Kapitel 27

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<< Hell is empty
and
all the devils
are here. >>
- William Shakespeare

König Emric hatte keine Kosten und Mühen gespart. Und es war den Bürgern von Kestramore zu verdanken, dass alles jetzt so war, wie er es sich vorgestellt hatte. Nicht lange nachdem Gennady seine Tochter nach draußen gebracht hatte, hatten die Drachen sehr sanft aber bestimmt das Chaos aufgelöst. Und mit den einfachen Worten, dass sich jetzt alle beruhigen sollten, sonst würden sie sich ihren Emotionen hingeben, waren auch alle wieder ruhig geworden. Und bevor jemand nochmal irgendwas hätte sagen können, hatten die Drachen die anderen Wesen bereits aus dem Saal geführt. Allerdings konnten auch sie es sich nicht verkneifen, dem König und seinem ganzen Hofstaat einen vernichtenden Blick zuzuwerfen. Der König hatte immerhin eine unbewaffnete Frau angegriffen.

Während er sich ein weiteres Gähnen unterdrückte sah sich Emric um. Das Ausheben der Gräber hatte nicht lange gedauert und jetzt roch es überall nach nasser Erde. Er hatte den Ehefrauen der toten Männer versprochen, sie ehrenvoll auf dem Schlossfriedhof beerdigen zu lassen. Und hiermit hielt er sein Versprechen, welches primär das Ziel verfolgte, weiterhin dafür zu sorgen, dass sein Volk hinter ihm stand. Er hatte in vielen Gesichtern das Entsetzen und die Abneigung ihm gegenüber gesehen, als er sich nicht einmal bei der Frau entschuldigt hatte. Er war froh, dass er die letzten Stunden mit den Vorbereitungen dieser Beerdigungen beschäftigt gewesen war, denn sonst hätte ihn das schlechte Gewissen verfolgt. Er war sich immer noch nicht sicher, ob er sich entschuldigen sollte. Allerdings wusste er nicht, ob diese Dämonen das als Schwäche ansehen und ihn verspotten würden. Er beschloss deshalb, zu warten.

Er wusste, was diese Männer getan hatten. Er wusste, dass wahrscheinlich keine der Ehefrauen neben ihm wirklich trauerte und sie alle nur hier waren, weil es nun mal Pflicht war. Eigentlich wollte er diese Männer hier nicht beerdigt wissen, aber seiner derzeitigen Situation geschuldet, hatte er keine andere Wahl. Langsam füllte sich der Friedhof mit Menschen. Sowohl hochgeborene Lords und Ladies, als auch das normale Volk aus der kleinen Stadt versammelte sich unter den schweren dunklen Wolken und wartete darauf, dass die Zeremonie begann.

Unter den letzten Personen war auch Prinzessin Freya, flankiert von ihrer Zofe und ihrem Leibwächter. Sie nickte kurz ihrem Vater zu, der bei ihrer Kleiderwahl die Brauen nach oben zog, dann aber zufrieden nickte. Sie hatte sich für die richtige Farbe entschieden. Immerhin das würde ein gutes Zeichen senden. Emric nickte dem Pfarrer zu, der sogleich mit leiser Stimme ein Gebet murmelte, bis es komplett still war. Nur noch der Wind war zu hören.

Die Beerdigungen zogen sich sehr lange. Freya kannte keinen einzigen der Toten, auch ihre Namen brachten keine Erinnerungen. Sie war auf der Beisetzung wildfremder Menschen gelandet und konnte auch nicht wirklich trauern. Denn immer wieder, wenn der Pfarrer oder ein Weggefährte ein nettes Wort über einen Verstorbenen sprach, musste Freya an die Worte von Cathan denken. Er hatte allen die Wahrheit über diese Männer gesagt und es schien auch so, als würden viele Anwesende, genauso wie sie, immer noch diese Worte im Kopf haben. Sie sah sich unauffällig um und musste feststellen, dass mittlerweile kaum mehr jemand wirklich traurig aussah. Alle hier ertrugen diese Beerdigungen schweigend, nicht einmal bei den Gebeten wurde mit viel Elan mitgesprochen.

Freya hatte schon vor einiger Zeit aufgehört, dem Pfarrer zuzuhören, doch als ihr Blick zufällig den ihres Vaters traf und er sie vorwurfsvoll ansah, wusste sie, dass man sehen konnte, wie wenig Aufmerksamkeit sie dem Geschehen vor sich schenkte. Schuldbewusst senkte sie den Kopf etwas und musste sich wirklich konzentrieren, den Worten des Geistlichen zu folgen.

„General Avra wird niemals in Vergessenheit geraten. Wir werden uns alle an seinen Namen erinnern. Wir wissen, was er alles getan und geleistet hat und werden uns seiner Taten erinnern." Freya unterdrückte das angewiderte Kopfschütteln. Wie konnte dieser Pfarrer solche guten Sachen über diesen Mann sagen, obwohl er ihn ebenso wenig kannte wie fast alle hier. General Avra war kein guter Mann gewesen, das hatte Cathan mehrmals gesagt. Und da ihr Vater keinerlei Protest gewagt hatte, war klar, dass es die Wahrheit war. Ihr Blick fiel auf die Witwe. Diese stand aufrecht neben dem Grab ihres Gatten, keine einzige Träne stahl sich aus ihren Augen. Stattdessen hatte sie die Hände zu Fäusten geballt und sah so böse auf den Sarg hinab, dass es eindeutig war: Sie trauerte nicht. Eher war sie froh, dass er tot war.

The Dark CrownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt