Kapitel 42

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<< You've seen my descent.
Now watch my rising. >>
- Rumi

Freya musste nicht zu Cathan schauen um zu wissen, dass es seine Stimme war. Doch sie tat es trotzdem, aber sein ruhiger Blick half ihr nicht. Ihre Angst versuchte die Oberhand über ihr Verhalten zu gewinnen. Sie hätte Lilura wegstoßen, oder sie treten können. Irgendwas tun können, um sich von ihr zu befreien. Aber sie wusste, dass das alles sowieso nichts bringen würde. Das hatte sie mittlerweile gelernt. Sie könnte nur fliehen, wenn auch Lilura das wollte. Lilura hielt sie jedoch fest. Die Dämonin hatte die Kontrolle. Und Freya konnte nichts tun, als auf Cathan zu hören und zuzusehen, wie die Gesichtsfarbe ihres Vaters erst von sehr rot zu sehr blass wechselte. Auch die Soldaten vor ihr sahen verschreckt aus. Ihnen war klar, dass sie sich jetzt im schlimmsten Fall zwischen Wesen und Prinzessin werfen mussten.

Das Messer an ihrer Brust zitterte leicht, der Griff an ihrem Arm wurde zum ersten Mal wirklich schmerzhaft und dann konnten alle im Saal die dunkle und vor allem laute Stimme der Dämonin hören. „Da ich nur so Eure Aufmerksamkeit bekomme, Majestät, würde ich jetzt gerne sprechen." König Emric konnte nichts anders tun als zu nicken. Götter, Lilura konnte alles tun und er würde sich nicht wehren. Sie hatten seine Tochter. Die ihm zwar in den letzten Wochen wahnsinnig auf die Nerven gegangen war, aber sie war und blieb seine Tochter. Und die zukünftige Herrscherin von Evendor. Sie musste das Chaos hier überleben. „Ich möchte Euch wirklich nicht drohen, das ist nicht meine Art. Aber wenn ihr nicht genau das tut, was ich sage und mir versichert, dass Ihr zu Eurem Wort steht, dann wird das hier blutig enden." Sie musste nicht weitersprechen. Freya wusste, welches Blut fließen würde. Und vor allem wessen Blut. „Cathan und Aillard bekommen einen fairen Prozess. So wie Ihr es immer wolltet. Mit einem fairen Urteil. Aber vor allem auf Grundlage von Gesetzen die wirklich existieren. Versucht Ihr nochmal, uns zu hintergehen, dann...", sprach sie und Freya spürte die Spitze des Messers auf der Höhe ihres Herzens.

Würde ihr Vater nicht genau das tun was Lilura wollte, dann würde als erstes Freya dran glauben müssen. Und anschließend alle anderen. Immerhin musste sie dann nicht mehr mitansehen, wie die Dunklen alle anderen Menschen abschlachteten oder versklavten. Und ihren Vater töteten. Das war immerhin ein kleiner Trost.

            Denk nicht an solche Sachen.

Freya konnte nicht anders als zusammenzuzucken. Lilura hinter ihr zuckte mit und beide sahen zu Cathan. Seine Augen erhoben sich vom Boden und er sah seine Mutter und Freya an. Er schüttelte leicht den Kopf, aber Freya war sich nicht sicher, wem dieses Zeichen galt. Hatte er mit seiner Mutter ebenfalls gesprochen, oder wollte er sie von ihrer eigens erdachten Zukunft abbringen. Sie wusste es nicht. Sie kam aber nicht dazu, weiter darüber nachzudenken, denn in diesem Moment trat Kachina neben die Dämonin. Jedes Augenpaar konnte mitverfolgen, wie sie erst sanft über eine sehr weiße Wange Freyas fuhr und dann ihre langen Locken von der Schulter strich. An ihrem Hals zuckte eine Ader verräterisch und bewegte sich unter ihrer Haut; die plötzliche Aufmerksamkeit nicht gewohnt. „Wenn Ihr Euch weigert, fangen wir mit Freya an." Kachina trat so nah heran, dass Freya ihren Atem an ihrem freien Hals spürte. Sie konnte eigentlich nicht glauben was sie hörte. Sie dachte, die Wesen – jedenfalls einige davon – konnten sie leiden und würden ihr nichts antun. Aber sie war kein Wesen, keine Dunkle. Sie gehörte nicht zu ihnen und würde es auch nie. Und wenn es um ihre Freiheit ging, dann würden die Dunklen alles tun. Auch wenn das bedeutete, sie zu opfern.

König Emric hatte keine Wahl. Die beiden Frauen umringten seine Tochter immer mehr, ließen ihr keine Chance, möglicherweise zu fliehen. Mittlerweile lag ihr Hals komplett frei und bekam allmählich rote Flecken. Freya war nervös, ganz klar und hatte Angst. Das konnte selbst ein Blinder sehen. Und er konnte es ihr nicht verübeln. Freya atmete hektisch gegen das Messer und spürte erst nach einigen Momenten, wie eine Hand langsam beruhigende Kreise auf ihrem Rücken fuhr. Sie versuchte nach hinten zu sehen, aber Kachina griff nach ihrem Kinn und hob es an. Im Saal konnte man ein Raunen vernehmen und Freya verstand allmählich, was gerade passiert.

The Dark CrownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt