Kapitel 33

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<< I sometimes wonder why
whispers exist:
anger is not quiet,
sadness should be heard,
and love,
love is the loudest of all. >>
- Ariana

Das Gefängnis von Evendor lag unter der Erde, nicht direkt im Schloss, sondern in einem Nebengebäude. Sollte es ein Gefangener jemals aus seinen Ketten schaffen, könnte er trotzdem niemandem etwas anhaben, denn bis er an den Toren des Schlosses wäre, hätte man ihn aufgehalten. Der Kerker war sehr gut bewacht. Schon vor den schweren Türen waren mehr als ein Duzend Wachen positioniert worden, um mögliche Eindringlinge fernzuhalten. So auch Freya. Doch die Prinzessin kannte sich in ihrem zu Hause mehr als sehr gut aus. Und deshalb wusste sie auch, dass es noch einen anderen Weg in den Kerker gab. Dieser war zwar komplett dunkel und sie fasste mehr als einmal in ein großes Spinnennetz, doch bald war sie an der glatten Holztür angekommen, hinter der sich die Treppe hinunter zu den Gefangenen befand. Leise schob sie die vermoderte Türe auf und stolperte beinahe über die erste Treppenstufe. Die Laternen an der Wand gaben so viel Licht, dass Freya kurz nichts sah. Doch nach einigen Sekunden hatten sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt. Leise zog sie das Holz zurück in ihre ursprüngliche Position und lauschte kurz, ob sie doch gehört worden war. Doch alles blieb ruhig.

Langsam ging sie die Stufen hinunter. Sie war nur einmal diesen Weg gegangen und damals hatten keine Gefangenen auf ihren Prozess gewartet. Je weiter sie nach unten ging, desto kälter wurde es und desto mehr roch es nach Holuseer. Der Duft nach Honig und bitterem Apfelmost war so penetrant, dass Freya leichte Kopfschmerzen bekam. Ihr Vater musste sehr viel Holuseer dafür verwendet haben, dass die beiden Dunklen im Kerker blieben. Sie hatte in mehreren Büchern gelesen, dass bereits kleinste Menge große Wirkung haben konnten. Götter...Freya wurde nochmal kälter. Wie sahen dann die beiden aus? Lebten sie überhaupt noch? Was dachte sich ihr Vater nur dabei? Sichtlich nervöser ging sie die letzten Stufen hinunter und stand dann am Eingang einer kleinen Halle, dem Kerker.

Sollte sie doch lieber umdrehen? War das alles hier eine dumme Idee gewesen? Nein. Sie war jetzt so weit gekommen. Sie würde nicht umdrehen. Immer noch nicht vollends selbstbewusst trat sie über die Schwelle. Und wäre am liebsten zurückgewichen. Das Erste was sie umfing war der Geruch. Der Gestank. Eigentlich sollte sie nicht verwundert sein, denn es war mehr als klar, dass sich niemand von den Bediensteten hierher getraut hatte. Oder ihr Vater hatte auch das verboten. In der Ecke lag etwas Stroh – jedenfalls sah es so aus. Im ganzen Raum war es sehr kalt und feucht. Eine schlechte Mischung, das wusste Freya. Sie hatte sich in einer solchen Umgebung als Kind auch öfters erkältet. Konnten sich Dunkle erkälten? Konnten sie überhaupt krank werden? Auf einer kleinen Pritsche lagen eine Decke und ein Krug mit zwei Bechern. Immerhin bekamen sie etwas zu trinken. Auch wenn es kein Blut war. Und etwas Warmes.

Schon lobte sie ihren Vater innerlich, da fiel ihr Blick auf die beiden Wesen in der Mitte des Raums. Die Fackeln und das Mondlicht, welches durch die hohen Fenster fiel, halfen, besser zu sehen. Und ihr verschlug es den Atem. Cathan und Aillard knieten nebeneinander in ihren eigenen Extrementen. Ihre Arme hingen links und rechts von ihnen weit ausgestreckt. Die Ketten schnitten ihnen ins Fleisch, doch das Blut war bereits getrocknet. Ihre Kleidung war extrem dreckig und hing nur noch in Fetzen an ihnen herunter. Keiner der beiden bewegte sich. Ihre Köpfe hingen nach unten und es war so still, dass sich Freya fragte, ob sie überhaupt noch atmeten.

Was zur Hölle? Was hatte ihr Vater nur befohlen, dass mit den beiden jungen Männern so umgegangen wurde? Was hatten die Generäle ihm nur empfohlen? Bewegungslos stand Freya da und wusste nicht so wirklich, was sie tun sollte. In ihr erwachte ein Feuer, dass sie bald schon drohte zu verbrennen. Sie war so wütend und verzweifelt. Kein Wunder, dass ihr Vater ihr verboten hatte, herzukommen. Denn das hätte nur weitere Konflikte hervorgerufen. Und die Menschen mussten als Einheit zusammen gegen die Wesen dastehen. Und ein kleiner Teil verstand, warum ihr Vater sich so verhielt. Aber der große Teil in ihr wusste, dass das der absolut falsche Weg war. Emric ritt sich immer mehr in die Scheiße. Ritt sie alle immer mehr in die Scheiße. Und am Ende würde ganz Evendor dafür bezahlen müssen. Sie würde mit ihm sprechen. Und wenn er ihr nicht zuhörte, dann würde sie ihm eben drohen müssen. So konnte das nicht weitergehen. Was war nur los mit dem König? Stieg ihm das alles etwa zu Kopf? Ließ er sich zu sehr beeinflussen? Freya wusste es nicht, aber sie musste es herausfinden. Götter, sie konnte niemals zulassen, dass er das Land welches sie erben würde, zerstörte. Niemals.

The Dark CrownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt