Panisch preschte ich durch dichtes Gebüsch und Bäume. Mein Atem ging stockend, mein Herz raste. Meine Hände und Arme waren wund und aufgerissen von zahlreichen Dornen. Wasser und Schweiß bahnten sich ihren Weg durch meine Haare in die Augen und nahmen mir die Sicht.
Ich musste hier weg! Egal, wohin – einfach nur weg…
Mein Fluchtinstinkt war so plötzlich über mich gekommen, wie ich ihn gesehen hatte: Groß, nur schemenhaft, mit vom Regen verklebten Haaren und zum Angriff gespannter Haltung. Sein Aussehen hatte sich verändert. Er war muskulös geworden. Sein Anblick beinahe furchteinflößend.
Dennoch hatte ich ihn erkannt.
Und dann war ich gelaufen.
Wie konnte das sein? Nach all der langen Zeit – wie konnte ich ihn da wiedersehen? Ich hatte so fest damit gerechnet, ihn verloren zu haben… Und dann war er mit einem Mal wieder da? Wie aus dem Nichts aufgetaucht – ganz plötzlich, ohne Vorwarnung…
Conec…
Ruckartig stoppte ich mitten im Lauf. Ein Ast streifte meinen Arm und hinterließ ein schmerzhaftes Brennen. Ich bemerkte es kaum.
Warum lief ich davon? Hatte ich Angst, ihm zu begegnen? Angst, er könnte mich hassen? Mir die Schuld an allem geben? Mich anklagen, ich hätte mich auf die falsche Seite geschlagen? Jahrelang hatte es für uns nichts anderes als die Rache an den Tieren gegeben…
Ich hatte ihn verraten!
Ich hatte alles verraten: Mich, ihn, die gemeinsame Sache, für die wir gekämpft hatten. Nurvia. Die Menschheit. Alles, was mich ausmachte und wofür ich gestanden hatte…
Was war jetzt noch von mir übrig?
Wie konnte ich ihm unter die Augen treten – nach allem, was passiert war?
Was habe ich getan…?
Der Regen hörte nicht auf, auf mich hinab zu stürzen. Als wollte er mich verurteilen. Als wollte er mir zeigen, wie sehr ich im Unrecht war. Wie einsam uns hilflos ich war – ohne die Unterstützung durch die Menschen. Als wollte er, dass ich mich endlich wieder zu dem bekennen würde, was ich von Anfang an gewesen war.
Ein Mensch.
Doch was genau war so falsch an meinem jetzigen Ich? In all der Zeit hatte ich nie ein schlechtes Gewissen gehabt. Ich war einsam gewesen – das ja. Ich hatte mich mit meinem Feind verbrüdert und mich von den Menschen abgewandt. Ich hatte viel erleiden und durchstehen müssen in der Wildnis…
Doch nie hatte es sich falsch angefühlt.
Schon seit langer Zeit sah ich die Welt nicht mehr durch die Augen eines Menschen. Ich hatte nicht vergessen, wie sie handelten und was sie dachten, doch ich hatte es verdrängt – zurückgeschoben in den hintersten Winkel meines Bewusstseins. Ich hatte mein Handeln nie durch andere Menschen reflektiert gewusst und nie darüber nachgedacht, wer ich in ihren Augen war…
Verwildert.
Eine Verräterin.
Eine wilde Bestie…
Doch war das so falsch?
Wenn man lange Zeit außerhalb der Gemeinschaft von Gleichgesinnten verbrachte, vergaß man, wer man vorher gewesen war. Man vergaß die Moral- und Wertvorstellungen der anderen. Man war ganz auf sich allein gestellt, musste urplötzlich eigene Entscheidungen treffen. Der einzige Halt, den man hatte, war man selbst.
Ich hatte meine Entscheidungen getroffen. Ich hatte über Gut und Böse entschieden – selbstbestimmt. Ohne Einfluss von anderen. Vielleicht war das der einzig richtige Weg… oder eben der falsche?
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Hunters 2 - der Pfad des Jägers
Fantasía*** WICHTIG: Da der erste Teil von "Hunters" überarbeitet wurde, passen einige Dinge nicht mehr zusammen. Wenn Zeit ist, wird dieser Teil deshalb ebenfalls überarbeitet.*** Die Schwerter schlugen aufeinander - schwer und hart. Die Atmosphäre schien...