Kapitel 30

486 32 8
                                    

<< The beautiful thing
about young love
is the lie
in our hearts
that it will last forever. >>
- Atticus

Eine Woche später war alles mit Schnee bedeckt. Jeden Tag konnte Freya Kinder sehen, die mit selbstgebauten Schlitten die Hügel um Kestramore hinuntersausten. Das helle Kinderlachen klang ihr auch noch in den Ohren nach, als sie in der Bibliothek herumlief, sich eines der verstaubten Bücher unten den Arm klemmte und das Sofa vor dem hellen Ofen ansteuerte. Im Schloss konnte nicht jedes Zimmer und jeder Saal beheizt werden, dafür würden die Holzvorräte niemals halten. Schon seit sie klein war, kannte sie die Zimmer die auch bei Kälte angenehm warm waren. Wobei auch in der Bibliothek nicht alle Ecken gleich beheizt waren. Doch glücklicherweise hatten die Bediensteten das Sofa niemals verstellt und mit einem Seufzen ließ sie sich darauf nieder. Das Buch auf ihrem Schoß hatte sie beinahe zwei Stunden suchen müssen. Mit jeder Minute war ihr Frust gewachsen, denn irgendjemand hatte es in die hinterste Ecke in einem Regal weit über ihrem Kopf fast schon versteckt. Die Leiter war keineswegs leicht gewesen und sie musste immer wieder den Stoff ihres Kleides verschieben, um die aufgerissene Stelle zu verdecken.

Aber endlich hatte sie das Buch. Der Titel und sein Inhalt war ihr wieder dunkel eingefallen, als ihr Vater einen Tag nach der Verhaftung zu ihr gekommen war und voller Stolz mitgeteilt hatte, die zwei Dunklen würden nun erstmal eine schöne lange Zeit eingesperrt verbringen. Freya hatte ihr Zweifeln nicht verstecken können, denn sie war sich sicher, dass die Eisenketten ein kleines Problem für die Wesen waren. Emric hatte ihr aber im nächsten Atemzug erklärt, seine höchsten Generäle, die bereits in Kämpfe verwickelt und daher sehr erfahren waren, hatten ihm empfohlen, Holuseer anzuwenden. Das Kraut würde verhindern, dass sie ihre vollen Kräfte anwenden konnten. Mit dem Gift waren sie beinahe genauso schwach wie gewöhnliche Menschen. Ihr Vater musste ihr versichern, dass es die beiden nicht töten würde, denn dann konnten sie einen friedlichen Ausgang der Gespräche vollends vergessen. Wobei bereits jetzt die Stimmung extrem angespannt war. Emric schien diese Tatsache aber immer noch zu verdrängen; Freya kam gegen diese Mauer in ihm nicht an. Er wusste auch noch nicht, wie lange er die beiden in seinem Kerker halten würde, seine Generäle würden ihn wohl aber zu diesem Thema ebenfalls beraten.

Freya konnte sich vorstellen, dass die Dunklen ziemlich allergisch auf diese ganze Sache reagiert hatten. Immerhin hatten sie sich darauf eingestellt, einen Prozess zu verfolgen. Jetzt mussten sie länger bleiben, als die Meisten das zu anfangs vielleicht geplant hatten, denn bis jetzt war noch nicht klar, wann der Prozess beginnen würde. König Emric hatte ihnen versprochen, die Verhandlungen morgen weiterzuführen und Freya wusste bereits, dass es auch ohne Cathan und Aillard wieder schwierig werden würde. Deshalb wollte sie sich etwas mehr mit den Wesen und ihrem Leben auseinandersetzen. Theon hatte lange vor seiner Zeit gelebt und sämtliche Informationen, die er über die Dunklen zusammengetragen hatte der königlichen Familie vermacht. Die Herrscher sollten Bescheid wissen über ihre nächsten Nachbarn und wie sie sich verhalten mussten, wenn sie ihnen einmal gegenübertreten würden.

Als Freya das alte Buch aufschlug, fauchte ihr auf einem Bild ein Dämon entgegen. Seine schwarzen Augen schienen sie in den Bann ziehen zu wollen und wäre er wirklich und wahrhaftig vor ihr gestanden, hätte sie bestimmt geschrien. Der Titel war ebenfalls ein Hinweis darauf, dass der Dunkle keineswegs gute Absichten hatte. Beschwörung durch einen Dämon. So hätte es also ausgesehen, wenn Reaghan oder sein Sohn die Kontrolle in der Nacht verloren hätten. Dann wäre niemand mehr von ihnen noch da, gefangen im eigenen Kopf, nicht mehr mächtig über das eigene Handeln. Das Inhaltsverzeichnis war ziemlich vergilbt und sie musste sich anstrengen, die einzelnen Kapitel und ihre Seiten zu erkennen.

4. Verhalten gegenüber einem Dämon.
Beachte Mensch! Ein Dämon wird sich dir gegenüber offen und freundlich zeigen. Er muss dich kennenlernen und solange du bereits beschäftig bist, dich über seine überaus nette Art und Weise zu freuen, fühlt er in dich hinein. Er möchte wissen, was du bist, was dich ausmacht und was deine Schwächen und Ängste sind.

The Dark CrownWo Geschichten leben. Entdecke jetzt