14. Julia

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Klippendrachen waren riesige, unfassbar gefährliche Tiere, die unter den Menschen im Allgemeinen als ,Herrscher der Lüfte´ galten. Ich machte mir nicht die Mühe, meinen Schock zu verbergen. Vor diesen Ungeheuern hatte man zu Recht Angst.

Obwohl sie aus der Ferne tatsächlich wie die mystischen Fabelwesen Drachen wirkten, hatte ich schon bei meiner ersten Begegnung mit einem dieser Kreaturen vermutet, dass sie von einer Vogelart abstammten. Der Kopf, aus dem mich ein Paar tiefdunkler Augen anstarrte, glich dem eines Drachen, doch die Schnauze war aus Horn und geformt wie ein Schnabel. Die ledrige Haut des langen Halses wurde an den Flügeln durch dunkelbraune Federn ersetzt. Sie raschelten leise, als das Wesen sich etwas unruhig zurechtsetzte.

Faryd trat auf das Tier zu, als wäre das keine große Sache. Er schien keine Angst zu haben, obwohl es ihn um mehrere Köpfe überragte. Würde es sich auf seine muskulösen Beine aufrichten, würde es gut drei- oder viermal so groß sein wie er. Ich hielt den Atem an, als er die flache Hand ausstreckte und ihm damit über die Schnauze strich. Erstaunt beobachtete ich, wie das Tier es sich gefallen ließ und zudem auch noch ruhiger zu werden schien. Die Blicke, die es uns jetzt zuwarf, waren weniger misstrauisch, als neugierig.

Faryd drehte sich wieder zu uns um. Als er mein erschrockenes Gesicht sah, musste er schmunzeln. Er winkte uns zu sich, doch mein Körper weigerte sich strikt, seiner Bitte nachzukommen. Meiner Meinung nach war ich schon näher an diesem Biest dran, als es für einen Menschen gesund war.

Der Mann war offenbar anderer Meinung. „Kommt schon her, er tut euch nichts.“ Ich schüttelte nur stirnrunzelnd den Kopf. Als ich meine Hand in Thunders Nacken legte, ohne meinen Blick von der Bestie abzuwenden, merkte ich, dass ihm die Sache ebenso suspekt war wie mir. Seine tierischen Instinkte suchten nach der besten Fluchtmöglichkeit, sollte das Tier doch plötzlich angriffslustig werden.

Faryd versuchte wieder, uns umzustimmen, doch wir rührten uns nicht von der Stelle. Schließlich gab er auf und kehrte zu uns zurück. „Feiglinge“ Er zwinkerte uns zu. Dann verschwand er wieder im Gebäude. Wir folgten ihm eilig.

Unser Weg führte uns durch einen langen Gang mit Türen zu beiden Seiten. Ich fragte mich, wo sie wohl hinführten. Sie waren alle recht breit und aus sprödem Holz. Vor einer scheinbar beliebigen Tür hielten wir schließlich an. Faryd bedeutete uns, einzutreten. „Das Bett da drin ist ziemlich hart, aber immer noch besser, als auf der Erde zu schlafen. Ich hole euch noch eine Decke…“ Damit verschwand er im Flur.

Thunder und ich warfen uns einen schnellen Blick zu. Dann öffnete ich die Tür und trat ein.

Das Zimmer war klein, aber nicht eng. Die Wände und das Mobiliar waren schlicht gehalten: Ein Fenster, eine Kommode, ein Bett. Ich erinnerte mich daran, gehört zu haben, dass Mönche ein Leben in Armut und Bescheidenheit geführt hatten. Mir erschien dieses Zimmer jedoch wie purer Luxus, nachdem ich ein Jahr lang in klapprigen Baumhäusern, feuchten Höhlen oder im nassen Gras hatte schlafen müssen.

Mit einem leisen Stöhnen ließ ich mich auf der Bettkante nieder. In wenigen Stunden würde die Sonne aufgehen. Ich war den ganzen Tag gewandert und wollte einfach nur noch schlafen.

„Was hältst du davon?“, fragte ich meinen Weggefährten, der sich zu meinen Füßen niederlegte.

Ihr Menschen wohnt in komischen Höhlen. So ganz abgeschnitten von draußen…

Ich schmunzelte. „Eigentlich meinte ich Faryd. Und den Klippendrachen…“

Der Tigerbär dachte einen Augenblick nach. Ich verstehe ihn nicht. Er spricht ganz anders als du… Das stimmte wahrscheinlich. Ich selber tat mich immer noch schwer damit, seinen Worten zu folgen. Ich meinte, einen ausländischen Akzent darin erkannt zu haben, doch ich konnte nicht sagen, welcher Art er war. Außerdem war seine Stimme natürlich viel tiefer als meine, was es Thunder, der bisher nur mit mir gesprochen hatte, schwerer machte, ihn zu verstehen. Vermutlich war das eine Sache der Gewohnheit. Außerdem, fügte er hinzu, ist es seltsam, dass er sich so gut mit dem Klippendrachen versteht. Skepsis schwang in seinen Gedanken mit. Sogar Tigerbären, die gefürchtetsten Jäger am Boden, hatten einen gesunden Respekt gegenüber den deutlich gefährlicheren Raubtieren. Glaubst du, die beiden sind so wie du und ich…?

Hunters 2 - der Pfad des JägersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt