30. Verlorene Zeit

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Es war ein schöner Nachmittag gewesen. Zu diesem Schluss kam Eragon als er seine Drachendame, die am Rand des Nachtlagers lag, bei der Schuppenpflege unterstützte. Längst war Saphira zu groß als das ihr Reiter ihr komplettes Schuppenkleid hätte pflegen können. Außerdem bevorzugte die stolze Drachendame es sowieso selbst Hand anzulegen um ihren hohen Erwartungen die eigene Person betreffend Rechnung zu tragen. Es gab jedoch ein paar Stellen an ihrem Körper die für Eragons treue Begleiterin ein wenig schwer zu erreichen waren und ihr Reiter half ihr in diesen Fällen gern.
Nach all ihren gemeinsamen Jahren ließen die Handgriffe für den Anführer der Reiter regelrecht mechanisch ab und er konnte in Gedanken noch einmal den Nachmittag genießen den er mit seiner Gefährtin, seiner Tochter und seinen beiden Neffen im Buckel verbracht hatte.
Der Nachmittag war angefüllt gewesen mit ausgelassenem Kinderlachen. Brom und Garrow waren zwar ein paar Jahre älter als Marlena aber die junge Halbling konnte dank ihres elfischen Erbes mit den Beiden mitthalten. Nicht nur hatte sich Katrina als Köchin überboten und den Picknickkorb wirklich reichlich bestückt, sondern auch die Schwimmkünste seiner Tochter waren für Eragon denkwürdig gewesen. Besonders ein Spiel hatte Marlena besonders viel Spaß gemacht. Das gewitzte Mädchen hatte entdeckt, dass einer der Felsen am Flussufer nicht nur eine sehr glatt geschliffenen Oberfläche hatte sondern auch perfekt als Rutsche ins kühle Nass geeignet war. Immer wieder hatte sie, gemeinsam mit ihren Spielkameraden daraufhin den Felsen erklommen und sich ins Wasser hinabgleiten lassen. Auch Eragon und Arya waren nicht umhin gekommen die Entdeckung ihrer Tochter, auch Marlenas nachdrücklich vorgetragenen Bitte hin, auszuprobieren.
Müde war die Gruppe am Abend zum Herrenhaus der gräflichen Familie zurückgekehrt. Brom und Garrow hatten sich noch selbst in ihre Betten schleppen können aber Marlena war auf dem Rückflug einfach auf Saphiras Rücken eingeschlafen.
Die blaue Drachendame hatte darauf mit wohlwollendem Spott reagiert. Sie hatte ihren Reiter darauf hingewiesen, dass sein Küken schon auf ihrem Rücken geschlafen hätte als es noch kein Wort sprach und nicht einmal Zähne hatte.
Leider hatten ernste neue Nachrichten auf die beiden Drachenreiter gewartet. Ein Schreiben des Elfenkönigs Maranus teilte ihnen mit, dass die Nachforschungen ergeben hätten, das Tialva und Bloedgram tatsächlich Eltern eines Kindes waren. Es handelte sich um einen Jungen die er inzwischen bereits seinen 14 Sommer gesehen hatte.
Arya und Eragon hatten daraufhin gemeinsam beschlossen, keine weitere Zeit zu verlieren und sich direkt auf die Such nach Tialva zu machen um sie über die Lage zu informieren. Je mehr Zeit sie zur Verfügung hatten, desto gründlicher konnten sie sich auf die Begegnung mit Bloedgram vorbereiten.
Eragon beendete die Pflege von Saphiras Schuppen und blickte über das Lagerfeuer hinweg zu seiner Gefährtin. Mit stillem, nachdenklichen Gesicht saß die Elfe an die Flanke ihres Drachens gelehnt. Sie hatten ihr Lager am Rand von Du Weldenvarden aufgeschlagen. Ihr Feuer tauchte die sandige Lichtung in ein angenehmes Zwielicht und das Schuppenkleid der beiden Drachen funkelte geheimnisvoll im Widerschein der Flammen. Fíernen schnarchte bereits leise vor sich hin und Eragon beschloss herauszufinden was Arya offensichtlich bewegte. Immer wieder hob die Elfe etwas vom feinen Sand des Bodens auf und ließ die feinen Körner durch ihre Finger gleiten.
Saphiras Reiter ging zu ihr herüber und als er Anstalten machte sich neben die Elfe zu setzen und sich ebenfalls an die Flanke ihres grünen Seelenbruders zu lehnen ließ die blaue Drachendame sich vernehmen:
- "Wirst du mir etwa ungetreue Kleiner?" -
Eragon stutzte zunächst und ergründete ob seine treue Begleiterin wirklich beleidigt war. Die Welle von Belustigung die er empfing zerstreute seine Sorgen jedoch. Die blaue Drachendame hatte ihn nur etwas necken wollen. Trotzdem ließ es sich Eragon nicht nehmen ihr eine klare Antwort zu geben. Er übermittelte ihr das Gefühl von tiefer Zuneigung, welches er für sie empfand und die felsenfeste Überzeugung, dass niemand sie ersetzen könnte.
Saphira summte daraufhin zufrieden, legte sich bequem hin und schlossen ihre Augen um ebenfalls zu schlafen.
Für eine Weile hielt Stille Einzug auf der Lichtung. Eragon beobachtete wie Arya sich mit den Sand beschäftigte stellte dann aber schließlich eine Frage:
"Was beschäftigt dich?"
"Der Lauf der Zeit." erwiderte Arya mit einem flüstern, dass an einen satten Windhauch erinnerte, die durch das Blätterdach eines Baumes strich.
Wieder herrschte Schweigen doch Eragon durchbrach es diesmal nicht. Er hatte das Gefühl, dass Arya noch nicht fertig war mit ihren Ausführungen und ließ sie in Ruhe ihre Gedanken sammeln.
"Jeder Moment ist so kostbar. Warum vergessen wir immer sie angemessen zu würdigen. Nimm unseren Ausflug mit Marlena zum Beispiel. Sie wächst so schnell, dass man fast dabei zusehen kann. Wie lange glaubst du wird sie noch so unbeschwert herumtoben?"
"Ich hoffe noch einige Jahre. erwiderte Saphiras Reiter, stellte aber fest, dass der Gedanke auch für ihn etwas bittersüßes hatte. Natürlich freute es ihn wenn Marlena morgens stolz in die Küche gestürmt kam um zu verkünden, dass ihre wöchentliche Messungen ergeben hätte, dass sie schon wieder ein Stück gewachsen war. Anschließend forderte das kleine Mädchen, dass ihre Eltern mit ihr zur Tür ihres Zimmers gingen um sofort das neue Ergebnis mit einem weißen Strich am Holz des Türrahmens zu verewigen. Es waren inzwischen einige Striche.
Nach einigen Augenblicken begriff Eragon was Arya auf dieses Thema gebracht hatte.
"Es wird nicht leicht sein für Tialva und Bloedgram. Ihr Sohn ist bereits 14 Sommer alt. So alt war deine Cousine Narie als sie als Drachenreiterin zu uns kam."
"Nein, es wird für die beiden sicher nicht leicht werden und auch nicht für den Jungen."
Wieder schwiegen die beiden Reiter und ihnen ihren Gedanken nach. Eragon versuchte sich vorzustellen wie es für ein Elternteil sein musste, das eigene Kind erst nach 14 Jahren kennen zu lernen. Er schauderte unwillkürlich. Marlena war erst halb so alt und bereits jetzt gab es in der Welt von Eragons Erinnerungen unzählige Ereignisse und Begebenheiten die der Anführer der Reiter um nichts in der Welt eintauschen würde. So viele besondere Erfahrungen! Die ersten Schritte des Kindes, das erste wirkliche Wort....Er wusste noch genau was Marlenas erstes wirkliches Wort gewesen war. Er hatte seine Tochter damals auf dem Arm gehabt und ihre Mutter war hinzugekommen. Marlena hatte mit ihren kleinen Händen nach einer Strähne von Aryas schwarzem Haar gegriffen, konnte die Beute aber nicht erhaschen.
"Stern!" hatte die Kleine damals gekräht und ihre Eltern in sprachloses Erstaunen versetzt. Marlena hatte sofort die Gelegenheit ergriffen, sich die ersehnte Strähne vom Haar ihrer Mutter geangelt und begonnen sie mit Sabba zu durchweichen. Arya hatte ihr das nicht übel genommen. Sie hatte nur lächelnd Eragon angesehen und gesagt:
"Das hat sie von dir. Du nennst mich doch immer mein Stern."
Eragon war damals sprachlos gewesen. Er hatte Marlena in die grünen Kulleraugen geblickt und zum ersten Mal wirklich verstanden, dass hier nicht nur ein Körper heran wuchs sondern auch eine Seele. Ein einzigartiges Wesen entstanden aus der Liebe die ihn mit Arya verbannt.
"So viele Dinge die Tialva und Bloedgram verpasst haben." flüsterte der Anführer der Drachenreiter nachdenklich."Der Pfeil der Zeit deutete nur in eine Richtung."
"Wahr gesprochen." murmelte Arya. Diese Heiler wissen gar nicht was sie so vielen Eltern gestohlen haben. Wir dürfen nicht zulassen, dass Bloedgram seine Rache vollzieht aber je mehr ich darüber nachdenke desto verständlicher ist sein Zorn für mich."
Stumm stimmte Eragon der Elfe zu.
Arya hatte auf ihrem bereits vorbereiteten Nachtlager gesessen und schlug nun die Decke zurück um sich zur Ruhe zu legen. Eragon wollte sich erheben und zu seinem Lager hinübergehen als seine Gefährtin ihn zurückhielt.
"Bleib bei mir heute Nacht." bat Arya. "Ich spüre Kälte."
Eragon nickte nur und legte sich neben seine Gefährtin. Er wusste von welcher Kälte sie sprach. Sie hatte nichts mit der warmen Nacht zu tun wie um sie herrschte. Es war eine Kälte die nichts mit dem Wetter zu tun hatte. Sie ging von einem kleinen dunklen Punkt auf der Seele aus und so winzig dieser Flecken auch war, er stach hervor! Ein schwarzer Makel auf einem weißen Tischtuch. Erst als sich Aryas schlanker Körper an seinen schmiegte und Eragon sein Gesicht in Aryas seidigem Haarschopf zur Ruhe legen konnte begann die Kälte dahin zu schmelzen.

Eragon FF - Band 7- Ende, Epilog Band 7 und doe OS- Sammlung von TraeumerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt