Der Ausflug

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Am nächsten Morgen werde ich wieder durch die Sirene geweckt. Das grelle Licht blendet mich wieder. Ein Wärter kontrolliert kurz ob ich da bin - wo sollte ich auch sonst sein. Dann bekomme ich mein Frühstück, werde zum Duschen geholt, natürlich in Handschellen, anschließend komme ich in die Zelle zurück. "Um 8.30 Uhr wirst du abgeholt!", informiert mich der Wärter.  Ich gehe an den Spiegel, putze mir die Zähne, versuche etwas mit meinen Haaren zu machen, aber für einen Zopf sind sie immer noch zu kurz. Naja, ich werde auch so schön in meiner Uniform aussehen.  Ich setze mich auf mein Bett und warte. Irgendwann geht die Tür auf und zwei Wärter kommen herein, einer hat einen Haufen Ketten dabei. "Zieh die an!", sagt einer und wirft ein paar orange Schuhe aus Plastik auf den Boden. Die letzten 4 Wochen habe ich nur ein paar Badeschuhe gehabt. Ich schlüpfe in die Schuhe, sie fühlen sich kalt an. Dann bekomme ich wieder Handschellen, welche mit einer Kette um meinen Bauch befestigt werden. Die Fußfesseln werden mit einer Kette an die um meinem Bauch befestigt, durch die zu große Uniform wirke ich wie ein Zwerg. "Ich hoffe, die Ketten sind nicht zu eng, du wirst sie erstmal eine ganze Zeit tragen." Die Wärter bringen mich aus dem Gang mit den Einzelzellen, wir laufen am C-Block vorbei, in Richtung des Haupteingangs. Hier musste ich mich damals bei meiner Aufnahme ausziehen und wurde das erste Mal kontrolliert. Nur gehen wir an diesen Räumen direkt vorbei, ich verlasse dieses Gefängnis wohl in meiner Sträflingskleidung.

Nach mehreren Sicherheitsschleusen kommen wir an einen Parkplatz, welcher aber auch umzäunt ist. Ein Polizeiauto steht bereit, ich werde in den hinteren Bereich gesetzt und angeschnallt. Ein Wärter nimmt vorne Platz, uns trennt ein Gitter. Dann fahren wir los. Auf dem Radio im Auto kann ich ein Datum erkennen: 18. Oktober 2018. Dann war ich anscheinend 33 Tage in der Einzelhaft. Langsam klart der Nebel in meinem Kopf wieder auf. Vor 4 Monaten kam ich ins Gefängnis, damit habe ich noch 4 Jahre und 2 Monate vor mir, vorrausgesetzt die Strafe von Smith zählt wirklich. Wir fahren durch eine weitere Sicherheitsschleuse. Ich weiß von meiner Hinfahrt, dass es nochmal einen großen Zaun, welcher elektrisch geladen ist, um das Gelände herum gibt. Wir fahren an Feldern vorbei auf den Frauen aneinandergekettet arbeiten. Mehrere Wärter mit Gewehren beobachten sie, während sie den Acker pflügen. Ein Glück blieb mir diese Arbeit erspart. Dann erreichen wir das äußere Tor. Der Wärter wird kurz gecheckt, dann fahren wir weiter. Eine lange Zeit blicke ich nur auf eine weitere Ebene, mit einzelnen Bäumen. Ich drehe mich um, das Gefängnis liegt etwas erhöht in einem Talkessel. Hier zu fliehen ist unmöglich, kaum ein Ort an dem man sich verstecken könnte. In der Ferne sehe ich eine kleine Stadt, hier wohnen wohl viele Angestellte des Gefängnisses.  Ich schaue noch weiter aus dem Fenster, das erste Mal seit 4 Monaten, dass ich Natur und Bäume sehe, anstatt Zäune und Beton. Nach einer Stunde erreichen wir einen Highway, nach einer weiteren Stunde erreichen wir die nächste Stadt. Hier werde ich wohl vor Gericht stehen. Langsam wird mir auch mulmig, wenn ich an den Termin denke. Ich werde sicher nicht freigesprochen, nachdem was ich getan habe. Aber irgendwie bereue ich es auch nicht, nach alldem was passiert ist.

Das Auto kommt am Gericht an. Aber anstatt vorne zu halten, fährt der Wagen an eine Art Hintereingang. Dort steht bereits ein großer Gefängnisbus. Der Wärter steigt aus, eine Hintertür wird geöffnet und ich werde nach draußen gezogen. Es warten bereits 2 Polizisten auf mich. "Transfer aus Eagle Rock, Häftling 542-869 für ihre Verhandlung. Soll ich warten bis sie fertig ist?", sagt der Wärter, während er mich den beiden anderen übergibt. "Nein, sie kann mit dem Bus zurückfahren. Der Tag dauert heute etwas länger heute, wir haben heute ne ganze Ladung an Häftlingen. Da müssen sicher ein paar nach Eagle Rock." "Dankeschön, dann gute Dienst noch!", sagt der Wärter und steigt in seinen Wagen zurück. Ein Polizist nimmt mich am Ellenbogen und führt mich zu Tür. Obwohl ich eigentlich mittlerweile gewohnt sein sollte, fällt es mir immer noch schwer mit diesen Fußfesseln zu laufen, ich trippel zum Teil unsicher über die Gänge. Der Polizist ist äußerst freundlich: "Vorsicht, vorsicht, ich bringe dich in den Gerichtssaal. Wir können uns Zeit lassen, es sind heute 40 Verhandlungen geplant. Du kommst ziemlich zum Schluss." "Danke, Sir." sage ich nett. "Nimms mir nicht übel, aber du siehst in deiner Uniform echt lächerlich aus. Hast du dir die in extragroß geben lassen?", bemerkt er scherzhaft. "Nein, das war einer der Wärter, dieser Arsch", antworte ich lachend. "Vorsicht...", seine Stimme wird ernst. "Beleidigung eines Beamten kann mit einer Woche Einzelhaft bestraft werden.." Ich bin sofort still. "War nur ein Scherz!", der Polizist lacht laut los. "Ein bisschen Humor sollte man haben, auch im Knast." Wir stehen vor einer großen Tür. Er öffnet sie. Dahinter eröffnet sich ein großer Gerichtssal, der mit Holz verkleidet ist. Scheinbar ist schon eine Verhandlung in Gange, vorne sitzen ein Richter, ein Staatsanwalt, sowie ein Mann in orangener Uniform und sein Anwalt. Die Bänke hinter dahinter sind gefüllt mit anderen Häftlingen. In den ersten beiden Reihen sitzen Männer, die 3 Reihen dahinter Frauen. Alle tragen Jumpsuits in unterschiedlichen Farben, sie sind aber alle so wie ich gefesselt. Ich werde zu einer der hinteren Sitzreihen gebracht und hingesetzt. Neben mir sitzt eine junge Frau in Khaki-farbener Uniform, sie hat braune Haare, ist etwas kurviger gebaut, die Kette um ihren Bauch liegt sehr eng an, dadurch wirken ihre großen Brüste noch einmal etwas dicker. Auf ihrem Hosenbein steht der Name eines anderen Gefängnisses. Überall kann ich Namen von unterschiedlichen Gefängnissen oder Polizeistationen lesen, manche sind aus der Gegend, andere sind mir völlig unbekannt. Ich versuche mich auf der harten Holzbank bequem hinzusetzen, mit den Ketten gelingt es mir nur mäßig. Vorne werden der Reihe nach Fälle angehandelt. Oft wird nur der Angeklagte nach vorne geholt und dann das Urteil verkündet. Bisher sind nur Männer dran gewesen. Bei der Geschwindigkeit werden wir wohl noch 6 Stunden hier sitzen. Gerade wurde vorne ein Mann zu 25 Jahren Haft verurteilt, bevor er brav wie ein Schuljunge wieder Platz nehmen darf. "Pst, wusstest du, dass die Männer für dieselben Straftaten längere Strafen bekommen als Frauen?", flüstert die Frau in Khaki neben mir. "Naja, wenigstens ein Gebiet, wo etwas Gerechtigkeit herrscht", flüstere ich zurück. Wir beide kichern. "Ich bin Lea", flüstert sie weiter. "Nathalie, freut mich." "Wo kommst du denn her? Schwarz-weiß sieht man selten und ich war schon in einigen Gefängnissen." "Eagle Rock, direkt aus der Einzelhaft.", sage ich leise. Ich merke, dass schon ein Wärter böse herüberschaut. Wir sind kurz ruhig. Manchmal wechseln mit den Angeklagten auch die Anwälte, die Häftlinge werden vorne an den Tisch gekettet. Bei den Wechseln entsteht immer etwas Lärm und Gemurmel, sodass wir weiter reden können. "In Eagle Rock könnte ich auch landen, hat mein Anwalt gesagt...Wie ist es da so?", fragt Lea. "Die reinste Hölle, die Wärter sind sadistisch, die Häftlinge wollen dich ficken und spielen Machtspiele mit dir und die Aufseherin ist eine kranke Bitch." "Das klingt doch nach einem normalen Frauengefängnis. Ich war schon in Einigen und ein bisschen rummachen und Sex klingt doch ganz toll, dann wird die Haft etwas entspannter", sagt Lea grinsend. Na toll, wieder so eine, ich habe das Gefühl ich ziehe die Frauen förmlich an. Aber Lea scheint ansonsten echt ok zu sein. Wir reden noch eine Zeit lang, bis wir von den Polizisten angeschnauzt werden und sich einer hinter uns aufstellt.

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