Kapitel 40

409 29 3
                                    

You were so
unexpected.
- happiness

Als Freya an diesem Morgen aufstand und sich den Schlaf aus den Augen rieb, erinnerte sie sich wieder an die Worte ihres Vaters. Gestern hatte er vor allen Wesen und Menschen verkündet, der Prozess würde heute starten. Cathan und Aillard würde dafür aus dem Kerker geholt und dem König vorgeführt. Freya war jetzt schon ziemlich nervös und erst heute Mittag würde ihr Vater beginnen, über ein Urteil nachzudenken. Sie hoffte inständig, dass er diese Chance nutzte. Die Dunklen hatten zugelassen, dass er über zwei von ihnen richten durfte. Er musste es schlau anstellen und könnte damit etwas erreichen, was vor ihm noch keinem Herrscher gelungen war: Freundschaft zu den Wesen. Wobei auch Freya zugeben musste, dass das mehr als schwierig werden würde. Doch er könnte es versuchen. Was heute Mittag auf sie alle zukam, wusste sie auch nicht. Ihr Vater hatte sie nicht zu sich gerufen und sie vielleicht als Beraterin genutzt – denn immerhin hatte sie am meisten Kontakt zu den Dunklen gehabt.

Die Beziehung zwischen Vater und Tochter war sehr frostig, genauso wie das Wetter draußen. Freya wusste nicht, ob sie jemals wieder eine normale Unterhaltung führen konnten. Sie hatte ihrem Vater gedroht, hatte ihm das Versprechen gegeben, ihn von dem Thron zu entfernen, wenn er sich nicht richtig verhielt. Und im Gegenzug hatte er ihr eine Hochzeit versprochen. Angedroht. Doch als sie wie schon so oft in den letzten Tagen in sich hörte, konnte sie keine Reue spüren. Sie wusste, dass sie hätte schlauer sein sollen und ihren Vater, den Inhaber des Throns über Evendor, nicht hätte bedrohen dürfen. Er hatte immer noch die Macht und Kontrolle über das Land und damit auch über alle seine Bewohner. Auch über Freya. Sie hätte schlauer sein sollen. Manchmal fragte sie sich, ob ihre Mutter das alles mit ansah und ihnen verschämt den Rücken zuwandte. Ihre Mutter konnte unmöglich zufrieden mit dem ganzen Chaos hier sein. Wäre sie da gewesen, dann wäre alles anders gelaufen. Alles. Da war sich die Prinzessin sicher.

Als Evette ihr noch vor dem Mittagessen die mögliche Kleiderauswahl präsentierte, konnte sich Freya kaum mehr konzentrieren. Sie erinnerte sich daran, wie Cathan aussah. Seine blasse, fahle Haut und die Schwäche die so selten für ihn war. Er war Kraft, er war Macht und König Emric hatte es geschafft, aus diesem Wesen, aus diesem so mächtigen Dunklen, der vor nichts und niemandem Angst hatte, einen kleinen schwachen Jungen zu machen. Wenn er heute auch so aussah, dann würden die Dunklen, allen voran aber seine Eltern das Schloss bis zu seinen Grundmauern zerstören. Einfach weil sie es konnten und damit zeigten, was sie mit ihnen allen machen würden. Denn sie hatten es gewagt, Cathan zu verletzen. Und es würde nichts bringen, wenn Freya sie anflehte und ihnen Dinge versprach die sie nicht halten konnte. Sie würden alles zerstören.

Das Mittagessen würgte sie hinunter. Rohana hatte ihr Pasteten mit grünem Gemüse bringen lassen. Eigentlich aß sie das gerne, doch auch die Rahmsoße, die sie reichlich auf ihrem Teller verteilte, brachte nichts. Sie konnte nur an nachher denken und ihr Kopf durchdachte bereits duzende Alternativen. Duzende Alternativen, die alle zu einem Ausgang führten: Das Ende von Evendor. Das Essen drohte wieder einen Weg nach draußen finden zu wollen und Freya konnte gerade noch rechtzeitig ins Bad rennen, bevor sie ihren gesamten Mageninhalt in einen Eimer neben der Badewanne erbrach. Evette kam hereingerannt und griff nach den dunklen Locken der Prinzessin. „Ganz ruhig", flüsterte sie mitfühlend und strich beruhigende Kreise auf ihren Rücken. Keuchend erhob sich Freya wieder und nahm das nasse Handtuch dankend aus den Händen ihrer Zofe und fuhr sich über das Gesicht. „Es wird schon gutgehen", meinte Evette langsam, doch auch in ihrem Gesicht konnte Freya Angst sehen. Dennoch nickte sie und musste sich räuspern. „Ich denke, jetzt sollte ich mich für ein Kleid entscheiden."

Sie musste sich selbst ablenken und ließ sich die Kleider präsentieren. Eins schöner als das andere. Kurz überlegte sie, ob sie eins nehmen sollte, welches eine Botschaft sendete. Vielleicht Verbundenheit mit ihrem Reich. Und ihrem Vater. Aber...wem wollte sie etwas vormachen? Ihre Kleidung würde nicht entscheidend für den Ausgang des Prozesses sein. Sie konnte anziehen was immer sie wollte. Deshalb entschied sie sich für das schwarze durchscheinende Tüllkleid. Ihre hohen geschlossenen Schuhe ließen es düster erscheinen, doch dem wirkten die vielen kleinen bunten aufgestickten Blumen entgegen. Als sie sich im Spiegel betrachtete, hätte man meinen können, es wäre ein freudiger Anlass. Das Kleid saß und ließ sie aussehen wie ein Sommermorgen. Die Dunkelheit verschwand und die Blumen öffneten sich für die Sonne. Es sah hell und freundlich aus. Doch dann sah sie sich selbst in das Gesicht und ihr wurde wieder schlecht. Ihre Augen sahen gehetzt aus, ihre Lippe zitterte und Evette hatte einige Arbeit geleistet um die Blässe auf ihren Wangen zu verdecken. Man konnte ihr ansehen, dass sie sich gar nicht wohl fühlte.

The Dark CrownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt