53. Gedanken

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Der Ritt war kalt, zugig und absolut ungemütlich. Noch nie hatte ich mich unwohler auf Thunders Rücken gefühlt. Der Wind schnitt erbarmungslos in meinen durchgefrorenen Körper. Meine blut- und wasserdurchtränkte Kleidung lag wie Eis auf meiner Haut. Ich zitterte am ganzen Körper und hatte alle Mühe damit, mich an meinem Tigerbären festzuhalten.

Fröstelnd und mit zusammengekniffenen Augen zog ich mich näher an Thunders Mähne heran. Das lange, weiche Fell umgab meine Hände und Arme wie ein wärmender Schleier und ließ zumindest einen Teil meines Körpers nach und nach warm werden. Meine Augen hatte ich zusammengekniffen und mein Orientierungssinn war gleich Null. Zum Glück wusste Thunder, wo ich hin wollte.

Der Tigerbär war bald an der Grenze seiner körperlichen Kräfte angelangt. Wir waren erst wenige Minuten gelaufen, doch ich hörte ihn schon keuchen und seine Schritte unregelmäßig werden. Ich hoffte, dass der Ausritt ihn in seiner Gesundung nicht zu sehr beeinflusste. Ich machte mir unglaubliche Sorgen um ihn, doch ein anderer Gedanke in meinem Kopf ließ mich weitermachen.

Es darf niemand mehr sterben.

Weder Mensch noch Tier. Weder blutrünstig noch egoistisch noch rücksichtslos. Sie alle hatten ein Bewusstsein. Sie alle waren zum Denken fähig, auch wenn sie diese Fähigkeit nur sehr eingeschränkt benutzten. Niemand sollte mehr irgendjemanden umbringen.

Jemand musste diesen Krieg beenden.

Und dieser Jemand war ich.

Weil ich es nicht mehr mitansehen konnte.

Deshalb hetzte ich meinen guten, treuen Freund bis zum Umfallen. Bis wir das Kampfgeschrei hörten. Bis wir die Tiere hörten, besser gesagt – die Menschen waren verstummt und gingen unter in den wütenden Aufschreien ihrer Rivalen. Einen Moment lang fürchtete ich, von ihnen wäre niemand mehr übrig. Dann erkannte ich eine winzige Gruppe, umzingelt von tausenden von Tieren, die sich hinter mittelalterliche Schilder duckten und mit ihren Waffen herumfuchtelten.

Es waren nicht mehr viele. Doch es gab noch welche! Es gab noch Menschen, die es zu retten galt.

Ich rief Thunder zu, er solle stoppen. Ich wollte ihn nicht dabei haben. Ich wollte ihn nicht in Gefahr bringen und letztendlich noch jemanden verlieren.

Doch Thunder dachte nicht daran, anzuhalten. Er hetzte einfach weiter, immer auf die Massen an Tieren zu. Glaub ja nicht, dass ich dich das alleine machen lasse! Gedanklich übermittelte er mir seinen Plan. Er war gut, offen gestanden – zumindest besser als meiner. Um ehrlich zu sein hatte ich gar keinen Plan gehabt. Ich wusste nur, was ich erreichen wollte. Wie ich dahin käme, hatte ich mir noch nicht ausgemalt.

Unter ungeahnten Kräfteaufwänden zog ich mich in eine vernünftig sitzende Position und schaute aus zusammengekniffenen Augen zu dem Klippendrachen auf, der über allem schwebte. Jede Faser meines Körpers schmerzte. Ich konnte spüren, wie aus meinem linken Arm, dort, wo eine Kugel mitten durch gegangen war, das Blut heraussickerte. Mit ihm floss auch meine Kraft. Meine Arme zitterten bei der Anstrengung, die sie erbringen mussten, um mich aufrecht zu halten.

Ich spannte alle Muskeln an, um sicherzugehen, dass sie noch funktionierten. An dem Bein, an dem mir ein Jagdkeiler die Wade aufgerissen hatte, stimmte irgendetwas nicht. Ich ignorierte es ohne darüber nachzudenken. Ich konnte es bewegen – wenn auch unter starken schmerzlichen Lasten – und das allein war die Hauptsache.

Als wir die ersten, abseits stehenden Tiere erreichten, richtete ich mich zu meiner vollen Größe auf und starrte mit grimmigem Blick in die Menge. Durch die Masse an Tieren konnte ich die Menschen kaum noch erkennen. Niemand griff sie an, nur vereinzelt schnappten ein paar Raubtiere nach ihnen.

Hunters 2 - der Pfad des JägersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt