24. Butterblume

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Wenige Stunden später kamen wir in Gollar an: Zermürbt, abgekämpft und vollständig durchnässt. Meine Arme waren voller winziger, brennender Kratzer, meine Kleidung klebte widerlich an der Haut und meine Nerven waren am Ende.

Thunder ging es nicht viel besser: Von dem letzten Monster, dem wir begegnet waren, hatte er ordentlich eins auf die Schnauze bekommen. Er ärgerte sich immer noch über seine eigene Unvorsicht.

Den Empfang am Klostereingang übernahm Nuh, der im Gegensatz zu uns unverschämt gute Laune zu haben schien. Er war mit Wache schieben an der Reihe. Auch, wenn dies ein ziemlich sicherer Ort war – man konnte nie vorsichtig genug sein.

„Wie seht ihr beide denn aus?“, wollte der überraschte Junge wissen, als er uns kommen sah. „Und wo seid ihr so lange gewesen? Wir haben schon angefangen, uns Sorgen zu machen…“ Er grinste. „Seid ihr in ein Unwetter geraten? Oder ausversehen in ein Habichtsschnapper-Nest gestolpert?“ Er lachte schadenfroh.

Missmutig stapfte ich auf das Tor zu und drückte ihm das mickrige Etwas in die Hand, das wir erbeutet hatten. Dann zwängte ich mich an ihm vorbei ins Gebäude. Thunder folgte mir dicht auf und wenig später folgte auch der Junge. „Ihh… was ist das denn?“

Ein wenig musste ich schmunzeln. „Dein Mittagessen.“, war die knappe Antwort. Ich schnappte mir eines der alten Laken, die über den Kirchenbänken hingen und rubbelte einmal kräftig durch die triefenden Haare. Danach machte ich mich daran, Thunders Fell trocken zu bekommen.

„Das ist ja eklig.“, tönte Nuh. Als ich aufsah, hielt er das durchnässte Etwas mit weit ausgestrecktem Arm von sich. Es sah wirklich nicht gerade appetitlich aus. Das weiß-grünliche Federkleid war größtenteils zerrupft und ein Flügel hing in groteskem Winkel vom Rest des Körpers ab. „Das soll ich essen?“ Nuh verzog angewidert das Gesicht. „Was ist das überhaupt für ein Vieh?“

Jetzt musste ich kichern. „Wir haben es Butterblume genannt. Das ist ein kleiner, bunter Vogel. Ich glaube, seine Art kann nicht fliegen… dafür rennt sie umso schneller.“ Ich rollte genervt mit den Augen beim Gedanken daran, wie anstrengend es gewesen war, das kleine Biest in die Finger zu bekommen. So kurz die stummeligen Beinchen auch aussahen – träge waren sie nicht grade. „Normalerweise tragen die Vögel eine Blume auf dem Kopf herum. Die halten sie da drin fest – siehst du?“ Ich zeigte auf den Kopf des toten Wesens, der schlaff herunter hing. Man konnte eine Öffnung erkennen, in der der Stiel der Blüte gesteckt hatte. Unwillkürlich musste ich mich fragen, ob darunter überhaupt genug Platz für den Stängel war. Wenn ja – wo versteckten die Kreaturen ihr Gehirn? Vielleicht war es möglich, dem Biest vor dem Kochen einen gezielten Schnitt zu verpassen und nachzusehen…?

Nuh betrachtete das Tier inzwischen genauso interessiert wie ich. „Machen sie das, um sich zu tarnen? Vor Raubtieren – damit es aussieht, als wären sie eine Pflanze?“

Groß genug war die Blüte gewesen, die das Wesen mit sich herumgeschleppt hatte. Ich zuckte mit den Schultern. „Oder sie locken damit Insekten an, die sie dann fressen… ach, keine Ahnung.“ Ich stand auf und hängte das Tuch zurück. „Eigentlich sollte es sie in dieser Gegend gar nicht geben.“, murmelte ich und schaute Thunder hinterher, der in den Innenhof stürzte und sich wahrscheinlich für die Nacht unter der überdachten Pergola ausstrecken würde. „Zum ersten Mal haben wir sie auf dem Meteoriten gesehen. Da laufen hunderte von ihnen rum – in den unterschiedlichsten Farben und jeder mit einer anderen Blüte…“

Nuh nickte nachdenklich. „Dann sind sie vielleicht auch wegen dem Angriff hier?“

Wieder zuckte ich mit den Schultern. „Vielleicht sind sie auch einfach nur aufgeschreckt… oder dieses Exemplar ist bloß ein Einzelfall.“ Das hielt ich allerdings für wenig wahrscheinlich. Weder ich noch irgendjemand aus Nurvia hatten jemals ein solches Tier außerhalb des Kraters gesehen. Ziemlich sicher hatte sein Auftauchen etwas mit der allgemeinen Aufruhr in der Tierwelt zu tun. Aber ob sie es gezielt auf Nurvia abgesehen hatten? „Ich glaube jedenfalls kaum, dass sie besonders viel ausrichten können.“, meinte ich.

Hunters 2 - der Pfad des JägersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt