22. Vom Starren auf die Füße

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Während Tanis an Arocs Seite seiner ersten Begegnung mit den wilden Drachen entgegen strebte führte Tar seinen jungen Schützling Naja zum Rand der Reiterstadt. Dort war die Hauptkaserne der Krieger der Drachen. Einer bewaffneten Elitetruppe ließ sich ganz der Unterstützung des Ordens der Reiter verschrieben hatte. Sie setzte sich zusammen aus den begnadeter Kämpfern und Magier aller Völker des Paktes.
Tar wollte dies gerade seiner Schülerin erklären als er feststellte, dass Naja immer mehr zurückgefallen war und den Blick fest auf den Punkt am Himmel gerichtet hielt wo ihr kleiner Drache verschwunden war.
Da trat leise wieder an die Seite seiner Schülerin und legte die Hand auf die Schulter. Das Mädchen zuckte ein wenig zusammen den offensichtlich hatte sie nicht bemerkt, dass sie die Aufmerksamkeit ihres Lehrers gewonnen hatte.
"Entschuldige bitte Meister, ich......"
"Du bist es noch nicht gewohnt dass dein Drache auch mal seine eigenen Wege geht oder?" schmunzelte der Reiter der Urgals.
Naja nickte betreten und starrte schüchtern auf ihre Füße, die im lockeren Sandboden kleine Kreise zogen.
Tar ging in die Hocke um mit seinem Schützling auf Augenhöhe zu sein.
"Ein Drache muss gehen können wohin er will junge Reiterin. Sonst ist er kein Drache. Und du hast doch genug Vertrauen in eure Bindung, um zu wissen das er zur dir zurückkommen wird oder?"
"Natürlich" versicherte Naja und blickte auf. Allerdings hielt sie den Blickkontakt nur einige Sekunden aufrecht bevor sie wieder in der Betrachtung ihrer Füße versank. "Es ist nur, ohne ihn fühle ich mich so klein und nutzlos. Ich habe Tanis lieb und er mich auch. Das habe ich ganz deutlich gespürt. Deshalb habe ich ihm auch diesen Namen gegeben. Meine Eltern haben mal gesagt, dass wenn ich ein Junge geworden wäre sie mich Tanis genannt hätten. Er ist mein Bruder und deswegen habe ich ihm diesen Namen gegeben."
"Jetzt verstehe ich, warum dein Scublaca diesen Namen für sich akzeptiert hat. Weißt du, manche Drachennamen kann man mit Worten gar nicht ausdrücken. Sie setzen sich zusammen aus Gerüchen und Erinnerungen und großen Leistungen des entsprechenden Drachen. Ein Sohn des Himmels und des Feuers akzeptiert nur einen Namen, der mehr ist als nur ein Wort! Tanis war zwar noch ein Neugeborener als du ihm diesen Namen gegeben hast aber er hat gespürt wie viel er dir bedeutet. Aber sag mir mal, warum fühlst du dich den klein und nutzlos. Das mit der Größe wir die Natur noch regeln keine Sorge aber was bitte meinst du mit nutzlos?"
Naja drehte den Kopf zur Seite und wie den Blick ihres Lehrers. Trotzdem entging Tar nicht, dass die Augen seiner Schülerin feucht glänzten und sich ein unsicheres Zittern in ihrer Stimme schlich.
"Ihr alle, der ganze Orden, ist so lieb zu mir. Seit meine Eltern tot sind habe ich das erste Mal wieder das Gefühl irgendwo zuhause zu sein. Aber ich bin doch nur hier wegen Tanis. Wenn er nicht geschlüpft wäre, dann hätte ich bestimmt in diese schreckliche Gerberei zurück gemusst! Tanis wird bestimmt mal eine riesig großer, starker Drache. Mindestens so groß wie Meister Aroc. Und er ist jetzt schon so mutig. Ich überhaupt nicht. Ich will mir alle Mühe geben aber ich glaube nicht dass ich eine besonders gute Drachenreiterin sein werde."
Besonders die letzten Worte waren dem jungen Menschenmädchen sehr schwer gefallen und nun kullerten die ersten Tränen über ihre Wangen.
Tar konnte es kaum glauben. Gütig lächelnd schüttelte er den Kopf.
"Du und ich kleine Naja, wir sind uns so ähnlich obwohl wir aus unterschiedlichen Völkern stammen. Ich habe mal ganz genau so gedacht wie du."
"Ihr" der pure Unglaube stand Naja ins Gesicht geschrieben als sie diese Worte hörte. "Aber ihr seid groß und stark und könnt Magie und so viele andere Dinge! Ihr sollt euch schwach gefühlt haben? Das kann ich nicht glauben."
"Oh doch." widersprach der Gehörnte Reiter und setzte sich jetzt im Schneidersitz vor seine Schülerin. "Weißt du, bevor Aroc bei mir geschlüpft ist habe ich auch kein sehr schönes Leben geführt. Ich war das schwächste Kind meiner Eltern. Wir Urgalgra mögen keine Schwäche. Ich hatte immer das Gefühl nicht gut genug zu sein. Das beste was ich hoffen konnte war meine Eltern nicht völlig zu enttäuschen aber ich hätte nie gedacht dass ich sie irgendwann einmal stolz machen würde. Als dann Aroc bei mir geschlüpft ist haben nicht wenige aus meinem Clan das für ein Versehen gehalten. Sie glaubten der Drache hätte sich einfach geirrt. Natürlich haben auch einige widersprochen und gesagt der Drache hätte eben etwas in mir gesehen, was sich nicht durch körperliche Kraft ausdrückt. Man könnte sicher noch großes von mir erwarten. Ich war wesentlich offener für den Gedanken, dass Aroc sich geirrt hat. Was sollte denn ein mir besonderes sein. Und genau wie du kleines Menschenmädchen war ich felsenfest davon überzeugt, dass ich nur hier bin, weil Aroc bei mir geschlüpft ist. Ich dachte ich hätte gar kein Recht das schöne hier zu genießen. Naja, es mag so sein dass jeder Reiter zunächst einmal die Ausbildung beginnt einfach nur weil ein Drache bei ihm geschlüpft ist. Doch nichts was die Drachen tun geschieht ohne Grund. Tanis ei ist schon bei zwei anderen Prüfungen möglichen neuen Reitern vorgestellt worden und er ist in seinem Ei geblieben. Bist du gekommen bist. Du warst für ihn die Richtige."
"Aber was soll ein mir besonderes sein?" beharrte das Mädchen.
"Ich weiß es nicht." erwiderte Tar ehrlich. "Ich war genauso felsenfest davon überzeugt, dass ich im Grunde nichts zu der Partnerschaft mit Aroc beitragen kann. Doch ich habe viel gelernt in meiner Ausbildung und bin gewachsen. Nicht nur körperlich sondern auch im Geist und in der Seele. Weißt du, was Meister Feuerschwert einmal zu mir gesagt hat? Es war am ersten Tag meiner Ausbildung."
Naja süttelte gespannt den Kopf.
"Er sagte, du wirst die Antworten auf deine Fragen nicht finden wenn du die ganze Zeit auf deine Füße starrst. Das habe ich nämlich auch gemacht. Wenn man keinen ansieht, dann sieht einen auch keiner nicht war?"
Najas Gesicht lief rot an und sie musste kichern. Es freute Tar, dass das Mädchen offenbar langsam seine Fröhlichkeit wieder fand.
"Versuch einfach in der Ausbildung dein Bestes zu geben. Du entwickelst dich doch noch, genau wie dein Tanis. Sein Körper wächst ebenso wie seine Seele und bei dir ist es dasselbe. Zusammen werdet ihr immer stärker werden. Versagen ist nur sicher wenn du es erst gar nicht versuchst. Und einen wertvollen Beitrag leistest du bereits zu deiner Partnerschaft mit Tanis."
"Wirklich?" diesmal leuchteten Najas Augen hoffnungsvoll.
"Du sagst, dein Tanis sei so mutig. Nun, das mag stimmen aber vor allem ist er übermütig. Für einen schwarzen Drachen ein ziemlicher Naseweiß. Es ist ganz gut, dass du ein wenig ruhiger bist und ihn ein wenig bremst. Sonst schlitterte er nämlich in Probleme hinein deren Lösung seine Kräfte noch bei weitem übersteigen. Auch er hat noch viel zu lernen. Beispielsweise wie man mit seiner Reiterin umgeht. Er hat sich nur sehr flüchtig von dir verabschiedet als Aroc ihn mit einem Abenteuer gelockt hat."
"Er war eben so aufgeregt." versuchte Naja ihren kleinen Gefährten zu verteidigen. Tar jedoch wehrte ab.
"Das mag ja alles sein aber ein Drache der sich einen Reiter gewählt hat ist für diesen Zweibeiner verantwortlich. Genauso wie du für deinen Drachen verantwortlich bist. Deshalb möchte ich, dass du ihm erzählst wie verloren du dich gerade gefühlt hast. Du sollst nicht mit ihm schimpfen aber er muss begreifen, dass er bei allem was er tut auch an dich denken muss. Du siehst auch er ist nicht perfekt. Gib dir und ihm einfach Zeit und findet zusammen heraus wie weit ihr es bringen könnt."
"Und nicht mehr auf die Füße starren?" erkundigte sich die junge Novizin und Tar stellte erleichtert den Anflug eines Scherzes bei seinem Schützling fest. Daher lachte er und sagte:
"Ganz genau! Jetzt kommen. Die Krieger der Drachen warten auf uns."


Eragon FF - Band 7- Ende, Epilog Band 7 und doe OS- Sammlung von TraeumerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt