Kapitel 16

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<< Raise your words,
not your voice.
It is rain
that grows flowers,
not thunder. >>
- Rumi

Nach dem Abendessen, welches Freya auch dieses Mal nicht wirklich genießen konnte, beschloss sie, etwas nach draußen zu gehen. Sie beschränkte sich allerdings nur auf die Terrasse, denn weiter traute sie sich nicht mehr alleine. Sie war sich zwar sicher, dass ein solcher Übergriff nicht mehr passieren würde, aber sicher konnte sie niemals sein. Und auch ihr Vater hatte ihr mit strengem Blick erklärt, dass er nicht sämtliche Wachen im Park positionieren konnte, wenn sie wieder Ausflüge machen wollte. Als sie schließlich entspannt an dem Geländer lehnte und die kühle Luft einatmete, dauerte es nicht lange, da konnte sie hinter sich Schritte hören. Die Prinzessin brauchte sich auch gar nicht erst umdrehen, denn die Person lehnte gleich darauf neben ihr. Einem Blick zur Seite wusste sie, wer es war. Fast sofort zauberte sie ein Lächeln auf ihre Lippen. „Wer auch immer das Essen zubereitet, ist ein wahres Genie. Es schmeckt einfach immer herrlich", verkündete Weylyn und brummte auf. Das Lächeln wurde zu einem Lachen und Freya erwiderte: „Ich werde das Lob gerne weitergeben. Rohana wird sich freuen zu hören, dass ihr Essen immer Abnehmer findet."

Er hatte recht. Heute hatte sich Rohana wirklich wieder selbst übertroffen – als hätte sie gewusst, dass die Verhandlungen nicht gut ausgegangen waren. Trotzdem war Freya so durcheinander gewesen, dass sie die Hälfte auf ihrem Teller liegengelassen hatte. Weylyn schien nicht zu merken, dass sie zwar fröhlich war, da aber doch Sorgen waren, die in ihrem Inneren herumschwirrten. „Es freut mich wirklich, dass es Euch besser geht. Ich habe mir langsam Sorgen gemacht", kam es von dem Werwolf, „Vor allem, weil Ihr heute nicht zu den Verhandlungen erschienen seid und Euer Vater gesagt hat, Ihr müsstet Euch ausruhen." Freya drehte sich um und lehnte sich tief an das Geländer. Mit dem Kopf im Nacken schienen heute Nacht sogar einige Sterne über ihrem Kopf. „Wie schon gesagt, es ist nur eine kleine Wunde. Sie ist schon wieder fast komplett verheilt." Sie musste kurz Luft holen. „Ich wäre heute nur zu gerne gekommen, aber er hat es nicht erlaubt." Sie dachte zurück an die Diskussion mit ihrem Vater. Er hatte sich solche Sorgen gemacht, die völlig unbegründet waren. Die Wunde war jetzt schon fast wieder verheilt und es hätte nichts passieren können.

Freya war sich sicher, dass ihr Vater sie aber nicht nur deshalb von den Verhandlungen entfernt wissen wollte, sondern auch damit er theatralisch verkünden konnte, seine Tochter musste sich immer noch ausruhen. Damit konnte er das schlechte Gewissen der dunklen Wesen weiter steigern und das vielleicht alles zu seinem Vorteil nutzen. Weylyn löste sich von dem Geländer, griff einfach nach dem Arm der Prinzessin und zog sie zu sich. Mittlerweile waren sie beiden so seltsam vertraut miteinander, dass sich Freya fragte, ob es da mehr geben könnte. Mit Männern war sie ein unbeschriebenes Blatt. Küsse wurden natürlich schon einmal ausgetauscht. Doch weiter war es nie gegangen. Die Prinzessin hatte abgebrochen, als sie die wachsende Nervosität in sich gespürt hatte. Alle Männer hatten das verstanden und sich ebenfalls zurückgezogen. Nur Noam hatte den eindeutigen Wink mit dem Zaunpfahl damals nicht verstanden. Er kam ihr immer näher, bis sie ihm schließlich das Knie zwischen die Beine gerammt hatte. Dann hatte er sie losgelassen. Dieser Unfall war unter ihnen geblieben und Noam hatte sich danach so sehr geschämt, dass er ihr nicht mehr nahekommen wollte. Leider hielt diese Abneigung nicht lange.

Weylyn hakte die Prinzessin bei sich unter und zusammen gingen sie über die lange Terrasse. „Ich hätte gerne erlebt, was passiert ist", nahm sie das Gespräch wieder auf, „Vater möchte es nicht erzählen. Und immer, wenn ich ihn frage verschiebt er es auf später." Der Werwolf neben ihr nickte bestätigend. „Es ging ziemlich zur Sache." Demnach wollte er auch nicht die ganze Geschichte erzählen. „Das konnte ich auch noch sehen. Und hören. Cathan schien ziemlich sauer zu sein", versuchte es Freya nochmal. Es würde ja wohl irgendjemanden in diesem Schloss geben, der ihr erzählen konnte, was gestern geschehen war. „Wütend trifft es eher", erklärte Weylyn, „Er steigert sich viel zu schnell in Sachen hinein und nimmt so viele Sachen sofort persönlich. Er wird dann auch gerne unverschämt."

The Dark CrownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt