie war ein wahrer Sonnenschein. Manchmal ertappte ich mich tatsächlich bei dem Gedanken, wie es wäre, selbst Kinder zu haben, wenn ich viel Zeit mit ihr verbracht hatte.

Ursus richtete den Stoffaffen, der in seiner Jacke steckte. Ich hatte ihn beim Armbrustschießen ergattert und musste sagen, dass ihm das Äffchen wirklich gut stand. Das hatte er allerdings nicht auf dich sitzen lassen, sodass ich mit einem großen Plüschteddy durch die Gegend eierte. Er war rosa. Und hieß Susi.

„Ich liebe den Jahrmarkt! Können wir nächstes Jahr wieder her?" Das Mädchen wischte sich die Schokolade vom Mund.

„Natürlich! Das wird jetzt unsere Tradition", meinte ich grinsend zu meiner Nichte, die jubelnd die Arme ich die Luft warf. Es fühlte sich ein wenig an wie eine eigene kleine Familie. Als ich Mari-Lu das erste Mal auf den Armen gehalten hatte, war sie noch so winzig gewesen. Unglaublich, ich hatte sogar angefangen zu weinen, dabei war sie nicht einmal meine eigene Tochter.

Ich rieb meine kalten Hände aneinander.

„Frierst du?" Chris hockte sich vor meinen Rollstuhl.

„Kalte Hände..."

Er umschloss meine gefrorenen Finger und rieb sie sanft warm. „Weißt du... mir kam so ein Gedanke..."

Ich sah auf unsere Hände. „Der da wäre?"

Er zögerte. „Na ja... also ich weiß ja, dass du nicht heiraten willst." Ursus zupfte nervös meinen Ärmel zurecht. „Aber wie wäre es mit etwas ähnlichem? Vielleicht... keine Ahnung. Vielleicht könnten wir sowas wie ein Symbol haben, dass wir beide zusammen gehören. Also einfach nur was kleines. Nur für uns zwei... Auf dass es vielleicht bis in alle Ewigkeiten ein Band zwischen unseren Seelen knüpft."

Nun nahm ich seine Hände in meine, küsste seine Fingerknöchel. „Ist dir eigentlich klar, wie unglaublich süß du bist?" Mir war so schrecklich warm geworden, dass ich hätte meine Jacke ausziehen können.

Dank der Beleuchtung der Fressbuden, konnte ich die Röte erkennen, die ihm ins Gesicht stieg. „Also...?"

„Ich liebe deinen Gedanken. Ich liebe all deine Gedanken!" Ich beugte mich zu ihm runter, küsste ihn liebevoll. Susi wurde zwischen uns eingequetscht. Das war mir allerdings sehr egal. „Hast du dir denn schon überlegt, was dieses... Symbol sein soll?"

„Ehrlich gesagt... hab ich schon etwas besorgt..." Er grinste mich schief an, was mich zum Lachen brachte. Etwas umständlich fischte er eine Schachtel aus der Innentasche seiner Jacke. „Ich weiß ja, dass du keine Ringe magst. Aber wie steht's damit?" Er öffnete die Schachtel. Zum Vorschein kamen zwei Kettenanhänger. Sie waren ganz klein. Ein hölzerner Bär und ein goldener Affe. „Mari-Lu hat mir beim aussuchen geholfen." Das Mädchen lehnte sich grinsend an ihren Onkel.

„Die sind... perfekt...", stieß ich hervor.

„Bindet sie um", forderte die Kleine uns auf. Da wir ihr wohl aber zu lange brauchten, nahm sie die Ketten selbst aus der Schachtel und band jedem von uns eine um den Hals. Ursus den goldenen Affen und mir den hölzernen Bären.

„Ich möchte nicht, dass diese Ketten ein Versprechen symbolisieren." Der Mann vor mir, streichelte meine Wange. „Denn ich weiß nicht, ob wir beide uns an ein solch großes Versprechen halten könnten. Aber wie wäre es mit einem Vielleicht? Vielleicht bedeutet es, dass wir für immer füreinander bestimmt sind. Vielleicht werden wir alt und schrumpelig in unserem Haus sitzen. Vielleicht werden wir gemeinsam sterben, in ewiger Liebe zueinander. Vielleicht finden wir uns im nächsten Leben wieder."

„Hör auf, ich heul doch schon!", schniefte ich und drückte ihm den rosa Teddy ins Gesicht.

„Also nimmst du mein Vielleicht an?"

Ich nickte und zog ihn in einen Kuss.

Vielleicht bis in alle Ewigkeiten...

Ursus [boyxboy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt