Kapitel 36

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<< You've always
had the power
my dear,
you just had to
learn it
for yourself. >>
- The Wizard of Oz

Nach der ersten Woche Verhandlungen konnte man immerhin schon von einigen Einigungen sprechen. Emric hatte sich einigermaßen zusammengerissen und den Wesen ebenfalls Zeit gegeben, zu antworten oder auch eine neue Idee einzuwerfen. Trotzdem fühlte sich niemand wirklich sicher und keiner war wirklich motiviert eine Lösung zu finden, die wirklich allen gefiel. Denn eigentlich wussten alle schon, wie es ausging. Einerseits wollten die Dunklen die Gespräche hinauszögern; einige versuchten wirklich den König davon zu überzeugen, dass sie nicht abgrundtief böse waren. Andererseits wollte jeder wieder nach Hause und den König und seinen ganzen Hofstaat nie wiedersehen müssen. Vor allem die Dämonen und Vampire wurden mit jedem neuen Tag nervöser und reizbarer, denn Aillard und Cathan waren immer noch im Kerker eingesperrt. Und in der Nacht hatte man wieder ihre Schreie gehört, zwar gedämpft durch die vielen Wände, aber jeder hatte sie hören können. Und sie wurden gehört.

Aus Protest hatten sich die Dunklen am letzten Tag vor der Pause nicht mehr gezeigt. Jeder Versuch, ein Signal oder eine Antwort von ihnen zu bekommen, war ergebnislos geblieben. Der König war sauer gewesen, doch er konnte nichts an der Situation ändern. Und so befahl er gleich darauf seiner Tochter, zu ihm zu kommen. Er wollte ein Gespräch mit ihr führen. Er musste mit ihr sprechen und wenn er an den Inhalt dachte, musste er sich selbst beruhigen. Seine Tochter hatte in den letzten Tagen immer wieder eine Grenze überschritten und das konnte er nicht mehr hinnehmen. Und jetzt besaß sie auch noch die Frechheit, ihn warten zu lassen. Seine trommelnden Finger auf dem Stuhl machten ihn eigentlich noch wütender, aber er konnte nicht stillsitzen. Ein Diener schürte das Feuer im Ofen und verschwand dann so schnell wie er gekommen war.

Prinzessin Freya atmete vor der fast schwarzen Türe nochmal durch und klopfte dann an. Sie fragte sich selbst, warum sie Angst hatte. Es war immerhin nur ihr Vater, den sie kannte, der sie kannte. Aber seitdem die Wesen hier waren, in seinem – ihrem – Schloss, war er eine ganz andere Person. Sie mochte diesen neuen König nicht und fühlte sich ihm nicht zugehörig. Er war fremd und diesem Fremden musste sie jetzt Rede und Antwort stehen. Kein Wunder zitterten ihre Finger als sie die Türe hinter sich wieder verschloss. Und sich ihm auslieferte.

König Emric saß am Kopf eines langen Tisches und sah träge herauf, als seine Tochter hereintrat. „Schön, dass du gekommen bist", gab er sarkastisch von sich, doch Freya nickte nur. „Du hast mich rufen lassen?", antworte sie und hasste sich selbst, dass ihre Stimme so zitternd klang. Ihr Vater dagegen schien sich sehr wohl in seiner Haut zu fühlen und das entspannte Zurücklehnen in seinem Stuhl verstärkte diesen Ausdruck. „Wir haben schon lange nicht mehr geplaudert", sprach er, doch von Freya kam keine Antwort. Sie stand immer noch vor dem Tisch und starrte diesen intensiv an. „Du scheinst Freunde bei den Dunklen gefunden zu haben", ging Emric gleich über zum ersten Thema. Dieser Satz reichte, um in Freya ein Feuer zu entfachen. Mit festen Schritten jetzt, als hätte eben dieses Feuer in ihr die Angst verbrannt, ging sie an das kleine Fenster und sah hinaus. Sie konnte sich sogar selbst leicht sehen und wusste, warum sie ihr Gesicht vor ihrem Vater verbarg. Sie sah unglaublich wütend aus. Sehr wütend. Trotzdem wusste sie, dass er eine Antwort erwartete. Und so räusperte sie sich und drängte sämtliche Beleidigungen, die sie ihm nur zu gern an den Kopf geworfen hätte, tief in sich. „Ich würde sie nicht Freunde nennen."

Log sie gerade? Waren die Wesen wirklich keine Freunde? Sie dachte daran, wie nett bis jetzt alle zu ihr gewesen waren und sie nicht bestraften, dafür, dass ihr Vater sie alle so schlecht behandelte. Aber sie wusste, was ihr Vater hören wollte und klammerte sich an diese erfundene Wahrheit, damit er ihr glaubte. „Und trotzdem standest du diese Woche nach jeder Pause bei ihnen", entgegnete er in der gleichen Sekunde, sodass Freya keine Chance hatte, noch etwas hinterherzuwerfen. „Statt bei deinesgleichen", kam es scharf hinterher und das half ihr, das Feuer in sich höher züngeln zu lassen. Sie drehte sich um und es war ihr egal, dass er sah, wie sehr sie seine Worte sauer machten. Er sollte ruhig merken, dass sie für ihre Zukunft brannte. „Ich will genauso wie du, dass diese Verhandlungen gut ausgehen. Und dazu muss man eben Gespräche führen", zischte sie, dann wurde ihre Stimme leise, als wollte sie eigentlich nicht, dass er sie hörte, „Reden und freundlich sein." Doch Emric hatte sie gehört. Natürlich. „War das ein Vorwurf Freya?", fragte er und lehnte sich mit verschränkten Armen auf eine der Lehnen. Diese ganze Situation kam der Prinzessin so unnatürlich vor, dass sie ihm mit einem Grinsen erwiderte: „Das entscheidest du."

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