23. Sehnsucht

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Wir harrten aus, bist die Dunkelheit anbrach. Die Nacht war bewölkt, auch wenn das hinter dem Dach aus Blättern kaum zu erkennen war. Der Regen hatte aufgehört und es tropften nur noch vereinzelte, aufgestaute Reste auf uns herab.

Thunder hielt immer wieder seine Nase in den Wind. Ihm war äußerst unwohl dabei, mitten in der Gefahrenzone anzuhalten und abzuwarten. Er wollte vor möglichen Angriffen rechtzeitig gewarnt sein, damit wir so schnell wie möglich verschwinden konnten. Zum Glück hatte er noch keine größere Gefahr wittern können. Hoffentlich würde es dabei bleiben. Ich musste unbedingt mit Conec sprechen, bevor es zu spät war.

Inzwischen lag der Wald in undurchdringlicher Dunkelheit und Stille. Eine trügerische Stille, der Menschen nicht anmerkten, dass etwas nicht stimmte. Thunder spürte es dafür umso deutlicher. Von Minute zu Minute war er unruhiger geworden. Es war eine Erlösung für ihn, als wir uns endlich zum Lager aufmachten.

Das Schleichen durch dichtes Gebüsch machte mir inzwischen nichts mehr aus. Ich huschte lautlos durch die Nacht, auch, wenn ich kaum etwas sehen konnte. Nach der langen Zeit im Wald kannte ich seine Eigenarten und den Aufbau. Wenn ich mir Mühe gab, konnte ich jeden Zweig erahnen und so jeglicher Geräuschquelle ausweichen.

Auf halbem Wege schreckte Thunder plötzlich auf. Seine Gedanken warnten mich nur Sekunden bevor ein Geräusch es tat. Ein knackender Ast.

Ein Mensch…

Etwas bewegte sich nur wenige Meter entfernt. Angestrengt spähte ich in die Finsternis, konnte aber nichts ausmachen. Thunders scharfer Blick hingegen konnte es. Die Bilder, die er mir übermittelte, ließen meinen Atem stocken. Der Mensch, der etwas orientierungslos durch das Gebüsch irrte, war hoch gewachsen und hatte eine lange Waffe in der Hand. Krause Locken fielen ihm in die Stirn.

Auch, wenn Thunder nicht allzu viel erkennen konnte, wusste ich genau, wer es war.

Conec“, flüsterte ich – anscheinend etwas zu laut.

Der junge Mann wirbelte zu uns herum, das lange Schwert schützend von sich ausgestreckt. Er konnte genauso wenig erkennen wie ich, trotzdem schien er zu ahnen, dass hier kein fieses Monster auf ihn lauerte. Hatte er meine Stimme erkannt?

Vorsichtig trat der Mann näher. Seine Hand zitterte ein wenig, wie ich bemerkte. Es war die Ungewissheit, die ihm zu schaffen machte. Was würde hinter den Bäumen auf ihn warten?

„Jule?“ Seine Stimme schreckte mich auf. Es war immer noch die alte. Tief und weich. Die Stimme, mit der mich mein bester Freund getröstet hatte, wenn es mir schlecht ging und die mir Mut zugesprochen hatte, wenn die Verzweiflung an mir genagt hatte. In diesem Moment stürzten alle Erinnerungen auf mich ein und eine tiefe Sehnsucht ergriff mich – Sehnsucht danach, dass alles wieder so wurde, wie es einmal gewesen war…

Lautlos beugte ich mich zu Thunder hinunter. „Versteck dich.“, wisperte ich ihm zu. Der Tigerbär verstand. Er huschte tiefer in den Wald hinein, würde aber in der Nähe bleiben – um der Vorsicht willen.

Jetzt war ich ganz auf mich allein gestellt.

Conec erschien ganz plötzlich vor mir – ich konnte gar nicht rechtzeitig reagieren. Er zuckte zurück, als er mich wahrnahm und ich tat reflexartig dasselbe.

Regungslos standen wir da – nicht einmal zwei Schritte voneinander entfernt.

Ich konnte gar nicht aufhören, ihn zu mustern. Erkennen tat ich kaum etwas, trotzdem nahm ich jede Winzigkeit in mir auf, die ich erhaschen konnte. Das stoppelige Kinn, die Art seiner Bewegungen und wie die Hand den Griff des Schwertes umklammerte…

„Jule… bist du es wirklich?“

Ich nickte zaghaft. Etwas anderes konnte ich in diesem Augenblick nicht tun. Die Flut aus Erinnerungen stürzte auf mich ein, als wollte sie mich zermalmen.

Hunters 2 - der Pfad des JägersWo Geschichten leben. Entdecke jetzt